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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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welche Ihnen der Herr Abbe Eckhel in Wien so vieles Aufklärende geschrieben hat."

Windt! Windt! Um Gottes Willen! rief die besorgliche Frau. Du machst es zu arg, du beleidigst!

Sorge nicht, es ist die Wahrheit! beruhigte Windt und las weiter: "Es war Ihnen so wenig eine Quittung abgefordert, als mir; Alles, was wir schriftlich machten, war die Obligation des Erbherrn für die empfangenen fünfzigtausend Gulden auf Varel. Ihre Rathgeber, Excellenz, scheinen diese Sache nicht von dem richtigen Gesichtspunkt aus anzusehen, das liegt im Unverstand Ihrer Rechnungskammer. Diese Herren rechnen und rechnen und danken Gott, wenn ihre Papiere von oben bis unten voll Zahlen stehen, sie merken aber nicht, daß ihnen häufig darüber das Licht des gesunden Menschenverstandes ausgeht. Doch was hilft's -- die Zeit ist einmal aus den Fugen, wie Hamlet sagt; wenn Undank und Mißkennung mich bewegen könnten, anders zu handeln als ich handle, dann wäre durch Ihrer Excellenz hochweise Räthe meinem Diensteifer längst eine Schranke gesetzt, dann wäre ich nicht hier geblieben, und hätte Hals und Kragen, Blut und Leben, Gut und Habe nicht daran gesetzt, Ihrer Excellenz Herrlichkeit, so weit nur in eines Menschen Kräften steht, zu schützen und zu schirmen. Wer auch hier war von fremden Offizieren, Engländer, Holländer, Kaiserliche und jetzt die Republikaner, keiner hat glauben wollen, daß ich nur ein Bedienter sei, sondern Jeder meinte, daß ich ganz bestimmt der Herr oder Erbe von Doorwerth selbst sein müsse. Alle Güter rings um die Herrlichkeit sind totaliter devastirt, Doorwerth allein ist noch im leidlichen Zustand. Der Strich von der hiesigen Grenze bis Arnhem sieht sich nicht mehr gleich; von Arnhem bis Zuitphen kann keine Maus mehr leben; alle die herrlichen Alleen sind über Bord, keiner der prächtigen Lindenbäume um die Stadt steht mehr, die größten und schönsten Häuser sind Pferdeställe oder Lazarethe, das Holz der Thüren und Mobilien ist verbrannt. Ich habe wieder seit Kurzem fünfzehnhundert Rationen Heu liefern müssen, habe augenblicklich sechs Offiziere im Kastell, zwei Ordonnanzen, einen Husaren. Im Dorfe liegt eine Compagnie Volontärs, in Helsum liegen zwei, und noch dreizehn Husaren für die Correspondenz, in allen andern Orten der Herrschaft liegen dreißig bis einhundertundfünfzig Mann in jedem

welche Ihnen der Herr Abbé Eckhel in Wien so vieles Aufklärende geschrieben hat.“

Windt! Windt! Um Gottes Willen! rief die besorgliche Frau. Du machst es zu arg, du beleidigst!

