Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.wenn sie nicht fort und fort den Ueberfluß ihrer Gemeinheit in den Zeitungen absetzen könnten? Da hätten Sie, lieber Herr Windt, einmal in Paris und ganz Frankreich die Pamphlets lesen sollen, Sie haben aber auch in Paris lieber geschrieben als gelesen. Hu! das fliegt wie Schneeflockengewirbel und Hagelschlag, daß es rasselt und prasselt, und hinterdrein wird doch wieder gutes Wetter und klarer Himmel. Wie würde nun dieses Kerlchen von einem Zeitungsscribler erst schimpfen, wenn die Gefangenen wirklich entkommen wären, da es jetzt schon bei der bloßen falschen Nachricht solch ein Geschrei erhebt? Das ist's nicht, was mich ärgert und kümmert, entgegnete Windt verstimmt; sondern daß ich vielleicht den Erbherrn nun gar nicht spreche, weil man ihn fester verwahren und die Wachsamkeit verdoppeln wird. In dieser Voraussetzung irrte der treue Windt sich nicht; er erfuhr noch an demselben Tage als gewiß, daß die Gefangenen von Muiden aus nach dem Haag abgeführt worden seien, und schon der folgende Morgen fand beide Freunde auf dem gleichen Wege dort hin, da ja diese schöne und reiche Stadt ohnehin ihr Reiseziel war. Zu ihrer unaussprechlichen Freude fanden sie Ludwig bereits angekommen und ihrer harrend, und es erfolgte zwischen ihm und Leonardus ein Austausch der innigsten und zärtlichsten Gefühle, während Windt darauf gar wenig achtete, vielmehr stets beweglich, wie er war, sogleich Bekannte aufsuchte, neue Verbindungen anknüpfte und auf sein Ziel schnurgerade lossteuerte. Den ersten Besuch machte er bei der Schwiegermutter des Erbherrn, welche im Haag wohnte. Jene Nachricht, welche Windt früher einmal erhalten hatte, der Erbherr wolle diese Dame nach Hamburg bringen, war eine falsche gewesen. Er erhielt Einladung, bei der Frau Gräfin von Lynden-Reede zu speisen, traf dort den Besitzer des Gutes: die Park, nahe bei Arnhem, dessen Windt einige Male in Briefen an die Reichsgräfin erwähnt hatte, welcher Herr dem Erbherrn eine ziemliche Summe schuldig war, und benutzte die Gelegenheit, diesen Schuldner so sanft als es ihm möglich war, beim Ehrgefühl zu fassen und ihm das Versprechen abzunöthigen, baldigst zu zahlen. Auch Gräfin Lynden erhob große Klage darüber, daß Doorwerth so entsetzlich verwüstet sei; Windt wenn sie nicht fort und fort den Ueberfluß ihrer Gemeinheit in den Zeitungen absetzen könnten? Da hätten Sie, lieber Herr Windt, einmal in Paris und ganz Frankreich die Pamphlets lesen sollen, Sie haben aber auch in Paris lieber geschrieben als gelesen. Hu! das fliegt wie Schneeflockengewirbel und Hagelschlag, daß es rasselt und prasselt, und hinterdrein wird doch wieder gutes Wetter und klarer Himmel. Wie würde nun dieses Kerlchen von einem Zeitungsscribler erst schimpfen, wenn die Gefangenen wirklich entkommen wären, da es jetzt schon bei der bloßen falschen Nachricht solch ein Geschrei erhebt? Das ist’s nicht, was mich ärgert und kümmert, entgegnete Windt verstimmt; sondern daß ich vielleicht den Erbherrn nun gar nicht spreche, weil man ihn fester verwahren und die Wachsamkeit verdoppeln wird. In dieser Voraussetzung irrte der treue Windt sich nicht; er erfuhr noch an demselben Tage als gewiß, daß die Gefangenen von Muiden aus nach dem Haag abgeführt worden seien, und schon der folgende Morgen fand beide Freunde auf dem gleichen Wege dort hin, da ja diese schöne und reiche Stadt ohnehin ihr Reiseziel war. Zu ihrer unaussprechlichen Freude fanden sie Ludwig bereits angekommen und ihrer harrend, und es erfolgte zwischen ihm und Leonardus ein Austausch der innigsten und zärtlichsten Gefühle, während Windt darauf gar wenig achtete, vielmehr stets beweglich, wie er war, sogleich Bekannte aufsuchte, neue Verbindungen anknüpfte und auf sein Ziel schnurgerade lossteuerte. Den ersten Besuch machte er bei der Schwiegermutter des Erbherrn, welche im Haag wohnte. Jene Nachricht, welche Windt früher einmal erhalten hatte, der Erbherr wolle diese Dame nach Hamburg bringen, war eine falsche gewesen. Er erhielt Einladung, bei der Frau Gräfin von Lynden-Reede zu speisen, traf dort den Besitzer des Gutes: die Park, nahe bei Arnhem, dessen Windt einige Male in Briefen an die Reichsgräfin erwähnt hatte, welcher Herr dem Erbherrn eine ziemliche Summe schuldig war, und benutzte die Gelegenheit, diesen Schuldner so sanft als es ihm möglich war, beim Ehrgefühl zu fassen und ihm das Versprechen abzunöthigen, baldigst zu zahlen. Auch Gräfin Lynden erhob große Klage darüber, daß Doorwerth so entsetzlich verwüstet sei; Windt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0282" n="278"/> wenn sie nicht fort und fort den Ueberfluß ihrer Gemeinheit in den Zeitungen absetzen könnten? Da hätten Sie, lieber Herr Windt, einmal in Paris und ganz Frankreich die Pamphlets lesen sollen, Sie haben aber auch in Paris lieber geschrieben als gelesen. Hu! das fliegt wie Schneeflockengewirbel und Hagelschlag, daß es rasselt und prasselt, und hinterdrein wird doch wieder gutes Wetter und klarer Himmel. Wie würde nun dieses Kerlchen von einem Zeitungsscribler erst schimpfen, wenn die Gefangenen wirklich entkommen wären, da es jetzt schon bei der bloßen falschen Nachricht solch ein Geschrei erhebt?