Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.offen stehen und machte eine Geberde, die zum Horchen und Lauschen aufforderte. Und kaum war dieser Aufforderung genügt, so hörten Alle in bestimmten Zwischenräumen einen dumpfen Schall. Was ist es, lieber Herr Windt? Freudenschüsse sind es wahrscheinlich, zu beiderseitiger hoher Geburtstagfeier! Eine Kanonade ist es, meine Verehrtesten, und jetzt entsteht die Frage: Was thun? Feiglinge würden rufen: Rette sich wer kann! Ich rufe: Ausharren und treu bleiben! Für mich ist das keine Frage. Halten Sie sich bereit, meine Herren, mich zu unterstützen! Der Augenblick wird kritisch, sehr kritisch, doch nur keine Furcht. Das hiesige Archiv fährt, in einige fünfzig Kisten verpackt, nach Arnhem; alle Papiere des gräflichen Hauses, der Lehn- und Rentenkammer, ich stelle sie unter den Schutz des dortigen Magistrates. So wie eine Abtheilung der holländischen oder der englischen Armee sich nähert, werden Sie, Herr Graf, zu deren Befehlshaber zu reiten so gütig sein, und um Schutzwachen für Doorwerth, Helsum, Rosendael und Wolfsheese bitten. Es geht bereits ganz lustig und kunterbund zu, die Wege sind mit Flüchtlingen aus Brabant bedeckt, Adelige, Geistliche und sonst vornehme Leute, in Arnhem sind schon Flüchtlinge aus Mastricht angelangt. Dort packt Alles ein und hat sich schrecklich beezig *) und consternirt. Die Stadt wird stark befestigt. Etwas Neues ist auch noch, daß der Graf Johann Carl schon einige Male durch Helsum gekommen ist, ohne hier vorzusprechen. In Rheenen, wo wir ja ohnlängst durchkamen, soll das englische Lazareth hingelegt werden. Im Haag sogar, vernahm ich heute, wird eingepackt, leider ist die prinzliche Partei die einpackende. Doch zu den schlimmen Nachrichten nun auch eine gute, erfreuliche. Robespierre ist todt, das blutige Scheusal; mit ihm fielen eine ganze Anzahl seiner schändlichen Helfershelfer, unter ihnen der elende Schuster Simon, der Quäler des Dauphins, dem Racheschwert der unausbleiblichen Vergeltung anheim. Wäre Zeit, sich der Freude zu überlassen, so wollt' ich's im vollen Maaße thun. Sie räumen hübsch auf, die Herren Franzosen, einundzwanzig Henkersknechte sind zugleich mit ihrem Meister zur Hölle gefahren, und am *) Rührig.
offen stehen und machte eine Geberde, die zum Horchen und Lauschen aufforderte. Und kaum war dieser Aufforderung genügt, so hörten Alle in bestimmten Zwischenräumen einen dumpfen Schall. Was ist es, lieber Herr Windt? Freudenschüsse sind es wahrscheinlich, zu beiderseitiger hoher Geburtstagfeier! Eine Kanonade ist es, meine Verehrtesten, und jetzt entsteht die Frage: Was thun? Feiglinge würden rufen: Rette sich wer kann! Ich rufe: Ausharren und treu bleiben! Für mich ist das keine Frage. Halten Sie sich bereit, meine Herren, mich zu unterstützen! Der Augenblick wird kritisch, sehr kritisch, doch nur keine Furcht. Das hiesige Archiv fährt, in einige fünfzig Kisten verpackt, nach Arnhem; alle Papiere des gräflichen Hauses, der Lehn- und Rentenkammer, ich stelle sie unter den Schutz des dortigen Magistrates. So wie eine Abtheilung der holländischen oder der englischen Armee sich nähert, werden Sie, Herr Graf, zu deren Befehlshaber zu reiten so gütig sein, und um Schutzwachen für Doorwerth, Helsum, Rosendael und Wolfsheese bitten. Es geht bereits ganz lustig und kunterbund zu, die Wege sind mit Flüchtlingen aus Brabant bedeckt, Adelige, Geistliche und sonst vornehme Leute, in Arnhem sind schon Flüchtlinge aus Mastricht angelangt. Dort packt Alles ein und hat sich schrecklich beezig *) und consternirt. Die Stadt wird stark befestigt. Etwas Neues ist auch noch, daß der Graf Johann Carl schon einige Male durch Helsum gekommen ist, ohne hier vorzusprechen. In Rheenen, wo wir ja ohnlängst durchkamen, soll das englische Lazareth hingelegt werden. Im Haag sogar, vernahm ich heute, wird eingepackt, leider ist die prinzliche Partei die einpackende. Doch zu den schlimmen Nachrichten nun auch eine gute, erfreuliche. Robespierre ist todt, das blutige Scheusal; mit ihm fielen eine ganze Anzahl seiner schändlichen Helfershelfer, unter ihnen der elende Schuster Simon, der Quäler des Dauphins, dem Racheschwert der unausbleiblichen Vergeltung anheim. Wäre Zeit, sich der Freude zu überlassen, so wollt’ ich’s im vollen Maaße thun. Sie räumen hübsch auf, die Herren Franzosen, einundzwanzig Henkersknechte sind zugleich mit ihrem Meister zur Hölle gefahren, und am *) Rührig.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0168" n="164"/> offen stehen und machte eine Geberde, die zum Horchen und Lauschen aufforderte. Und kaum war dieser Aufforderung genügt, so hörten Alle in bestimmten Zwischenräumen einen dumpfen Schall.