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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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mit Anges das süßeste, lauterste Glück meines Jugendlebens genossen hatte, war im Spätherbst des vergangenen Jahres nach den Schlachten, welche die Rheinarmee unter Pichegru und Hoche den Preußen und Sachsen bei Kaiserslautern und bei Moorlautern geliefert, zum Sammelplatz des geschlagenen Franzosenheeres geworden, das siebentausend Mann verloren hatte; nachdem sich dieses französische Heer gestärkt, drängte es seine Gegner unter Wurmser wieder über den Rhein zurück. Ich erschien im Elternhause Ange's in Zweibrücken, welche Stadt französische Besatzung behielt; meine Erscheinung war im Anfang augenscheinlich keine willkommene, denn man sah in mir den Mann, der Ange's Unglück verschuldet; endlich gelang es mir jedoch, mit ihrer Mutter ein verständigendes Gespräch zu beginnen. Wenn Sie mir zürnen, verehrte Frau Daniels, sprach ich zu ihr, so thun Sie mir großes Unrecht. Ich hielt ja Ihrer Tochter die gelobte Treue, strebte rastlos danach, durch meinen eigenen Fleiß so viel zu erwerben, um eine schöne sorgenlose Zukunft, so weit solche voraus zu bestimmen in menschlicher Macht liegt, Anges zu bereiten. Dem Kaufmann aber, dem bedeutenden, fällt selten das Glück daheim und hinter dem Ofen in den Schoos; er muß hinaus, handelnd und strebend, in ferne Weiten, in entlegene Länder. Mir, dem Treuen, brach Anges die Treue, und wurde dazu hier überredet. Ich hing immer noch voll Zärtlichkeit an ihr, und eine Fügung war's, gewiß eine wunderbare, daß ich ausersehen ward, ihr Retter und Befreier aus einer unwürdigen Lage zu werden.

Ganz gewiß, erwiederte Frau Daniels, und Anges ist Ihnen mit uns dafür zu stetem Danke verpflichtet; freilich hätten wir gewünscht, sie wäre gleich in ihr elterliches Haus zurückgekehrt und hätte nicht erst eine so weite Irrfahrt gemacht.

Daran trug der Krieg die Schuld; auf gradem Wege hätte uns entweder Berthelmy's Verfolgung ereilt, oder wir wären dem Verderben geradezu entgegen gefahren.

Ich will es glauben, versetzte Ange's Mutter, und ich fragte sie nun: Wo lebt jetzt Anges?

Ich weiß es nicht!

Sie wissen es nicht? O, wohl wissen Sie es, aber Eins wissen Sie nicht, verehrte Frau! rief ich empfindlich aus. Sie wissen nicht,

mit Angés das süßeste, lauterste Glück meines Jugendlebens genossen hatte, war im Spätherbst des vergangenen Jahres nach den Schlachten, welche die Rheinarmee unter Pichegru und Hoche den Preußen und Sachsen bei Kaiserslautern und bei Moorlautern geliefert, zum Sammelplatz des geschlagenen Franzosenheeres geworden, das siebentausend Mann verloren hatte; nachdem sich dieses französische Heer gestärkt, drängte es seine Gegner unter Wurmser wieder über den Rhein zurück. Ich erschien im Elternhause Angé’s in Zweibrücken, welche Stadt französische Besatzung behielt; meine Erscheinung war im Anfang augenscheinlich keine willkommene, denn man sah in mir den Mann, der Angé’s Unglück verschuldet; endlich gelang es mir jedoch, mit ihrer Mutter ein verständigendes Gespräch zu beginnen. Wenn Sie mir zürnen, verehrte Frau Daniels, sprach ich zu ihr, so thun Sie mir großes Unrecht. Ich hielt ja Ihrer Tochter die gelobte Treue, strebte rastlos danach, durch meinen eigenen Fleiß so viel zu erwerben, um eine schöne sorgenlose Zukunft, so weit solche voraus zu bestimmen in menschlicher Macht liegt, Angés zu bereiten. Dem Kaufmann aber, dem bedeutenden, fällt selten das Glück daheim und hinter dem Ofen in den Schoos; er muß hinaus, handelnd und strebend, in ferne Weiten, in entlegene Länder. Mir, dem Treuen, brach Angés die Treue, und wurde dazu hier überredet. Ich hing immer noch voll Zärtlichkeit an ihr, und eine Fügung war’s, gewiß eine wunderbare, daß ich ausersehen ward, ihr Retter und Befreier aus einer unwürdigen Lage zu werden.

Ganz gewiß, erwiederte Frau Daniels, und Angés ist Ihnen mit uns dafür zu stetem Danke verpflichtet; freilich hätten wir gewünscht, sie wäre gleich in ihr elterliches Haus zurückgekehrt und hätte nicht erst eine so weite Irrfahrt gemacht.

Daran trug der Krieg die Schuld; auf gradem Wege hätte uns entweder Berthelmy’s Verfolgung ereilt, oder wir wären dem Verderben geradezu entgegen gefahren.

