Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Liebe zur edlen klassischen Münzkunde -- wie lautet über diesen der Richterspruch des unbestechlichen Wiener Rhadamanth? "Einen Blick über Ihro Excellenz ganzen Katalog. Ich sehe darin eine Menge der kostbarsten und seltensten Stücke, aber eben dieser Umstand macht, daß sich die ganze Sammlung vor den Augen ächter Kenner in keinem vortheilhaften Lichte zeigt. Jeder Kenner muß in der That über das unnennbare Glück erstaunen, welches so viele und so schätzbare Münzen einem einzigen Privatkabinette sollte zugespielt haben. Zur Probe nur ein Beispiel: auch in den größten Sammlungen, die von großen Fürsten durch viele Jahre sind zusammengebracht worden, findet man oft nicht ein Stück von den bosporischen Königen Ininthimeus, Teiranes, Thotorses -- es ist keines im kaiserlichen Kabinet, keines im großherzoglichen, keines im gothaischen und mehren andern; ich habe in meinem Leben keines in Natur gesehen; Herr Baron Herwart, kaiserlicher Gesandter in Konstantinopel, der für das kaiserliche Kabinet durch mehre Jahre in der Nachbarschaft bosporanische Münzen sammelte, und dazu carta bianca hatte, war nicht so glücklich, nur eine einzige Münze von diesen drei Königen zu bekommen, und doch finden sich alle drei in der Sammlung -- Ihrer Excellenz! Sollte ein so undenkbares Glück einen Kenner nicht mißtrauisch machen?" Oder nicht auch ein wenig neidisch? unterbrach die Reichsgräfin ihr Lautlesen mit einem gewissen triumphirenden Gefühl, dann sprach sie weiter, den fernern Inhalt des Briefes überfliegend: Pellerins Kabinet sei das bedeutendste in Bezug auf anekdote und sogenannte einzige Münzen gewesen -- ganz besondere Umstände haben ihn begünstigt, langes Leben, verbunden als commis de marine mit allen Konsuln der Levante -- ein gewisser La Roche habe in einem kleinen Orte zwischen Grenoble und Lyon mit ganz besonderer Geschicklichkeit die besten pellerinischen Münzen nachgemacht -- das der Aufschluß und zugleich mein Münzschlüssel. Eine ganze Schachtel voll angstschweißtreibender Pillen -- und der Schluß? "Ich bitte und hoffe es auch, Ihre Excellenz werden mir mein aufrichtiges Geständniß zu gute halten. Schon beim ersten Anblick des Katalogs wollte ich damit herausrücken, aber ich fürchtete zu beleidigen. Endlich faßte ich mich, weil es meine Rechtschaffenheit von Liebe zur edlen klassischen Münzkunde — wie lautet über diesen der Richterspruch des unbestechlichen Wiener Rhadamanth? „Einen Blick über Ihro Excellenz ganzen Katalog. Ich sehe darin eine Menge der kostbarsten und seltensten Stücke, aber eben dieser Umstand macht, daß sich die ganze Sammlung vor den Augen ächter Kenner in keinem vortheilhaften Lichte zeigt. Jeder Kenner muß in der That über das unnennbare Glück erstaunen, welches so viele und so schätzbare Münzen einem einzigen Privatkabinette sollte zugespielt haben. Zur Probe nur ein Beispiel: auch in den größten Sammlungen, die von großen Fürsten durch viele Jahre sind zusammengebracht worden, findet man oft nicht ein Stück von den bosporischen Königen Ininthimeus, Teiranes, Thotorses — es ist keines im kaiserlichen Kabinet, keines im großherzoglichen, keines im gothaischen und mehren andern; ich habe in meinem Leben keines in Natur gesehen; Herr Baron Herwart, kaiserlicher Gesandter in Konstantinopel, der für das kaiserliche Kabinet durch mehre Jahre in der Nachbarschaft bosporanische Münzen sammelte, und dazu carta bianca hatte, war nicht so glücklich, nur eine einzige Münze von diesen drei Königen zu bekommen, und doch finden sich alle drei in der Sammlung — Ihrer Excellenz! Sollte ein so undenkbares Glück einen Kenner nicht mißtrauisch machen?