Sorge nicht, es ist die Wahrheit! beruhigte Windt und las weiter: „Es war Ihnen so wenig eine Quittung abgefordert, als mir; Alles, was wir schriftlich machten, war die Obligation des Erbherrn für die empfangenen fünfzigtausend Gulden auf Varel. Ihre Rathgeber, Excellenz, scheinen diese Sache nicht von dem richtigen Gesichtspunkt aus anzusehen, das liegt im Unverstand Ihrer Rechnungskammer. Diese Herren rechnen und rechnen und danken Gott, wenn ihre Papiere von oben bis unten voll Zahlen stehen, sie merken aber nicht, daß ihnen häufig darüber das Licht des gesunden Menschenverstandes ausgeht. Doch was hilft’s — die Zeit ist einmal aus den Fugen, wie Hamlet sagt; wenn Undank und Mißkennung mich bewegen könnten, anders zu handeln als ich handle, dann wäre durch Ihrer Excellenz hochweise Räthe meinem Diensteifer längst eine Schranke gesetzt, dann wäre ich nicht hier geblieben, und hätte Hals und Kragen, Blut und Leben, Gut und Habe nicht daran gesetzt, Ihrer Excellenz Herrlichkeit, so weit nur in eines Menschen Kräften steht, zu schützen und zu schirmen. Wer auch hier war von fremden Offizieren, Engländer, Holländer, Kaiserliche und jetzt die Republikaner, keiner hat glauben wollen, daß ich nur ein Bedienter sei, sondern Jeder meinte, daß ich ganz bestimmt der Herr oder Erbe von Doorwerth selbst sein müsse. Alle Güter rings um die Herrlichkeit sind totaliter devastirt, Doorwerth allein ist noch im leidlichen Zustand. Der Strich von der hiesigen Grenze bis Arnhem sieht sich nicht mehr gleich; von Arnhem bis Zuitphen kann keine Maus mehr leben; alle die herrlichen Alleen sind über Bord, keiner der prächtigen Lindenbäume um die Stadt steht mehr, die größten und schönsten Häuser sind Pferdeställe oder Lazarethe, das Holz der Thüren und Mobilien ist verbrannt. Ich habe wieder seit Kurzem fünfzehnhundert Rationen Heu liefern müssen, habe augenblicklich sechs Offiziere im Kastell, zwei Ordonnanzen, einen Husaren. Im Dorfe liegt eine Compagnie Volontärs, in Helsum liegen zwei, und noch dreizehn Husaren für die Correspondenz, in allen andern Orten der Herrschaft liegen dreißig bis einhundertundfünfzig Mann in jedem

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[260/0264] welche Ihnen der Herr Abbé Eckhel in Wien so vieles Aufklärende geschrieben hat.“ Windt! Windt! Um Gottes Willen! rief die besorgliche Frau. Du machst es zu arg, du beleidigst! Sorge nicht, es ist die Wahrheit! beruhigte Windt und las weiter: „Es war Ihnen so wenig eine Quittung abgefordert, als mir; Alles, was wir schriftlich machten, war die Obligation des Erbherrn für die empfangenen fünfzigtausend Gulden auf Varel. Ihre Rathgeber, Excellenz, scheinen diese Sache nicht von dem richtigen Gesichtspunkt aus anzusehen, das liegt im Unverstand Ihrer Rechnungskammer. Diese Herren rechnen und rechnen und danken Gott, wenn ihre Papiere von oben bis unten voll Zahlen stehen, sie merken aber nicht, daß ihnen häufig darüber das Licht des gesunden Menschenverstandes ausgeht. Doch was hilft’s — die Zeit ist einmal aus den Fugen, wie Hamlet sagt; wenn Undank und Mißkennung mich bewegen könnten, anders zu handeln als ich handle, dann wäre durch Ihrer Excellenz hochweise Räthe meinem Diensteifer längst eine Schranke gesetzt, dann wäre ich nicht hier geblieben, und hätte Hals und Kragen, Blut und Leben, Gut und Habe nicht daran gesetzt, Ihrer Excellenz Herrlichkeit, so weit nur in eines Menschen Kräften steht, zu schützen und zu schirmen. Wer auch hier war von fremden Offizieren, Engländer, Holländer, Kaiserliche und jetzt die Republikaner, keiner hat glauben wollen, daß ich nur ein Bedienter sei, sondern Jeder meinte, daß ich ganz bestimmt der Herr oder Erbe von Doorwerth selbst sein müsse. Alle Güter rings um die Herrlichkeit sind totaliter devastirt, Doorwerth allein ist noch im leidlichen Zustand. Der Strich von der hiesigen Grenze bis Arnhem sieht sich nicht mehr gleich; von Arnhem bis Zuitphen kann keine Maus mehr leben; alle die herrlichen Alleen sind über Bord, keiner der prächtigen Lindenbäume um die Stadt steht mehr, die größten und schönsten Häuser sind Pferdeställe oder Lazarethe, das Holz der Thüren und Mobilien ist verbrannt. Ich habe wieder seit Kurzem fünfzehnhundert Rationen Heu liefern müssen, habe augenblicklich sechs Offiziere im Kastell, zwei Ordonnanzen, einen Husaren. Im Dorfe liegt eine Compagnie Volontärs, in Helsum liegen zwei, und noch dreizehn Husaren für die Correspondenz, in allen andern Orten der Herrschaft liegen dreißig bis einhundertundfünfzig Mann in jedem

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/264>, abgerufen am 24.11.2024.