Ich will es glauben, versetzte Angé’s Mutter, und ich fragte sie nun: Wo lebt jetzt Angés?

Ich weiß es nicht!

Sie wissen es nicht? O, wohl wissen Sie es, aber Eins wissen Sie nicht, verehrte Frau! rief ich empfindlich aus. Sie wissen nicht,

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mit Angés das süßeste, lauterste Glück meines Jugendlebens genossen hatte, war im Spätherbst des vergangenen Jahres nach den Schlachten, welche die Rheinarmee unter Pichegru und Hoche den Preußen und Sachsen bei Kaiserslautern und bei Moorlautern geliefert, zum Sammelplatz des geschlagenen Franzosenheeres geworden, das siebentausend Mann verloren hatte; nachdem sich dieses französische Heer gestärkt, drängte es seine Gegner unter Wurmser wieder über den Rhein zurück. Ich erschien im Elternhause Angé&#x2019;s in Zweibrücken, welche Stadt französische Besatzung behielt; meine Erscheinung war im Anfang augenscheinlich keine willkommene, denn man sah in mir den Mann, der Angé&#x2019;s Unglück verschuldet; endlich gelang es mir jedoch, mit ihrer Mutter ein verständigendes Gespräch zu beginnen. Wenn Sie mir zürnen, verehrte Frau Daniels, sprach ich zu ihr, so thun Sie mir großes Unrecht. Ich hielt ja Ihrer Tochter die gelobte Treue, strebte rastlos danach, durch meinen eigenen Fleiß so viel zu erwerben, um eine schöne sorgenlose Zukunft, so weit solche voraus zu bestimmen in menschlicher Macht liegt, Angés zu bereiten. Dem Kaufmann aber, dem bedeutenden, fällt selten das Glück daheim und hinter dem Ofen in den Schoos; er muß hinaus, handelnd und strebend, in ferne Weiten, in entlegene Länder. Mir, dem Treuen, brach Angés die Treue, und wurde dazu hier überredet. Ich hing immer noch voll Zärtlichkeit an ihr, und eine Fügung war&#x2019;s, gewiß eine wunderbare, daß ich ausersehen ward, ihr Retter und Befreier aus einer unwürdigen Lage zu werden.</p>
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[284/0288] mit Angés das süßeste, lauterste Glück meines Jugendlebens genossen hatte, war im Spätherbst des vergangenen Jahres nach den Schlachten, welche die Rheinarmee unter Pichegru und Hoche den Preußen und Sachsen bei Kaiserslautern und bei Moorlautern geliefert, zum Sammelplatz des geschlagenen Franzosenheeres geworden, das siebentausend Mann verloren hatte; nachdem sich dieses französische Heer gestärkt, drängte es seine Gegner unter Wurmser wieder über den Rhein zurück. Ich erschien im Elternhause Angé’s in Zweibrücken, welche Stadt französische Besatzung behielt; meine Erscheinung war im Anfang augenscheinlich keine willkommene, denn man sah in mir den Mann, der Angé’s Unglück verschuldet; endlich gelang es mir jedoch, mit ihrer Mutter ein verständigendes Gespräch zu beginnen. Wenn Sie mir zürnen, verehrte Frau Daniels, sprach ich zu ihr, so thun Sie mir großes Unrecht. Ich hielt ja Ihrer Tochter die gelobte Treue, strebte rastlos danach, durch meinen eigenen Fleiß so viel zu erwerben, um eine schöne sorgenlose Zukunft, so weit solche voraus zu bestimmen in menschlicher Macht liegt, Angés zu bereiten. Dem Kaufmann aber, dem bedeutenden, fällt selten das Glück daheim und hinter dem Ofen in den Schoos; er muß hinaus, handelnd und strebend, in ferne Weiten, in entlegene Länder. Mir, dem Treuen, brach Angés die Treue, und wurde dazu hier überredet. Ich hing immer noch voll Zärtlichkeit an ihr, und eine Fügung war’s, gewiß eine wunderbare, daß ich ausersehen ward, ihr Retter und Befreier aus einer unwürdigen Lage zu werden. Ganz gewiß, erwiederte Frau Daniels, und Angés ist Ihnen mit uns dafür zu stetem Danke verpflichtet; freilich hätten wir gewünscht, sie wäre gleich in ihr elterliches Haus zurückgekehrt und hätte nicht erst eine so weite Irrfahrt gemacht. Daran trug der Krieg die Schuld; auf gradem Wege hätte uns entweder Berthelmy’s Verfolgung ereilt, oder wir wären dem Verderben geradezu entgegen gefahren. Ich will es glauben, versetzte Angé’s Mutter, und ich fragte sie nun: Wo lebt jetzt Angés? Ich weiß es nicht! Sie wissen es nicht? O, wohl wissen Sie es, aber Eins wissen Sie nicht, verehrte Frau! rief ich empfindlich aus. Sie wissen nicht,

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/288>, abgerufen am 23.11.2024.