“ Oder nicht auch ein wenig neidisch? unterbrach die Reichsgräfin ihr Lautlesen mit einem gewissen triumphirenden Gefühl, dann sprach sie weiter, den fernern Inhalt des Briefes überfliegend: Pellerins Kabinet sei das bedeutendste in Bezug auf anekdote und sogenannte einzige Münzen gewesen — ganz besondere Umstände haben ihn begünstigt, langes Leben, verbunden als commis de marine mit allen Konsuln der Levante — ein gewisser La Roche habe in einem kleinen Orte zwischen Grenoble und Lyon mit ganz besonderer Geschicklichkeit die besten pellerinischen Münzen nachgemacht — das der Aufschluß und zugleich mein Münzschlüssel. Eine ganze Schachtel voll angstschweißtreibender Pillen — und der Schluß? „Ich bitte und hoffe es auch, Ihre Excellenz werden mir mein aufrichtiges Geständniß zu gute halten. Schon beim ersten Anblick des Katalogs wollte ich damit herausrücken, aber ich fürchtete zu beleidigen. 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Liebe zur edlen klassischen Münzkunde — wie lautet über diesen der Richterspruch des unbestechlichen Wiener Rhadamanth?
„Einen Blick über Ihro Excellenz ganzen Katalog. Ich sehe darin eine Menge der kostbarsten und seltensten Stücke, aber eben dieser Umstand macht, daß sich die ganze Sammlung vor den Augen ächter Kenner in keinem vortheilhaften Lichte zeigt. Jeder Kenner muß in der That über das unnennbare Glück erstaunen, welches so viele und so schätzbare Münzen einem einzigen Privatkabinette sollte zugespielt haben. Zur Probe nur ein Beispiel: auch in den größten Sammlungen, die von großen Fürsten durch viele Jahre sind zusammengebracht worden, findet man oft nicht ein Stück von den bosporischen Königen Ininthimeus, Teiranes, Thotorses — es ist keines im kaiserlichen Kabinet, keines im großherzoglichen, keines im gothaischen und mehren andern; ich habe in meinem Leben keines in Natur gesehen; Herr Baron Herwart, kaiserlicher Gesandter in Konstantinopel, der für das kaiserliche Kabinet durch mehre Jahre in der Nachbarschaft bosporanische Münzen sammelte, und dazu carta bianca hatte, war nicht so glücklich, nur eine einzige Münze von diesen drei Königen zu bekommen, und doch finden sich alle drei in der Sammlung — Ihrer Excellenz! Sollte ein so undenkbares Glück einen Kenner nicht mißtrauisch machen?“
Oder nicht auch ein wenig neidisch? unterbrach die Reichsgräfin ihr Lautlesen mit einem gewissen triumphirenden Gefühl, dann sprach sie weiter, den fernern Inhalt des Briefes überfliegend: Pellerins Kabinet sei das bedeutendste in Bezug auf anekdote und sogenannte einzige Münzen gewesen — ganz besondere Umstände haben ihn begünstigt, langes Leben, verbunden als commis de marine mit allen Konsuln der Levante — ein gewisser La Roche habe in einem kleinen Orte zwischen Grenoble und Lyon mit ganz besonderer Geschicklichkeit die besten pellerinischen Münzen nachgemacht — das der Aufschluß und zugleich mein Münzschlüssel. Eine ganze Schachtel voll angstschweißtreibender Pillen — und der Schluß?
„Ich bitte und hoffe es auch, Ihre Excellenz werden mir mein aufrichtiges Geständniß zu gute halten. Schon beim ersten Anblick des Katalogs wollte ich damit herausrücken, aber ich fürchtete zu beleidigen. Endlich faßte ich mich, weil es meine Rechtschaffenheit von
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/29>, abgerufen am 16.07.2024. |