Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.meine Schwester schreiben, und kapitelt mich häufig sehr ungnädig ab, während ich Kopf und Kragen daran setze, um ihre Güter in gutem Stande zu erhalten. Was wird es mit Doorwerth? Deßhalb bin ich hier bei Ihnen, Herr Graf. Die Sache muß so oder so ein Ende nehmen; längeres Hinziehen stellt Alles auf das Spiel. Für Doorwerth muß Geld geschafft und zum endlichen Vergleich, den jene unglückliche Geschichte in Varel abbrach, geschritten werden. Sie sehen, liebster Windt, sprach der Erbherr, indem er in aller Gemüthlichkeit die Gläser wieder füllte: daß ich ein gefangener Mann bin, daß ich gar nichts zu sagen habe, gar kein Versprechen geben kann. Richten Sie das, was in Ihren Händen liegt, nach Ihrer besten Einsicht ein. Ich habe außer Rhoon und Pendrecht in Holland keine Güter, fügte er betonend und mit einem Wink auf den Aufseher hinzu. Meine Lage, die jetzt leidlich scheint, kann noch schlimm werden, es ist gar nicht unmöglich, daß ich dieses Zimmer nur verlasse, um unten auf dem Platz erschossen zu werden. Meine Schriften liegen sämmtlich unter Siegel; aus ihnen würde man vielleicht mildere Urtheile über mich gewinnen, allein man untersucht sie zur Zeit noch nicht. Man verschiebt es, bis der National-Convent organisirt ist, und dann -- nun, wie Gott will! Man wird mich als einen Mann finden! Als einen Ehrenmann, ganz gewiß, Herr Graf, bestätigte tiefbewegt der Haushofmeister. Ich muß endlich bitten, Bürger, nahm der Aufseher das Wort: man spricht hier nicht von Grafen, Herren und Excellenzen! O zum Donner! rief Windt, sich mit komischer Geberde auf den Mund schlagend: Verzeiht, Bürger, ich bitte tausendmal! Ich bin ein dummer deutscher Teufel, bin noch nicht eingebürgert in der heillosen, wollte sagen, theillosen Republik. Müsset meiner Sprechart was zu Gute halten. Ich schwör es Euch zu, ich habe vor eurer Republik den heiligsten Respect! So laß' ich's gelten, brummte der Aufseher, ohne die Ironie zu verstehen, die in diesen Worten lag. meine Schwester schreiben, und kapitelt mich häufig sehr ungnädig ab, während ich Kopf und Kragen daran setze, um ihre Güter in gutem Stande zu erhalten. Was wird es mit Doorwerth? Deßhalb bin ich hier bei Ihnen, Herr Graf. Die Sache muß so oder so ein Ende nehmen; längeres Hinziehen stellt Alles auf das Spiel. Für Doorwerth muß Geld geschafft und zum endlichen Vergleich, den jene unglückliche Geschichte in Varel abbrach, geschritten werden. Sie sehen, liebster Windt, sprach der Erbherr, indem er in aller Gemüthlichkeit die Gläser wieder füllte: daß ich ein gefangener Mann bin, daß ich gar nichts zu sagen habe, gar kein Versprechen geben kann. Richten Sie das, was in Ihren Händen liegt, nach Ihrer besten Einsicht ein. Ich habe außer Rhoon und Pendrecht in Holland keine Güter, fügte er betonend und mit einem Wink auf den Aufseher hinzu. Meine Lage, die jetzt leidlich scheint, kann noch schlimm werden, es ist gar nicht unmöglich, daß ich dieses Zimmer nur verlasse, um unten auf dem Platz erschossen zu werden. Meine Schriften liegen sämmtlich unter Siegel; aus ihnen würde man vielleicht mildere Urtheile über mich gewinnen, allein man untersucht sie zur Zeit noch nicht. Man verschiebt es, bis der National-Convent organisirt ist, und dann — nun, wie Gott will! Man wird mich als einen Mann finden! Als einen Ehrenmann, ganz gewiß, Herr Graf, bestätigte tiefbewegt der Haushofmeister. Ich muß endlich bitten, Bürger, nahm der Aufseher das Wort: man spricht hier nicht von Grafen, Herren und Excellenzen! O zum Donner! rief Windt, sich mit komischer Geberde auf den Mund schlagend: Verzeiht, Bürger, ich bitte tausendmal! Ich bin ein dummer deutscher Teufel, bin noch nicht eingebürgert in der heillosen, wollte sagen, theillosen Republik. Müsset meiner Sprechart was zu Gute halten. Ich schwör es Euch zu, ich habe vor eurer Republik den heiligsten Respect! So laß’ ich’s gelten, brummte der Aufseher, ohne die Ironie zu verstehen, die in diesen Worten lag. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0285" n="281"/> meine Schwester schreiben, und kapitelt mich häufig sehr ungnädig ab, während ich Kopf und Kragen daran setze, um ihre Güter in gutem Stande zu erhalten.</p> <p>Was wird es mit Doorwerth?</p> <p>Deßhalb bin ich hier bei Ihnen, Herr Graf. Die Sache muß so oder so ein Ende nehmen; längeres Hinziehen stellt Alles auf das Spiel. Für Doorwerth muß Geld geschafft und zum endlichen Vergleich, den jene unglückliche Geschichte in Varel abbrach, geschritten werden.</p> <p>Sie sehen, liebster Windt, sprach der Erbherr, indem er in aller Gemüthlichkeit die Gläser wieder füllte: daß ich ein gefangener Mann bin, daß ich gar nichts zu sagen habe, gar kein Versprechen geben kann. Richten Sie das, was in Ihren Händen liegt, nach Ihrer besten Einsicht ein. Ich habe außer Rhoon und Pendrecht in Holland keine Güter, fügte er betonend und mit einem Wink auf den Aufseher hinzu. Meine Lage, die jetzt leidlich scheint, kann noch schlimm werden, es ist gar nicht unmöglich, daß ich dieses Zimmer nur verlasse, um unten auf dem Platz erschossen zu werden. Meine Schriften liegen sämmtlich unter Siegel; aus ihnen würde man vielleicht mildere Urtheile über mich gewinnen, allein man untersucht sie zur Zeit noch nicht. Man verschiebt es, bis der National-Convent organisirt ist, und dann — nun, wie Gott will! Man wird mich als einen Mann finden!</p> <p>Als einen Ehrenmann, ganz gewiß, Herr Graf, bestätigte tiefbewegt der Haushofmeister.</p> <p>Ich muß endlich bitten, Bürger, nahm der Aufseher das Wort: man spricht hier nicht von Grafen, Herren und Excellenzen!</p> <p>O zum Donner! rief Windt, sich mit komischer Geberde auf den Mund schlagend: Verzeiht, Bürger, ich bitte tausendmal! Ich bin ein dummer deutscher Teufel, bin noch nicht eingebürgert in der heillosen, wollte sagen, theillosen Republik. Müsset meiner Sprechart was zu Gute halten. Ich schwör es Euch zu, ich habe vor eurer Republik den heiligsten Respect!</p> <p>So laß’ ich’s gelten, brummte der Aufseher, ohne die Ironie zu verstehen, die in diesen Worten lag.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [281/0285]
meine Schwester schreiben, und kapitelt mich häufig sehr ungnädig ab, während ich Kopf und Kragen daran setze, um ihre Güter in gutem Stande zu erhalten.
Was wird es mit Doorwerth?
Deßhalb bin ich hier bei Ihnen, Herr Graf. Die Sache muß so oder so ein Ende nehmen; längeres Hinziehen stellt Alles auf das Spiel. Für Doorwerth muß Geld geschafft und zum endlichen Vergleich, den jene unglückliche Geschichte in Varel abbrach, geschritten werden.
Sie sehen, liebster Windt, sprach der Erbherr, indem er in aller Gemüthlichkeit die Gläser wieder füllte: daß ich ein gefangener Mann bin, daß ich gar nichts zu sagen habe, gar kein Versprechen geben kann. Richten Sie das, was in Ihren Händen liegt, nach Ihrer besten Einsicht ein. Ich habe außer Rhoon und Pendrecht in Holland keine Güter, fügte er betonend und mit einem Wink auf den Aufseher hinzu. Meine Lage, die jetzt leidlich scheint, kann noch schlimm werden, es ist gar nicht unmöglich, daß ich dieses Zimmer nur verlasse, um unten auf dem Platz erschossen zu werden. Meine Schriften liegen sämmtlich unter Siegel; aus ihnen würde man vielleicht mildere Urtheile über mich gewinnen, allein man untersucht sie zur Zeit noch nicht. Man verschiebt es, bis der National-Convent organisirt ist, und dann — nun, wie Gott will! Man wird mich als einen Mann finden!
Als einen Ehrenmann, ganz gewiß, Herr Graf, bestätigte tiefbewegt der Haushofmeister.
Ich muß endlich bitten, Bürger, nahm der Aufseher das Wort: man spricht hier nicht von Grafen, Herren und Excellenzen!
O zum Donner! rief Windt, sich mit komischer Geberde auf den Mund schlagend: Verzeiht, Bürger, ich bitte tausendmal! Ich bin ein dummer deutscher Teufel, bin noch nicht eingebürgert in der heillosen, wollte sagen, theillosen Republik. Müsset meiner Sprechart was zu Gute halten. Ich schwör es Euch zu, ich habe vor eurer Republik den heiligsten Respect!
So laß’ ich’s gelten, brummte der Aufseher, ohne die Ironie zu verstehen, die in diesen Worten lag.
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