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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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werden, vorerst vor allen Augen unberufener Neugier geborgen; unser an das Haus anstoßender Garten war geräumig genug, ihm die Wohlthat frischer Luft täglich zu gönnen, auch war das Kind völlig gesund. Unter geheimen Aufschriften wurden die Orte bestimmt, wohin allwöchentlich Nachricht von seinem Befinden gegeben werden sollte, auch ward verabredet, der Kleinen ein Zeichen einzuätzen, daran die Mutter oder der Vater sie erkennen könnten, und als das einfachste Zeichen solcher Art schlug ich vor, die Anfangsbuchstaben ihres Namens S. C. B. zu wählen. Die Prinzessin schüttelte erst mit dem Kopf, als wolle sie meinen Vorschlag verwerfen -- augenscheinlich mißfiel ihr der bäurische Name -- mit einemmale aber überstrahlte Freude ihr Gesicht, als sie ein wenig nachgesonnen hatte, und sie rief: Ja, theure Anges, nicht anders, nicht anders, als S. C. B.! Das muß ja nicht Botta heißen? Nicht wahr? O, es kann ganz anders heißen! C--B-- ja, so ist es recht, so sei es! Wohl kann es anders heißen, es kann Namen bedeuten, denen nicht viele gleichstehen auf Erden an Glanz und Hoheit, Alter und Ehre, wenn sie auch die Zeit, gewiß nicht für immer, verdunkelt hat und eine blutrothe Wolke vor jene große Sonne getreten ist.

Voll Verwunderung hörte Frau Windt diese Mittheilung an; mit einer gewissen scheuen Ehrfurcht blickte sie auf das Kind, das da neben ihr im kleinen Stübchen unbefangen und in holder Unschuld saß und Charpie zupfte, vielleicht für die Wunden eines Kriegers, der dem Vater dieses Kindes und seiner Mutter die Rückkehr in das heißgeliebte Vaterland erkämpfen helfen wollte. Thränen der Rührung traten in die Augen der freundlichen Frau, als ihr fragender Blick auf Anges fiel, denn Frau Windt erging es wie Faust's Famulus bei Goethe: sie wußte nun viel, doch mochte sie gern vollends Alles wissen. Anges fuhr fort:

Noch kein Jahr war das Kind bei uns in heimlicher Pflege, und mein einziges Glück, meine liebste Zerstreuung; sein Lächeln war Balsam auf mein trauerndes Herz, da ich mich von Leonardus treulos verlassen glaubte, da kam die neue Bekanntschaft, mit ihr mein Unglück. Von allen Seiten wurde ich bestürmt, ich willigte endlich ein, doch nur unter der Bedingung, daß ich nicht von dem Kinde mich trennen müsse. Meine Mutter fragte brieflich an, schilderte alles treulich,

werden, vorerst vor allen Augen unberufener Neugier geborgen; unser an das Haus anstoßender Garten war geräumig genug, ihm die Wohlthat frischer Luft täglich zu gönnen, auch war das Kind völlig gesund. Unter geheimen Aufschriften wurden die Orte bestimmt, wohin allwöchentlich Nachricht von seinem Befinden gegeben werden sollte, auch ward verabredet, der Kleinen ein Zeichen einzuätzen, daran die Mutter oder der Vater sie erkennen könnten, und als das einfachste Zeichen solcher Art schlug ich vor, die Anfangsbuchstaben ihres Namens S. C. B. zu wählen. Die Prinzessin schüttelte erst mit dem Kopf, als wolle sie meinen Vorschlag verwerfen — augenscheinlich mißfiel ihr der bäurische Name — mit einemmale aber überstrahlte Freude ihr Gesicht, als sie ein wenig nachgesonnen hatte, und sie rief: Ja, theure Angés, nicht anders, nicht anders, als S. C. B.! Das muß ja nicht Botta heißen? Nicht wahr? O, es kann ganz anders heißen! C—B— ja, so ist es recht, so sei es! Wohl kann es anders heißen, es kann Namen bedeuten, denen nicht viele gleichstehen auf Erden an Glanz und Hoheit, Alter und Ehre, wenn sie auch die Zeit, gewiß nicht für immer, verdunkelt hat und eine blutrothe Wolke vor jene große Sonne getreten ist.

