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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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wohl den traurigsten der Acte meines Lebensdrama's mit dem Bilde eines Sarges, wie ein Traum ist es mir, mich frei zu denken, mich frei zu fühlen, und so wichtig ist diese Nachricht, daß ich mich nicht mit derselben begnügen kann: ich kann auf sie nicht bauen und keinen Schritt der Entscheidung thun, bevor ich nicht die verbürgteste Bestätigung dieser Nachricht in Händen habe; aber, meine lieben, theuern Freunde, erfüllt mir eine Bitte: laßt mich scheiden! Meine Mutter verlangt nach mir, ihrem Kinde, und hier dieses holde und liebe, mir anvertraute Kind, unser Sophiechen, schon in zuviel Gefahren brachte ich's, ich will es der Heimath wieder zuführen, der es entstammt, ihm will ich dort leben, und deine That, Leonardus, deine Liebe will ich ewig dankbar segnen, deiner Freundschaft, Ludwig, will ich innig eingedenkt bleiben! Wir müssen uns trennen. Du, Leonardus, mußt zu deinem Vater zurückkehren als ein reumüthiger Sohn und seine Verzeihung erflehen. Er wird dir verzeihen, und du wirst noch glücklich sein. Du, Ludwig, wirst auf dem Felde der Ehre wandeln und eine selbstständige hohe Stellung dir erringen, die dich völlig unabhängig macht von deinen Verwandten.

Liebe Anges, nahm Leonardus das Wort: deine Entschlüsse sind ehrenhaft, und was du sagst, ist gut, aber es ist nicht ausführbar, du kannst jetzt nicht reisen. Alle Lande am Nieder-, Mittel- und Oberrhein wimmeln von Truppen. Thue keinen Schritt, der dich reuen könnte, aber folge in Einem deiner Mutter, achte auf das anvertraute Kind; setze nicht dieses zarte Leben auf das Spiel, um mit nicht ganz reiflich überlegten Entschlüssen durchzudringen. -- Auch ich muß Leonardus beistimmen, setzte Ludwig hinzu. Hier bist du sicher und wohlgeborgen mit deinem Kinde, Anges, und reichte das Schloß nicht aus, so gibt es in dem nahen Busch voll Moorbrüche einzelne Hütten und Häuser genug, zu denen kein Krieger zu dringen vermag und die Pfade findet; laß erst die herrannahende Wolke des Kriegsgewitters vorüberziehen, ja, wenn es sein muß, vorüberbrausen, weiche nicht aus diesem Asyle, es wird sich dir nirgend ein sichereres bieten und öffnen.

Das Gespräch wurde unterbrochen; Windt klopfte stark an, und trat erhitzt ein. Hören Sie es, meine Herrschaften? war seine Frage, und da man nicht zu verstehen schien, was er wolle, so ließ er die Zimmerthüre

wohl den traurigsten der Acte meines Lebensdrama’s mit dem Bilde eines Sarges, wie ein Traum ist es mir, mich frei zu denken, mich frei zu fühlen, und so wichtig ist diese Nachricht, daß ich mich nicht mit derselben begnügen kann: ich kann auf sie nicht bauen und keinen Schritt der Entscheidung thun, bevor ich nicht die verbürgteste Bestätigung dieser Nachricht in Händen habe; aber, meine lieben, theuern Freunde, erfüllt mir eine Bitte: laßt mich scheiden! Meine Mutter verlangt nach mir, ihrem Kinde, und hier dieses holde und liebe, mir anvertraute Kind, unser Sophiechen, schon in zuviel Gefahren brachte ich’s, ich will es der Heimath wieder zuführen, der es entstammt, ihm will ich dort leben, und deine That, Leonardus, deine Liebe will ich ewig dankbar segnen, deiner Freundschaft, Ludwig, will ich innig eingedenkt bleiben! Wir müssen uns trennen. Du, Leonardus, mußt zu deinem Vater zurückkehren als ein reumüthiger Sohn und seine Verzeihung erflehen. Er wird dir verzeihen, und du wirst noch glücklich sein. Du, Ludwig, wirst auf dem Felde der Ehre wandeln und eine selbstständige hohe Stellung dir erringen, die dich völlig unabhängig macht von deinen Verwandten.

