Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.daß ich zu viel weiß, um mich also abfertigen zu lassen, daß das Herz Ihrer Tochter mein ist, daß ich Anges suchen und sie finden werde, sollte ich auch im Schwarzwald von Dorf zu Dorf, von Hütte zu Hütte ziehen. Frau Daniels erschrak, als ich den Schwarzwald nannte, doch suchte sie mir dies zu verbergen, und fragte auf's Neue: Was wollen Sie von Anges? Ich komme von le Mans! Haben Sie Berthelmy's Todtenschein? fragte die Frau jetzt mit leuchtenden Augen. Den habe ich nicht und brauche ihn nicht, es kann auch niemals einer gegeben werden. Es gibt dort keine Kirchen und keine Kirchenbücher mehr; der Maire sagt mir, das Papier habe nicht hingereicht, um die Namen aller Todten aufzuzeichnen. Was sich geschieden habe, sei geschieden, Niemand frage danach. Das mag dort in le Mans so sein, entgegnete mir die verständige Frau. Hier in Zweibrücken aber denken wir noch anders. Die Feinde mögen uns Alles nehmen; unsere Kirche, unsern Glauben, unsern Gott lassen wir uns nicht nehmen! Wir singen nicht vergebens unsers Luther Lied: Eine feste Burg ist unser Gott, Eine gute Wehr und Waffen, Der hilft uns treu aus aller Noth, Die uns jetzt hat betroffen! Ja, wohl hat uns Noth betroffen, harte Noth, aber Gott wird uns helfen! Ich hatte nicht Lust, mit der wackern Frau einen Glaubensstreit zu beginnen, der mich auf keinen Fall gefördert haben würde, sondern einlenkend sprach ich: Ich habe Ihre Tochter in Ehren gehalten, als sie ganz in meiner Macht, in meinem alleinigen Schutze war, und ich hoffe nicht, seitdem schlechter geworden zu sein. Ich will sie noch einmal fragen, sie und nur sie selbst hat hier zu entscheiden, und dann wird mein Loos gefallen sein; darum nennen Sie mir den Ort, wo ich sie finde, ich flehe Sie darum an bei Allem, was Ihnen und mir heilig ist! Nun denn! rief Frau Daniels: Wenn Sie mir auf dieses Evangelienbuch, das Ihnen gewiß so heilig ist wie uns, schwören, daß der daß ich zu viel weiß, um mich also abfertigen zu lassen, daß das Herz Ihrer Tochter mein ist, daß ich Angés suchen und sie finden werde, sollte ich auch im Schwarzwald von Dorf zu Dorf, von Hütte zu Hütte ziehen. Frau Daniels erschrak, als ich den Schwarzwald nannte, doch suchte sie mir dies zu verbergen, und fragte auf’s Neue: Was wollen Sie von Angés? Ich komme von le Mans! Haben Sie Berthelmy’s Todtenschein? fragte die Frau jetzt mit leuchtenden Augen. Den habe ich nicht und brauche ihn nicht, es kann auch niemals einer gegeben werden. Es gibt dort keine Kirchen und keine Kirchenbücher mehr; der Maire sagt mir, das Papier habe nicht hingereicht, um die Namen aller Todten aufzuzeichnen. Was sich geschieden habe, sei geschieden, Niemand frage danach. Das mag dort in le Mans so sein, entgegnete mir die verständige Frau. Hier in Zweibrücken aber denken wir noch anders. Die Feinde mögen uns Alles nehmen; unsere Kirche, unsern Glauben, unsern Gott lassen wir uns nicht nehmen! Wir singen nicht vergebens unsers Luther Lied: Eine feste Burg ist unser Gott, Eine gute Wehr und Waffen, Der hilft uns treu aus aller Noth, Die uns jetzt hat betroffen! Ja, wohl hat uns Noth betroffen, harte Noth, aber Gott wird uns helfen! Ich hatte nicht Lust, mit der wackern Frau einen Glaubensstreit zu beginnen, der mich auf keinen Fall gefördert haben würde, sondern einlenkend sprach ich: Ich habe Ihre Tochter in Ehren gehalten, als sie ganz in meiner Macht, in meinem alleinigen Schutze war, und ich hoffe nicht, seitdem schlechter geworden zu sein. Ich will sie noch einmal fragen, sie und nur sie selbst hat hier zu entscheiden, und dann wird mein Loos gefallen sein; darum nennen Sie mir den Ort, wo ich sie finde, ich flehe Sie darum an bei Allem, was Ihnen und mir heilig ist! Nun denn! rief Frau Daniels: Wenn Sie mir auf dieses Evangelienbuch, das Ihnen gewiß so heilig ist wie uns, schwören, daß der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0289" n="285"/> daß ich zu viel weiß, um mich also abfertigen zu lassen, daß das Herz Ihrer Tochter mein ist, daß ich Angés suchen und sie finden werde, sollte ich auch im Schwarzwald von Dorf zu Dorf, von Hütte zu Hütte ziehen.</p> <p>Frau Daniels erschrak, als ich den Schwarzwald nannte, doch suchte sie mir dies zu verbergen, und fragte auf’s Neue: Was wollen Sie von Angés?</p> <p>Ich komme von le Mans!</p> <p>Haben Sie Berthelmy’s Todtenschein? fragte die Frau jetzt mit leuchtenden Augen.</p> <p>Den habe ich nicht und brauche ihn nicht, es kann auch niemals einer gegeben werden. Es gibt dort keine Kirchen und keine Kirchenbücher mehr; der Maire sagt mir, das Papier habe nicht hingereicht, um die Namen aller Todten aufzuzeichnen. Was sich geschieden habe, sei geschieden, Niemand frage danach.</p> <p>Das mag dort in le Mans so sein, entgegnete mir die verständige Frau. Hier in Zweibrücken aber denken wir noch anders. Die Feinde mögen uns Alles nehmen; unsere Kirche, unsern Glauben, unsern Gott lassen wir uns nicht nehmen! Wir singen nicht vergebens unsers Luther Lied:</p> <lg type="poem"> <l>Eine feste Burg ist unser Gott,<lb/></l> <l>Eine gute Wehr und Waffen,<lb/></l> <l>Der hilft uns treu aus aller Noth,<lb/></l> <l>Die uns jetzt hat betroffen!<lb/></l> </lg> <p>Ja, wohl hat uns Noth betroffen, harte Noth, aber Gott wird uns helfen!</p> <p>Ich hatte nicht Lust, mit der wackern Frau einen Glaubensstreit zu beginnen, der mich auf keinen Fall gefördert haben würde, sondern einlenkend sprach ich: Ich habe Ihre Tochter in Ehren gehalten, als sie ganz in meiner Macht, in meinem alleinigen Schutze war, und ich hoffe nicht, seitdem schlechter geworden zu sein. Ich will sie noch einmal fragen, sie und nur sie selbst hat hier zu entscheiden, und dann wird mein Loos gefallen sein; darum nennen Sie mir den Ort, wo ich sie finde, ich flehe Sie darum an bei Allem, was Ihnen und mir heilig ist!</p> <p>Nun denn! rief Frau Daniels: Wenn Sie mir auf dieses Evangelienbuch, das Ihnen gewiß so heilig ist wie uns, schwören, daß der </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [285/0289]
daß ich zu viel weiß, um mich also abfertigen zu lassen, daß das Herz Ihrer Tochter mein ist, daß ich Angés suchen und sie finden werde, sollte ich auch im Schwarzwald von Dorf zu Dorf, von Hütte zu Hütte ziehen.
Frau Daniels erschrak, als ich den Schwarzwald nannte, doch suchte sie mir dies zu verbergen, und fragte auf’s Neue: Was wollen Sie von Angés?
Ich komme von le Mans!
Haben Sie Berthelmy’s Todtenschein? fragte die Frau jetzt mit leuchtenden Augen.
Den habe ich nicht und brauche ihn nicht, es kann auch niemals einer gegeben werden. Es gibt dort keine Kirchen und keine Kirchenbücher mehr; der Maire sagt mir, das Papier habe nicht hingereicht, um die Namen aller Todten aufzuzeichnen. Was sich geschieden habe, sei geschieden, Niemand frage danach.
Das mag dort in le Mans so sein, entgegnete mir die verständige Frau. Hier in Zweibrücken aber denken wir noch anders. Die Feinde mögen uns Alles nehmen; unsere Kirche, unsern Glauben, unsern Gott lassen wir uns nicht nehmen! Wir singen nicht vergebens unsers Luther Lied:
Eine feste Burg ist unser Gott,
Eine gute Wehr und Waffen,
Der hilft uns treu aus aller Noth,
Die uns jetzt hat betroffen!
Ja, wohl hat uns Noth betroffen, harte Noth, aber Gott wird uns helfen!
Ich hatte nicht Lust, mit der wackern Frau einen Glaubensstreit zu beginnen, der mich auf keinen Fall gefördert haben würde, sondern einlenkend sprach ich: Ich habe Ihre Tochter in Ehren gehalten, als sie ganz in meiner Macht, in meinem alleinigen Schutze war, und ich hoffe nicht, seitdem schlechter geworden zu sein. Ich will sie noch einmal fragen, sie und nur sie selbst hat hier zu entscheiden, und dann wird mein Loos gefallen sein; darum nennen Sie mir den Ort, wo ich sie finde, ich flehe Sie darum an bei Allem, was Ihnen und mir heilig ist!
Nun denn! rief Frau Daniels: Wenn Sie mir auf dieses Evangelienbuch, das Ihnen gewiß so heilig ist wie uns, schwören, daß der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/289 |
Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/289>, abgerufen am 23.07.2024. |