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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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gelangen. Dieser Plan war außerordentlich leicht auszuführen, und wurde auch eben so leicht ausgeführt. Das neue Dienstmädchen fand bei seinem Antritt die Dame, ohne zu wissen, ob sie zum Hause gehörte, oder nicht? Es bediente daher dieselbe mit gleicher Treue, wie meine Mutter und mich.

Frau Windt hörte Anges Erzählung mit wachsendem Erstaunen an, und unterbrach dieselbe nur, um für einige Herzstärkungen zu sorgen, die ihr, der eingebornen und nicht mehr jungen Niederländerin, ungleich mehr Bedürfnis waren, als Anges. Dann aber drängte die gute Holländerin um die Fortsetzung der ihren ganzen Antheil lebhaft erregenden Erzählung.

Nach einiger Zeit, fuhr Anges erglühend und fast flüsternd fort: gebar die fremde bei uns wohnende Dame dieses schöne Kind. Die Sage-femme wurde durch Geld schweigsam gemacht, unsere Sophie mußte zum Schein krank werden, das heißt, sie mußte die hohe Wöchnerin auf das Sorgsamste warten und pflegen und ein anderes Mädchen versah indeß ihre Stelle. Die guten Zweibrückner hörten zwar und glossirten nach deutscher Kleinstädter Weise das Ereigniß, daß unsere junge Dienerin ziemlich bald ein Gastgeschenk in unser Haus gebracht, vor dem sich in der Regel Jedermann zu bedanken pflegt, indeß war man so gütig, meine rechtlichen Aeltern und auch mich dabei zu bedauern, die man frisch und munter und jetzt wohlweislich ohne Schleier täglich auf der Straße gehen sah, und war ferner so gütig, die Schuld einem meiner Brüder in die Schuhe zu schieben. Auch dieses Reden wäre zu vermeiden gewesen, wenn man das Kind zeitig aus dem Hause gebracht hätte, aber dagegen widersetzte sich die junge Mutter, und da das Kind getauft werden mußte, so ließ sich diese Handlung nicht außer dem Hause vornehmen. Ein schönes Stück Geld bewog leicht die junge Dienerin, ihren Namen herzuleihen, und so wurde das Kind nach seiner angeblichen Mutter, der kleinen französisch plaudernden Westbacherhoferin Sophie Charlotte Botta getauft, und die große Sophie verließ dann reichlich belohnt und mit zugesichertem Wiedereintritt nach einiger Zeit, der guten Sitten halber, mein elterliches Haus.

Nun wissen Sie, beste Frau Windt, wie sehr es in unserer weiblichen Natur liegt, daß wir uns zu kleinen Kindern hingezogen fühlen, besonders wenn sie hübsch und wenn sie hülflos sind. Mein liebesehnsüchtiges

gelangen. Dieser Plan war außerordentlich leicht auszuführen, und wurde auch eben so leicht ausgeführt. Das neue Dienstmädchen fand bei seinem Antritt die Dame, ohne zu wissen, ob sie zum Hause gehörte, oder nicht? Es bediente daher dieselbe mit gleicher Treue, wie meine Mutter und mich.

Frau Windt hörte Angés Erzählung mit wachsendem Erstaunen an, und unterbrach dieselbe nur, um für einige Herzstärkungen zu sorgen, die ihr, der eingebornen und nicht mehr jungen Niederländerin, ungleich mehr Bedürfnis waren, als Angés. Dann aber drängte die gute Holländerin um die Fortsetzung der ihren ganzen Antheil lebhaft erregenden Erzählung.

Nach einiger Zeit, fuhr Angés erglühend und fast flüsternd fort: gebar die fremde bei uns wohnende Dame dieses schöne Kind. Die Sage-femme wurde durch Geld schweigsam gemacht, unsere Sophie mußte zum Schein krank werden, das heißt, sie mußte die hohe Wöchnerin auf das Sorgsamste warten und pflegen und ein anderes Mädchen versah indeß ihre Stelle. Die guten Zweibrückner hörten zwar und glossirten nach deutscher Kleinstädter Weise das Ereigniß, daß unsere junge Dienerin ziemlich bald ein Gastgeschenk in unser Haus gebracht, vor dem sich in der Regel Jedermann zu bedanken pflegt, indeß war man so gütig, meine rechtlichen Aeltern und auch mich dabei zu bedauern, die man frisch und munter und jetzt wohlweislich ohne Schleier täglich auf der Straße gehen sah, und war ferner so gütig, die Schuld einem meiner Brüder in die Schuhe zu schieben. Auch dieses Reden wäre zu vermeiden gewesen, wenn man das Kind zeitig aus dem Hause gebracht hätte, aber dagegen widersetzte sich die junge Mutter, und da das Kind getauft werden mußte, so ließ sich diese Handlung nicht außer dem Hause vornehmen. Ein schönes Stück Geld bewog leicht die junge Dienerin, ihren Namen herzuleihen, und so wurde das Kind nach seiner angeblichen Mutter, der kleinen französisch plaudernden Westbacherhoferin Sophie Charlotte Botta getauft, und die große Sophie verließ dann reichlich belohnt und mit zugesichertem Wiedereintritt nach einiger Zeit, der guten Sitten halber, mein elterliches Haus.

Nun wissen Sie, beste Frau Windt, wie sehr es in unserer weiblichen Natur liegt, daß wir uns zu kleinen Kindern hingezogen fühlen, besonders wenn sie hübsch und wenn sie hülflos sind. Mein liebesehnsüchtiges

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[183/0187] gelangen. Dieser Plan war außerordentlich leicht auszuführen, und wurde auch eben so leicht ausgeführt. Das neue Dienstmädchen fand bei seinem Antritt die Dame, ohne zu wissen, ob sie zum Hause gehörte, oder nicht? Es bediente daher dieselbe mit gleicher Treue, wie meine Mutter und mich. Frau Windt hörte Angés Erzählung mit wachsendem Erstaunen an, und unterbrach dieselbe nur, um für einige Herzstärkungen zu sorgen, die ihr, der eingebornen und nicht mehr jungen Niederländerin, ungleich mehr Bedürfnis waren, als Angés. Dann aber drängte die gute Holländerin um die Fortsetzung der ihren ganzen Antheil lebhaft erregenden Erzählung. Nach einiger Zeit, fuhr Angés erglühend und fast flüsternd fort: gebar die fremde bei uns wohnende Dame dieses schöne Kind. Die Sage-femme wurde durch Geld schweigsam gemacht, unsere Sophie mußte zum Schein krank werden, das heißt, sie mußte die hohe Wöchnerin auf das Sorgsamste warten und pflegen und ein anderes Mädchen versah indeß ihre Stelle. Die guten Zweibrückner hörten zwar und glossirten nach deutscher Kleinstädter Weise das Ereigniß, daß unsere junge Dienerin ziemlich bald ein Gastgeschenk in unser Haus gebracht, vor dem sich in der Regel Jedermann zu bedanken pflegt, indeß war man so gütig, meine rechtlichen Aeltern und auch mich dabei zu bedauern, die man frisch und munter und jetzt wohlweislich ohne Schleier täglich auf der Straße gehen sah, und war ferner so gütig, die Schuld einem meiner Brüder in die Schuhe zu schieben. Auch dieses Reden wäre zu vermeiden gewesen, wenn man das Kind zeitig aus dem Hause gebracht hätte, aber dagegen widersetzte sich die junge Mutter, und da das Kind getauft werden mußte, so ließ sich diese Handlung nicht außer dem Hause vornehmen. Ein schönes Stück Geld bewog leicht die junge Dienerin, ihren Namen herzuleihen, und so wurde das Kind nach seiner angeblichen Mutter, der kleinen französisch plaudernden Westbacherhoferin Sophie Charlotte Botta getauft, und die große Sophie verließ dann reichlich belohnt und mit zugesichertem Wiedereintritt nach einiger Zeit, der guten Sitten halber, mein elterliches Haus. Nun wissen Sie, beste Frau Windt, wie sehr es in unserer weiblichen Natur liegt, daß wir uns zu kleinen Kindern hingezogen fühlen, besonders wenn sie hübsch und wenn sie hülflos sind. Mein liebesehnsüchtiges

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/187>, abgerufen am 22.11.2024.