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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Ich will nicht entfliehen! Ach habt nur Gnade, mein gestrenger Herr General! flehte der Franzose.

Der Teufel ist dein General, nicht ich! zürnte Windt, und nachdem seine Anordnungen vollbracht waren, wurde der Rückweg angetreten.

Nicht uninteressant waren die Aufschlüsse, welche der gefangene Franzose über seine eigene Person und über die Ereignisse auf dem Kriegsschauplatze gab. Wie viel an Allem, was er aussagte, Wahres oder Falsches sei, ließ sich freilich nicht ermitteln. Was ihm nach und nach, bisweilen nicht ohne Nöthigung und ernstliche Androhung, abgefragt wurde, ließ sich in die nachstehenden Aussagen zusammenfassen.

Mein Name ist Clement Aboncourt, mein Geburtsort Saarlouis; mein Vater war Friseur, ich wurde Schneider. Mein Meister war Theaterschneider, das brachte mich zeitig auf die Bretter. Ich probirte fleißig neugefertigte Garderobestücke an meinem eigenen Leib und fand, daß sie mir herrlich zu Gesicht standen; ich wurde Schauspieler und siedelte von einer der zahlreichen Frankreich durchziehenden Banden zur andern über. Die Charaktereigenheit der Mehrzahl meiner Collegen, nie zufrieden zu sein, in den angenehmsten Verhältnissen nicht gut zu thun, stets sich auch mit den besten Directoren auf gespannten Fuß zu setzen und nur den Augenblick abzuwarten, der eine bessere Aussicht eröffnet, um contractbrüchig davon zu laufen, war auch mir in vollem Maße eigen. Nebenbei war ich, da ich ziemlich viel Talent für das Fach der Komiker wie der Intriguants hatte, stets der bescheidenen Ansicht, die fast jeder von seiner Person festhält, daß ich bei jeglicher Gesellschaft, mit der ich spielte, das bedeutendste Talent sei, der hervorragendste Mime, alle Collegen neben mir nur Stümper und Lumpe; was Wunder, daß ich zeitig begann die Wandelbühnen zu verachten, daß das einzige Paris mein Ziel wurde? Dort gelangte ich hin, fand auch Anstellung auf einem Vorstadttheater und trat in gleicher Weise wie früher von einer Bühne zur andern; ich spielte indeß mit sehr mäßigem Beifall, und gefiel zuletzt mir selbst noch weniger wie dem Publikum, so daß ich mich doppelt verkannt sah. Die Revolution fegte alle den kleinen Bühnenkram zur Seite, ich wurde

Ich will nicht entfliehen! Ach habt nur Gnade, mein gestrenger Herr General! flehte der Franzose.

Der Teufel ist dein General, nicht ich! zürnte Windt, und nachdem seine Anordnungen vollbracht waren, wurde der Rückweg angetreten.

Nicht uninteressant waren die Aufschlüsse, welche der gefangene Franzose über seine eigene Person und über die Ereignisse auf dem Kriegsschauplatze gab. Wie viel an Allem, was er aussagte, Wahres oder Falsches sei, ließ sich freilich nicht ermitteln. Was ihm nach und nach, bisweilen nicht ohne Nöthigung und ernstliche Androhung, abgefragt wurde, ließ sich in die nachstehenden Aussagen zusammenfassen.

Mein Name ist Clement Aboncourt, mein Geburtsort Saarlouis; mein Vater war Friseur, ich wurde Schneider. Mein Meister war Theaterschneider, das brachte mich zeitig auf die Bretter. Ich probirte fleißig neugefertigte Garderobestücke an meinem eigenen Leib und fand, daß sie mir herrlich zu Gesicht standen; ich wurde Schauspieler und siedelte von einer der zahlreichen Frankreich durchziehenden Banden zur andern über. Die Charaktereigenheit der Mehrzahl meiner Collegen, nie zufrieden zu sein, in den angenehmsten Verhältnissen nicht gut zu thun, stets sich auch mit den besten Directoren auf gespannten Fuß zu setzen und nur den Augenblick abzuwarten, der eine bessere Aussicht eröffnet, um contractbrüchig davon zu laufen, war auch mir in vollem Maße eigen. Nebenbei war ich, da ich ziemlich viel Talent für das Fach der Komiker wie der Intriguants hatte, stets der bescheidenen Ansicht, die fast jeder von seiner Person festhält, daß ich bei jeglicher Gesellschaft, mit der ich spielte, das bedeutendste Talent sei, der hervorragendste Mime, alle Collegen neben mir nur Stümper und Lumpe; was Wunder, daß ich zeitig begann die Wandelbühnen zu verachten, daß das einzige Paris mein Ziel wurde? Dort gelangte ich hin, fand auch Anstellung auf einem Vorstadttheater und trat in gleicher Weise wie früher von einer Bühne zur andern; ich spielte indeß mit sehr mäßigem Beifall, und gefiel zuletzt mir selbst noch weniger wie dem Publikum, so daß ich mich doppelt verkannt sah. Die Revolution fegte alle den kleinen Bühnenkram zur Seite, ich wurde