Voll Verwunderung hörte Frau Windt diese Mittheilung an; mit einer gewissen scheuen Ehrfurcht blickte sie auf das Kind, das da neben ihr im kleinen Stübchen unbefangen und in holder Unschuld saß und Charpie zupfte, vielleicht für die Wunden eines Kriegers, der dem Vater dieses Kindes und seiner Mutter die Rückkehr in das heißgeliebte Vaterland erkämpfen helfen wollte. Thränen der Rührung traten in die Augen der freundlichen Frau, als ihr fragender Blick auf Angés fiel, denn Frau Windt erging es wie Faust’s Famulus bei Goethe: sie wußte nun viel, doch mochte sie gern vollends Alles wissen. Angés fuhr fort:

Noch kein Jahr war das Kind bei uns in heimlicher Pflege, und mein einziges Glück, meine liebste Zerstreuung; sein Lächeln war Balsam auf mein trauerndes Herz, da ich mich von Leonardus treulos verlassen glaubte, da kam die neue Bekanntschaft, mit ihr mein Unglück. Von allen Seiten wurde ich bestürmt, ich willigte endlich ein, doch nur unter der Bedingung, daß ich nicht von dem Kinde mich trennen müsse. Meine Mutter fragte brieflich an, schilderte alles treulich,

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[185/0189] werden, vorerst vor allen Augen unberufener Neugier geborgen; unser an das Haus anstoßender Garten war geräumig genug, ihm die Wohlthat frischer Luft täglich zu gönnen, auch war das Kind völlig gesund. Unter geheimen Aufschriften wurden die Orte bestimmt, wohin allwöchentlich Nachricht von seinem Befinden gegeben werden sollte, auch ward verabredet, der Kleinen ein Zeichen einzuätzen, daran die Mutter oder der Vater sie erkennen könnten, und als das einfachste Zeichen solcher Art schlug ich vor, die Anfangsbuchstaben ihres Namens S. C. B. zu wählen. Die Prinzessin schüttelte erst mit dem Kopf, als wolle sie meinen Vorschlag verwerfen — augenscheinlich mißfiel ihr der bäurische Name — mit einemmale aber überstrahlte Freude ihr Gesicht, als sie ein wenig nachgesonnen hatte, und sie rief: Ja, theure Angés, nicht anders, nicht anders, als S. C. B.! Das muß ja nicht Botta heißen? Nicht wahr? O, es kann ganz anders heißen! C—B— ja, so ist es recht, so sei es! Wohl kann es anders heißen, es kann Namen bedeuten, denen nicht viele gleichstehen auf Erden an Glanz und Hoheit, Alter und Ehre, wenn sie auch die Zeit, gewiß nicht für immer, verdunkelt hat und eine blutrothe Wolke vor jene große Sonne getreten ist. Voll Verwunderung hörte Frau Windt diese Mittheilung an; mit einer gewissen scheuen Ehrfurcht blickte sie auf das Kind, das da neben ihr im kleinen Stübchen unbefangen und in holder Unschuld saß und Charpie zupfte, vielleicht für die Wunden eines Kriegers, der dem Vater dieses Kindes und seiner Mutter die Rückkehr in das heißgeliebte Vaterland erkämpfen helfen wollte. Thränen der Rührung traten in die Augen der freundlichen Frau, als ihr fragender Blick auf Angés fiel, denn Frau Windt erging es wie Faust’s Famulus bei Goethe: sie wußte nun viel, doch mochte sie gern vollends Alles wissen. Angés fuhr fort: Noch kein Jahr war das Kind bei uns in heimlicher Pflege, und mein einziges Glück, meine liebste Zerstreuung; sein Lächeln war Balsam auf mein trauerndes Herz, da ich mich von Leonardus treulos verlassen glaubte, da kam die neue Bekanntschaft, mit ihr mein Unglück. Von allen Seiten wurde ich bestürmt, ich willigte endlich ein, doch nur unter der Bedingung, daß ich nicht von dem Kinde mich trennen müsse. Meine Mutter fragte brieflich an, schilderte alles treulich,

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/189>, abgerufen am 24.11.2024.