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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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ausstellen konnte. Was ich aber vorher gelitten, stets im Mittelpunkt der gegenseitigen feindlichen Vorposten, während der Gefechte, in die ich zweimal persönlich hinein gerieth, als ich Hülfe suchend ausgeritten war, ist unbeschreiblich und unglaublich. Doch es gereut mich nicht, hier ausgehalten zu haben, es würde auch sonst um Doorwerth elend genug aussehen. Alle die, welche feig aus der hiesigen Gegend gewichen sind und ihre Wohnungen verlassen haben, brauchen nicht zurückzukehren, um dieselben zu suchen, denn sie finden sie nicht mehr. Gleichwohl bleibt meine Lage immer noch gefährlich und bedenklich. In den Städten geht Alles gut, aber auf dem platten Lande, in meinem unbändig großen Kastell so fast ganz allein zu sein, ist eine Lage, die nicht Jeder durchführt. Die Avantgarde der Republikaner rückte hier am siebenzehnten Januar ein. Das Schicksal des Erbherrn werden Excellenz aus den öffentlichen Blättern nun ganz kennen, doch kann ich mit Bestimmtheit mittheilen, daß er in seinem Unglück frisch, munter, fröhlich und guten Muthes ist -- sehr gut für ihn. Sobald als möglich denke ich selbst ihn aufzusuchen, hoffe ihn sprechen zu dürfen und zu erfahren, wie es um ihn steht. Wenn Excellenz wüßten, wie schlecht die Emigranten es hier getrieben haben, sie schlössen Ihre Thüre vor Jedem derselben zu. Hätten diese Menschen so viel Herz gehabt, in ihrem Vaterlande zu bleiben und auf ihrem Posten, wie ich es gemacht, ich wäre nicht so unglücklich, wie ich jetzt bin, ganz Frankreich und Alle, die unter dem Druck der jetzigen Zeiten leiden, wären es nicht."

Windt! Windt! unterbrach Frau Juliane. Das hättest du nicht schreiben sollen, das beleidigt ja die Excellenz. Bedenkst du denn gar nicht, daß der Herzog von la Tremouille, Prinz Talmont, ihr Vetter ist?

Wenn die Herzöge und Prinzen von la Tremouille, Talmont und was sie sonst für Namen haben mögen, entgegnete Windt: nicht furchtsam und voreilig ausgewichen wären, sondern anders gehandelt hätten, so wäre der sonst wackere August Philipp, Prinz von Talmont, der wirklich tapfer war, nicht im December des vorigen Jahres gefangen und im Hofe seines eigenen Schlosses erschossen worden. Was ich der alten Excellenz schrieb, ist stets meine aufrichtige Meinung, ist die Wahrheit, die sie liebt und die sie mir nicht übel nimmt. Sie nannte mich einmal scherzend ihren "alten Wahrsager," und ich

ausstellen konnte. Was ich aber vorher gelitten, stets im Mittelpunkt der gegenseitigen feindlichen Vorposten, während der Gefechte, in die ich zweimal persönlich hinein gerieth, als ich Hülfe suchend ausgeritten war, ist unbeschreiblich und unglaublich. Doch es gereut mich nicht, hier ausgehalten zu haben, es würde auch sonst um Doorwerth elend genug aussehen. Alle die, welche feig aus der hiesigen Gegend gewichen sind und ihre Wohnungen verlassen haben, brauchen nicht zurückzukehren, um dieselben zu suchen, denn sie finden sie nicht mehr. Gleichwohl bleibt meine Lage immer noch gefährlich und bedenklich. In den Städten geht Alles gut, aber auf dem platten Lande, in meinem unbändig großen Kastell so fast ganz allein zu sein, ist eine Lage, die nicht Jeder durchführt. Die Avantgarde der Republikaner rückte hier am siebenzehnten Januar ein. Das Schicksal des Erbherrn werden Excellenz aus den öffentlichen Blättern nun ganz kennen, doch kann ich mit Bestimmtheit mittheilen, daß er in seinem Unglück frisch, munter, fröhlich und guten Muthes ist — sehr gut für ihn. Sobald als möglich denke ich selbst ihn aufzusuchen, hoffe ihn sprechen zu dürfen und zu erfahren, wie es um ihn steht. Wenn Excellenz wüßten, wie schlecht die Emigranten es hier getrieben haben, sie schlössen Ihre Thüre vor Jedem derselben zu. Hätten diese Menschen so viel Herz gehabt, in ihrem Vaterlande zu bleiben und auf ihrem Posten, wie ich es gemacht, ich wäre nicht so unglücklich, wie ich jetzt bin, ganz Frankreich und Alle, die unter dem Druck der jetzigen Zeiten leiden, wären es nicht.“

Windt! Windt! unterbrach Frau Juliane. Das hättest du nicht schreiben sollen, das beleidigt ja die Excellenz. Bedenkst du denn gar nicht, daß der Herzog von la Tremouille, Prinz Talmont, ihr Vetter ist?

Wenn die Herzöge und Prinzen von la Tremouille, Talmont und was sie sonst für Namen haben mögen, entgegnete Windt: nicht furchtsam und voreilig ausgewichen wären, sondern anders gehandelt hätten, so wäre der sonst wackere August Philipp, Prinz von Talmont, der wirklich tapfer war, nicht im December des vorigen Jahres gefangen und im Hofe seines eigenen Schlosses erschossen worden. Was ich der alten Excellenz schrieb, ist stets meine aufrichtige Meinung, ist die Wahrheit, die sie liebt und die sie mir nicht übel nimmt. Sie nannte mich einmal scherzend ihren „alten Wahrsager,“ und ich

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ausstellen konnte. Was ich aber vorher gelitten, stets im Mittelpunkt der gegenseitigen feindlichen Vorposten, während der Gefechte, in die ich zweimal persönlich hinein gerieth, als ich Hülfe suchend ausgeritten war, ist unbeschreiblich und unglaublich. Doch es gereut mich nicht, hier ausgehalten zu haben, es würde auch sonst um Doorwerth elend genug aussehen. Alle die, welche feig aus der hiesigen Gegend gewichen sind und ihre Wohnungen verlassen haben, brauchen nicht zurückzukehren, um dieselben zu suchen, denn sie finden sie nicht mehr. Gleichwohl bleibt meine Lage immer noch gefährlich und bedenklich. In den Städten geht Alles gut, aber auf dem platten Lande, in meinem unbändig großen Kastell so fast ganz allein zu sein, ist eine Lage, die nicht Jeder durchführt. Die Avantgarde der Republikaner rückte hier am siebenzehnten Januar ein. Das Schicksal des Erbherrn werden Excellenz aus den öffentlichen Blättern nun ganz kennen, doch kann ich mit Bestimmtheit mittheilen, daß er in seinem Unglück frisch, munter, fröhlich und guten Muthes ist &#x2014; sehr gut für ihn. Sobald als möglich denke ich selbst ihn aufzusuchen, hoffe ihn sprechen zu dürfen und zu erfahren, wie es um ihn steht. Wenn Excellenz wüßten, wie schlecht die Emigranten es hier getrieben haben, sie schlössen Ihre Thüre vor Jedem derselben zu. Hätten diese Menschen so viel Herz gehabt, in ihrem Vaterlande zu bleiben und auf ihrem Posten, wie ich es gemacht, ich wäre nicht so unglücklich, wie ich jetzt bin, ganz Frankreich und Alle, die unter dem Druck der jetzigen Zeiten leiden, wären es nicht.&#x201C; </p>
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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/262>, abgerufen am 28.11.2024.