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          <p>Mein Name ist Clement Aboncourt, mein Geburtsort Saarlouis; mein Vater war Friseur, ich wurde Schneider. Mein Meister war Theaterschneider, das brachte mich zeitig auf die Bretter. Ich probirte fleißig neugefertigte Garderobestücke an meinem eigenen Leib und fand, daß sie mir herrlich zu Gesicht standen; ich wurde Schauspieler und siedelte von einer der zahlreichen Frankreich durchziehenden Banden zur andern über. Die Charaktereigenheit der Mehrzahl meiner Collegen, nie zufrieden zu sein, in den angenehmsten Verhältnissen nicht gut zu thun, stets sich auch mit den besten Directoren auf gespannten Fuß zu setzen und nur den Augenblick abzuwarten, der eine bessere Aussicht eröffnet, um contractbrüchig davon zu laufen, war auch mir in vollem Maße eigen. Nebenbei war ich, da ich ziemlich viel Talent für das Fach der Komiker wie der Intriguants hatte, stets der bescheidenen Ansicht, die fast jeder von seiner Person festhält, daß ich bei jeglicher Gesellschaft, mit der ich spielte, das bedeutendste Talent sei, der hervorragendste Mime, alle Collegen neben mir nur Stümper und Lumpe; was Wunder, daß ich zeitig begann die Wandelbühnen zu verachten, daß das einzige Paris mein Ziel wurde? Dort gelangte ich hin, fand auch Anstellung auf einem Vorstadttheater und trat in gleicher Weise wie früher von einer Bühne zur andern; ich spielte indeß mit sehr mäßigem Beifall, und gefiel zuletzt mir selbst noch weniger wie dem Publikum, so daß ich mich doppelt verkannt sah. Die Revolution fegte alle den kleinen Bühnenkram zur Seite, ich wurde
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[203/0207] Ich will nicht entfliehen! Ach habt nur Gnade, mein gestrenger Herr General! flehte der Franzose. Der Teufel ist dein General, nicht ich! zürnte Windt, und nachdem seine Anordnungen vollbracht waren, wurde der Rückweg angetreten. Nicht uninteressant waren die Aufschlüsse, welche der gefangene Franzose über seine eigene Person und über die Ereignisse auf dem Kriegsschauplatze gab. Wie viel an Allem, was er aussagte, Wahres oder Falsches sei, ließ sich freilich nicht ermitteln. Was ihm nach und nach, bisweilen nicht ohne Nöthigung und ernstliche Androhung, abgefragt wurde, ließ sich in die nachstehenden Aussagen zusammenfassen. Mein Name ist Clement Aboncourt, mein Geburtsort Saarlouis; mein Vater war Friseur, ich wurde Schneider. Mein Meister war Theaterschneider, das brachte mich zeitig auf die Bretter. Ich probirte fleißig neugefertigte Garderobestücke an meinem eigenen Leib und fand, daß sie mir herrlich zu Gesicht standen; ich wurde Schauspieler und siedelte von einer der zahlreichen Frankreich durchziehenden Banden zur andern über. Die Charaktereigenheit der Mehrzahl meiner Collegen, nie zufrieden zu sein, in den angenehmsten Verhältnissen nicht gut zu thun, stets sich auch mit den besten Directoren auf gespannten Fuß zu setzen und nur den Augenblick abzuwarten, der eine bessere Aussicht eröffnet, um contractbrüchig davon zu laufen, war auch mir in vollem Maße eigen. Nebenbei war ich, da ich ziemlich viel Talent für das Fach der Komiker wie der Intriguants hatte, stets der bescheidenen Ansicht, die fast jeder von seiner Person festhält, daß ich bei jeglicher Gesellschaft, mit der ich spielte, das bedeutendste Talent sei, der hervorragendste Mime, alle Collegen neben mir nur Stümper und Lumpe; was Wunder, daß ich zeitig begann die Wandelbühnen zu verachten, daß das einzige Paris mein Ziel wurde? Dort gelangte ich hin, fand auch Anstellung auf einem Vorstadttheater und trat in gleicher Weise wie früher von einer Bühne zur andern; ich spielte indeß mit sehr mäßigem Beifall, und gefiel zuletzt mir selbst noch weniger wie dem Publikum, so daß ich mich doppelt verkannt sah. Die Revolution fegte alle den kleinen Bühnenkram zur Seite, ich wurde

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/207>, abgerufen am 23.11.2024.