</p> <p>Das ist’s nicht, was mich ärgert und kümmert, entgegnete Windt verstimmt; sondern daß ich vielleicht den Erbherrn nun gar nicht spreche, weil man ihn fester verwahren und die Wachsamkeit verdoppeln wird.</p> <p>In dieser Voraussetzung irrte der treue Windt sich nicht; er erfuhr noch an demselben Tage als gewiß, daß die Gefangenen von Muiden aus nach dem Haag abgeführt worden seien, und schon der folgende Morgen fand beide Freunde auf dem gleichen Wege dort hin, da ja diese schöne und reiche Stadt ohnehin ihr Reiseziel war.</p> <p>Zu ihrer unaussprechlichen Freude fanden sie Ludwig bereits angekommen und ihrer harrend, und es erfolgte zwischen ihm und Leonardus ein Austausch der innigsten und zärtlichsten Gefühle, während Windt darauf gar wenig achtete, vielmehr stets beweglich, wie er war, sogleich Bekannte aufsuchte, neue Verbindungen anknüpfte und auf sein Ziel schnurgerade lossteuerte. Den ersten Besuch machte er bei der Schwiegermutter des Erbherrn, welche im Haag wohnte. Jene Nachricht, welche Windt früher einmal erhalten hatte, der Erbherr wolle diese Dame nach Hamburg bringen, war eine falsche gewesen. Er erhielt Einladung, bei der Frau Gräfin von Lynden-Reede zu speisen, traf dort den Besitzer des Gutes: die Park, nahe bei Arnhem, dessen Windt einige Male in Briefen an die Reichsgräfin erwähnt hatte, welcher Herr dem Erbherrn eine ziemliche Summe schuldig war, und benutzte die Gelegenheit, diesen Schuldner so sanft als es ihm möglich war, beim Ehrgefühl zu fassen und ihm das Versprechen abzunöthigen, baldigst zu zahlen. Auch Gräfin Lynden erhob große Klage darüber, daß Doorwerth so entsetzlich verwüstet sei; Windt </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [278/0282]
wenn sie nicht fort und fort den Ueberfluß ihrer Gemeinheit in den Zeitungen absetzen könnten? Da hätten Sie, lieber Herr Windt, einmal in Paris und ganz Frankreich die Pamphlets lesen sollen, Sie haben aber auch in Paris lieber geschrieben als gelesen. Hu! das fliegt wie Schneeflockengewirbel und Hagelschlag, daß es rasselt und prasselt, und hinterdrein wird doch wieder gutes Wetter und klarer Himmel. Wie würde nun dieses Kerlchen von einem Zeitungsscribler erst schimpfen, wenn die Gefangenen wirklich entkommen wären, da es jetzt schon bei der bloßen falschen Nachricht solch ein Geschrei erhebt?
Das ist’s nicht, was mich ärgert und kümmert, entgegnete Windt verstimmt; sondern daß ich vielleicht den Erbherrn nun gar nicht spreche, weil man ihn fester verwahren und die Wachsamkeit verdoppeln wird.
In dieser Voraussetzung irrte der treue Windt sich nicht; er erfuhr noch an demselben Tage als gewiß, daß die Gefangenen von Muiden aus nach dem Haag abgeführt worden seien, und schon der folgende Morgen fand beide Freunde auf dem gleichen Wege dort hin, da ja diese schöne und reiche Stadt ohnehin ihr Reiseziel war.
Zu ihrer unaussprechlichen Freude fanden sie Ludwig bereits angekommen und ihrer harrend, und es erfolgte zwischen ihm und Leonardus ein Austausch der innigsten und zärtlichsten Gefühle, während Windt darauf gar wenig achtete, vielmehr stets beweglich, wie er war, sogleich Bekannte aufsuchte, neue Verbindungen anknüpfte und auf sein Ziel schnurgerade lossteuerte. Den ersten Besuch machte er bei der Schwiegermutter des Erbherrn, welche im Haag wohnte. Jene Nachricht, welche Windt früher einmal erhalten hatte, der Erbherr wolle diese Dame nach Hamburg bringen, war eine falsche gewesen. Er erhielt Einladung, bei der Frau Gräfin von Lynden-Reede zu speisen, traf dort den Besitzer des Gutes: die Park, nahe bei Arnhem, dessen Windt einige Male in Briefen an die Reichsgräfin erwähnt hatte, welcher Herr dem Erbherrn eine ziemliche Summe schuldig war, und benutzte die Gelegenheit, diesen Schuldner so sanft als es ihm möglich war, beim Ehrgefühl zu fassen und ihm das Versprechen abzunöthigen, baldigst zu zahlen. Auch Gräfin Lynden erhob große Klage darüber, daß Doorwerth so entsetzlich verwüstet sei; Windt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML.
(2013-01-22T14:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-22T14:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |