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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Großmuth und Hochherzigkeit der Gesinnung erfüllt war, daß sie an die edelsten Seelen des Menschengeschlechts hinanreichte. --

Weit von einander waren die Freunde, weit von einander alle die Herzen, die des Lebens rollende Wogen und der Geschicke seltsame Fügung erst nahe gebracht und dann wieder von einander gerissen hatte, hierhin und dorthin. Ludwig hatte das glücklichste Loos gezogen; er weilte eine Zeit lang in London als ein lieber Gast im Palast seiner hohen Freundin, er trat in die angesehensten Kreise der stolzen Aristokratie Alt-Englands; er sah sich getragen und gehoben von der Hand edler Frauengunst, daß es ihm fast die Sinne verwirrte. Er durfte jenen berühmten Lord Henry Cavendish als Vetter begrüßen, der später eine Königin von Großbritannien durch die Gewalt sittlicher Obmacht zwang, England zu verlassen und auf lange Reihen von Jahren auf fremder Erde umherzuirren; der zur Herrschaft eines General-Gouverneurs von Indien sich emporschwang und von den Eingeborenen das schwere Zugeständniß erzwang, auf das Verbrennen ihrer Wittwen zu verzichten. Jenem gleichnamigen stolzen Herzog William Cavendish, einem der unbeugsamsten Häupter der Opposition, wurde Ludwig vorgestellt, und lernte aus einigen Unterhaltungen mit diesem geistbegabten Ritter des Hosenbandordens mehr Politik und mehr Einblick in das höhere Staatsleben und die höhere Staatenlenkung, als mancher sehr achtungswerthe Staatsmann durch sein ganzes Leben in seinen Kopf zusammen zu bringen vermag. Entschiedener Gegner Pitts und Freund von dessen geharnischtem Widersacher Fox, hielt der Herzog gegen Niemand mit seiner politischen Ansicht zurück, und seine Gemahlin, die herrliche, reizvolle Prachtgestalt, die Alles um sich fesselte, theilte die Gesinnung ihres Gemahls und gab Proben ihrer eigenen thätig eingreifenden Begeisterung für die Erreichung politischer Zwecke, welche die Welt in Staunen setzten. Sie war es, diese allbewunderte Georgine, die einen Bund gleichgesinnter Freundinnen gründete, der persönlich in die Wahlen sich einmischte, als es galt, Charles James Fox die Stimme des Volkes für die Stelle eines Parlamentsmitgliedes von Westmünster zu gewinnen; sie war es, die auf offener Straße einem Bürger Londons den Lohn für seine Stimme für Fox zuertheilt, um den derselbe, alles Gold verschmähend, gebeten -- ihm einen Kuß ihres wonneschönen Mundes vergönnt hatte.

Großmuth und Hochherzigkeit der Gesinnung erfüllt war, daß sie an die edelsten Seelen des Menschengeschlechts hinanreichte. —

Weit von einander waren die Freunde, weit von einander alle die Herzen, die des Lebens rollende Wogen und der Geschicke seltsame Fügung erst nahe gebracht und dann wieder von einander gerissen hatte, hierhin und dorthin. Ludwig hatte das glücklichste Loos gezogen; er weilte eine Zeit lang in London als ein lieber Gast im Palast seiner hohen Freundin, er trat in die angesehensten Kreise der stolzen Aristokratie Alt-Englands; er sah sich getragen und gehoben von der Hand edler Frauengunst, daß es ihm fast die Sinne verwirrte. Er durfte jenen berühmten Lord Henry Cavendish als Vetter begrüßen, der später eine Königin von Großbritannien durch die Gewalt sittlicher Obmacht zwang, England zu verlassen und auf lange Reihen von Jahren auf fremder Erde umherzuirren; der zur Herrschaft eines General-Gouverneurs von Indien sich emporschwang und von den Eingeborenen das schwere Zugeständniß erzwang, auf das Verbrennen ihrer Wittwen zu verzichten. Jenem gleichnamigen stolzen Herzog William Cavendish, einem der unbeugsamsten Häupter der Opposition, wurde Ludwig vorgestellt, und lernte aus einigen Unterhaltungen mit diesem geistbegabten Ritter des Hosenbandordens mehr Politik und mehr Einblick in das höhere Staatsleben und die höhere Staatenlenkung, als mancher sehr achtungswerthe Staatsmann durch sein ganzes Leben in seinen Kopf zusammen zu bringen vermag. Entschiedener Gegner Pitts und Freund von dessen geharnischtem Widersacher Fox, hielt der Herzog gegen Niemand mit seiner politischen Ansicht zurück, und seine Gemahlin, die herrliche, reizvolle Prachtgestalt, die Alles um sich fesselte, theilte die Gesinnung ihres Gemahls und gab Proben ihrer eigenen thätig eingreifenden Begeisterung für die Erreichung politischer Zwecke, welche die Welt in Staunen setzten. Sie war es, diese allbewunderte Georgine, die einen Bund gleichgesinnter Freundinnen gründete, der persönlich in die Wahlen sich einmischte, als es galt, Charles James Fox die Stimme des Volkes für die Stelle eines Parlamentsmitgliedes von Westmünster zu gewinnen; sie war es, die auf offener Straße einem Bürger Londons den Lohn für seine Stimme für Fox zuertheilt, um den derselbe, alles Gold verschmähend, gebeten — ihm einen Kuß ihres wonneschönen Mundes vergönnt hatte.

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[250/0254] Großmuth und Hochherzigkeit der Gesinnung erfüllt war, daß sie an die edelsten Seelen des Menschengeschlechts hinanreichte. — Weit von einander waren die Freunde, weit von einander alle die Herzen, die des Lebens rollende Wogen und der Geschicke seltsame Fügung erst nahe gebracht und dann wieder von einander gerissen hatte, hierhin und dorthin. Ludwig hatte das glücklichste Loos gezogen; er weilte eine Zeit lang in London als ein lieber Gast im Palast seiner hohen Freundin, er trat in die angesehensten Kreise der stolzen Aristokratie Alt-Englands; er sah sich getragen und gehoben von der Hand edler Frauengunst, daß es ihm fast die Sinne verwirrte. Er durfte jenen berühmten Lord Henry Cavendish als Vetter begrüßen, der später eine Königin von Großbritannien durch die Gewalt sittlicher Obmacht zwang, England zu verlassen und auf lange Reihen von Jahren auf fremder Erde umherzuirren; der zur Herrschaft eines General-Gouverneurs von Indien sich emporschwang und von den Eingeborenen das schwere Zugeständniß erzwang, auf das Verbrennen ihrer Wittwen zu verzichten. Jenem gleichnamigen stolzen Herzog William Cavendish, einem der unbeugsamsten Häupter der Opposition, wurde Ludwig vorgestellt, und lernte aus einigen Unterhaltungen mit diesem geistbegabten Ritter des Hosenbandordens mehr Politik und mehr Einblick in das höhere Staatsleben und die höhere Staatenlenkung, als mancher sehr achtungswerthe Staatsmann durch sein ganzes Leben in seinen Kopf zusammen zu bringen vermag. Entschiedener Gegner Pitts und Freund von dessen geharnischtem Widersacher Fox, hielt der Herzog gegen Niemand mit seiner politischen Ansicht zurück, und seine Gemahlin, die herrliche, reizvolle Prachtgestalt, die Alles um sich fesselte, theilte die Gesinnung ihres Gemahls und gab Proben ihrer eigenen thätig eingreifenden Begeisterung für die Erreichung politischer Zwecke, welche die Welt in Staunen setzten. Sie war es, diese allbewunderte Georgine, die einen Bund gleichgesinnter Freundinnen gründete, der persönlich in die Wahlen sich einmischte, als es galt, Charles James Fox die Stimme des Volkes für die Stelle eines Parlamentsmitgliedes von Westmünster zu gewinnen; sie war es, die auf offener Straße einem Bürger Londons den Lohn für seine Stimme für Fox zuertheilt, um den derselbe, alles Gold verschmähend, gebeten — ihm einen Kuß ihres wonneschönen Mundes vergönnt hatte.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/254>, abgerufen am 28.11.2024.