Liebe Angés, nahm Leonardus das Wort: deine Entschlüsse sind ehrenhaft, und was du sagst, ist gut, aber es ist nicht ausführbar, du kannst jetzt nicht reisen. Alle Lande am Nieder-, Mittel- und Oberrhein wimmeln von Truppen. Thue keinen Schritt, der dich reuen könnte, aber folge in Einem deiner Mutter, achte auf das anvertraute Kind; setze nicht dieses zarte Leben auf das Spiel, um mit nicht ganz reiflich überlegten Entschlüssen durchzudringen. — Auch ich muß Leonardus beistimmen, setzte Ludwig hinzu. Hier bist du sicher und wohlgeborgen mit deinem Kinde, Angés, und reichte das Schloß nicht aus, so gibt es in dem nahen Busch voll Moorbrüche einzelne Hütten und Häuser genug, zu denen kein Krieger zu dringen vermag und die Pfade findet; laß erst die herrannahende Wolke des Kriegsgewitters vorüberziehen, ja, wenn es sein muß, vorüberbrausen, weiche nicht aus diesem Asyle, es wird sich dir nirgend ein sichereres bieten und öffnen.

Das Gespräch wurde unterbrochen; Windt klopfte stark an, und trat erhitzt ein. Hören Sie es, meine Herrschaften? war seine Frage, und da man nicht zu verstehen schien, was er wolle, so ließ er die Zimmerthüre

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          <p>Das Gespräch wurde unterbrochen; Windt klopfte stark an, und trat erhitzt ein. Hören Sie es, meine Herrschaften? war seine Frage, und da man nicht zu verstehen schien, was er wolle, so ließ er die Zimmerthüre
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[163/0167] wohl den traurigsten der Acte meines Lebensdrama’s mit dem Bilde eines Sarges, wie ein Traum ist es mir, mich frei zu denken, mich frei zu fühlen, und so wichtig ist diese Nachricht, daß ich mich nicht mit derselben begnügen kann: ich kann auf sie nicht bauen und keinen Schritt der Entscheidung thun, bevor ich nicht die verbürgteste Bestätigung dieser Nachricht in Händen habe; aber, meine lieben, theuern Freunde, erfüllt mir eine Bitte: laßt mich scheiden! Meine Mutter verlangt nach mir, ihrem Kinde, und hier dieses holde und liebe, mir anvertraute Kind, unser Sophiechen, schon in zuviel Gefahren brachte ich’s, ich will es der Heimath wieder zuführen, der es entstammt, ihm will ich dort leben, und deine That, Leonardus, deine Liebe will ich ewig dankbar segnen, deiner Freundschaft, Ludwig, will ich innig eingedenkt bleiben! Wir müssen uns trennen. Du, Leonardus, mußt zu deinem Vater zurückkehren als ein reumüthiger Sohn und seine Verzeihung erflehen. Er wird dir verzeihen, und du wirst noch glücklich sein. Du, Ludwig, wirst auf dem Felde der Ehre wandeln und eine selbstständige hohe Stellung dir erringen, die dich völlig unabhängig macht von deinen Verwandten. Liebe Angés, nahm Leonardus das Wort: deine Entschlüsse sind ehrenhaft, und was du sagst, ist gut, aber es ist nicht ausführbar, du kannst jetzt nicht reisen. Alle Lande am Nieder-, Mittel- und Oberrhein wimmeln von Truppen. Thue keinen Schritt, der dich reuen könnte, aber folge in Einem deiner Mutter, achte auf das anvertraute Kind; setze nicht dieses zarte Leben auf das Spiel, um mit nicht ganz reiflich überlegten Entschlüssen durchzudringen. — Auch ich muß Leonardus beistimmen, setzte Ludwig hinzu. Hier bist du sicher und wohlgeborgen mit deinem Kinde, Angés, und reichte das Schloß nicht aus, so gibt es in dem nahen Busch voll Moorbrüche einzelne Hütten und Häuser genug, zu denen kein Krieger zu dringen vermag und die Pfade findet; laß erst die herrannahende Wolke des Kriegsgewitters vorüberziehen, ja, wenn es sein muß, vorüberbrausen, weiche nicht aus diesem Asyle, es wird sich dir nirgend ein sichereres bieten und öffnen. Das Gespräch wurde unterbrochen; Windt klopfte stark an, und trat erhitzt ein. Hören Sie es, meine Herrschaften? war seine Frage, und da man nicht zu verstehen schien, was er wolle, so ließ er die Zimmerthüre

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/167>, abgerufen am 22.11.2024.