</p> <p>Was ist es, lieber Herr Windt?</p> <p>Freudenschüsse sind es wahrscheinlich, zu beiderseitiger hoher Geburtstagfeier! Eine Kanonade ist es, meine Verehrtesten, und jetzt entsteht die Frage: Was thun? Feiglinge würden rufen: Rette sich wer kann! Ich rufe: Ausharren und treu bleiben! Für mich ist das keine Frage. Halten Sie sich bereit, meine Herren, mich zu unterstützen! Der Augenblick wird kritisch, sehr kritisch, doch nur keine Furcht. Das hiesige Archiv fährt, in einige fünfzig Kisten verpackt, nach Arnhem; alle Papiere des gräflichen Hauses, der Lehn- und Rentenkammer, ich stelle sie unter den Schutz des dortigen Magistrates. So wie eine Abtheilung der holländischen oder der englischen Armee sich nähert, werden Sie, Herr Graf, zu deren Befehlshaber zu reiten so gütig sein, und um Schutzwachen für Doorwerth, Helsum, Rosendael und Wolfsheese bitten. Es geht bereits ganz lustig und kunterbund zu, die Wege sind mit Flüchtlingen aus Brabant bedeckt, Adelige, Geistliche und sonst vornehme Leute, in Arnhem sind schon Flüchtlinge aus Mastricht angelangt. Dort packt Alles ein und hat sich schrecklich <hi rendition="#aq">beezig</hi> <note place="foot" n="*)"> Rührig.</note> und consternirt. Die Stadt wird stark befestigt. Etwas Neues ist auch noch, daß der Graf Johann Carl schon einige Male durch Helsum gekommen ist, ohne hier vorzusprechen. In Rheenen, wo wir ja ohnlängst durchkamen, soll das englische Lazareth hingelegt werden. Im Haag sogar, vernahm ich heute, wird eingepackt, leider ist die prinzliche Partei die einpackende. Doch zu den schlimmen Nachrichten nun auch eine gute, erfreuliche. Robespierre ist todt, das blutige Scheusal; mit ihm fielen eine ganze Anzahl seiner schändlichen Helfershelfer, unter ihnen der elende Schuster Simon, der Quäler des Dauphins, dem Racheschwert der unausbleiblichen Vergeltung anheim. Wäre Zeit, sich der Freude zu überlassen, so wollt’ ich’s im vollen Maaße thun. Sie räumen hübsch auf, die Herren Franzosen, einundzwanzig Henkersknechte sind zugleich mit ihrem Meister zur Hölle gefahren, und am </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [164/0168]
offen stehen und machte eine Geberde, die zum Horchen und Lauschen aufforderte. Und kaum war dieser Aufforderung genügt, so hörten Alle in bestimmten Zwischenräumen einen dumpfen Schall.
Was ist es, lieber Herr Windt?
Freudenschüsse sind es wahrscheinlich, zu beiderseitiger hoher Geburtstagfeier! Eine Kanonade ist es, meine Verehrtesten, und jetzt entsteht die Frage: Was thun? Feiglinge würden rufen: Rette sich wer kann! Ich rufe: Ausharren und treu bleiben! Für mich ist das keine Frage. Halten Sie sich bereit, meine Herren, mich zu unterstützen! Der Augenblick wird kritisch, sehr kritisch, doch nur keine Furcht. Das hiesige Archiv fährt, in einige fünfzig Kisten verpackt, nach Arnhem; alle Papiere des gräflichen Hauses, der Lehn- und Rentenkammer, ich stelle sie unter den Schutz des dortigen Magistrates. So wie eine Abtheilung der holländischen oder der englischen Armee sich nähert, werden Sie, Herr Graf, zu deren Befehlshaber zu reiten so gütig sein, und um Schutzwachen für Doorwerth, Helsum, Rosendael und Wolfsheese bitten. Es geht bereits ganz lustig und kunterbund zu, die Wege sind mit Flüchtlingen aus Brabant bedeckt, Adelige, Geistliche und sonst vornehme Leute, in Arnhem sind schon Flüchtlinge aus Mastricht angelangt. Dort packt Alles ein und hat sich schrecklich beezig *) und consternirt. Die Stadt wird stark befestigt. Etwas Neues ist auch noch, daß der Graf Johann Carl schon einige Male durch Helsum gekommen ist, ohne hier vorzusprechen. In Rheenen, wo wir ja ohnlängst durchkamen, soll das englische Lazareth hingelegt werden. Im Haag sogar, vernahm ich heute, wird eingepackt, leider ist die prinzliche Partei die einpackende. Doch zu den schlimmen Nachrichten nun auch eine gute, erfreuliche. Robespierre ist todt, das blutige Scheusal; mit ihm fielen eine ganze Anzahl seiner schändlichen Helfershelfer, unter ihnen der elende Schuster Simon, der Quäler des Dauphins, dem Racheschwert der unausbleiblichen Vergeltung anheim. Wäre Zeit, sich der Freude zu überlassen, so wollt’ ich’s im vollen Maaße thun. Sie räumen hübsch auf, die Herren Franzosen, einundzwanzig Henkersknechte sind zugleich mit ihrem Meister zur Hölle gefahren, und am
*) Rührig.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML.
(2013-01-22T14:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-22T14:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |