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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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es piept oder es kreischt nur Alles. Welche Thörin war ich, meine Heimath zu verlassen!

Und doch durch eine höhere Fügung, meine theuere Freundin! sprach Leonardus, indem er suchte, die Heimathstimme, die so laut und mächtig in Anges' Innerem zu sprechen begann, zu beschwichtigen: Wir sollten uns finden, mußten uns finden, und fanden uns. Selten nur fesselt der Menschen Glück, der Menschen Loose die Hand des Geschickes von Jugend auf an einen bestimmten Ort; noch seltener bindet es an einen solchen alle Zufriedenheit. Das Leben ist Irrfahrt! Glücklich die, denen doch nicht allzuspät ein friedlicher Hafen winkt, liege dieser nun in bergeumgürteter, schattiger Waldbucht, oder liege er im stillen, reizlosen Flachland, das zuletzt doch auch nicht ganz ohne Reiz ist.

Das der Zauberspiegel der Liebe verschönt und die Freundschaft mit grünen Kränzen schmückt! fügte Ludwig hinzu. Jedes Land hat Reize, besonders wenn der Mensch Gemüth und Seele in dasselbe hinein legt oder hinein zu tragen versteht.

Gar manches Andere noch brachte das Gespräch auf dieser gemeinschaftlichen langen Fahrt zur Erörterung, und Vieles davon war sogar nothwendig zu erläutern, damit das von Natur etwas argwöhnische und diplomatische Gemüth des Herrn Windt in Allem klar sehe, und kein Mißtrauen irgend einer Art ihn bewege, die einmal so freundlich dargebotene schützende Hand abzuziehen. Oft noch lenkte das Gespräch sich auf jenen verhängnißvollen Abend hin, ohne welchen die Reisenden wohl schwerlich so vereint, wie sie jetzt es waren, diesen Weg zusammen zurückgelegt haben würden; erst dem Zuge der Hauptstraßen folgend, von Paris nach Brüssel, von Brüssel nach Antwerpen, von da über Turnhout und den Bosch (Herzogenbusch) an die Ufer und Flachlande der Meuse, wie der Wahl, bis sie denn endlich nach dem Städtchen Rheenen gelangten, das vom Rhein seinen Namen führt, aber keine rheinischen Reben, sondern nur Tabak baut, soweit immer sein Weichbild und seine Flurmarkung reichen. Leonardus hatte dem Freunde Windt ausführlich mitgetheilt, wie es nach jenem verhängnißvollen Abend gegangen, wie nämlich, als Seine Hoheit der Erbprinz der Niederlande gerufen: Dieses Kind ist mein -- Anges denselben

es piept oder es kreischt nur Alles. Welche Thörin war ich, meine Heimath zu verlassen!

Und doch durch eine höhere Fügung, meine theuere Freundin! sprach Leonardus, indem er suchte, die Heimathstimme, die so laut und mächtig in Angés’ Innerem zu sprechen begann, zu beschwichtigen: Wir sollten uns finden, mußten uns finden, und fanden uns. Selten nur fesselt der Menschen Glück, der Menschen Loose die Hand des Geschickes von Jugend auf an einen bestimmten Ort; noch seltener bindet es an einen solchen alle Zufriedenheit. Das Leben ist Irrfahrt! Glücklich die, denen doch nicht allzuspät ein friedlicher Hafen winkt, liege dieser nun in bergeumgürteter, schattiger Waldbucht, oder liege er im stillen, reizlosen Flachland, das zuletzt doch auch nicht ganz ohne Reiz ist.

Das der Zauberspiegel der Liebe verschönt und die Freundschaft mit grünen Kränzen schmückt! fügte Ludwig hinzu. Jedes Land hat Reize, besonders wenn der Mensch Gemüth und Seele in dasselbe hinein legt oder hinein zu tragen versteht.

Gar manches Andere noch brachte das Gespräch auf dieser gemeinschaftlichen langen Fahrt zur Erörterung, und Vieles davon war sogar nothwendig zu erläutern, damit das von Natur etwas argwöhnische und diplomatische Gemüth des Herrn Windt in Allem klar sehe, und kein Mißtrauen irgend einer Art ihn bewege, die einmal so freundlich dargebotene schützende Hand abzuziehen. Oft noch lenkte das Gespräch sich auf jenen verhängnißvollen Abend hin, ohne welchen die Reisenden wohl schwerlich so vereint, wie sie jetzt es waren, diesen Weg zusammen zurückgelegt haben würden; erst dem Zuge der Hauptstraßen folgend, von Paris nach Brüssel, von Brüssel nach Antwerpen, von da über Turnhout und den Bosch (Herzogenbusch) an die Ufer und Flachlande der Meuse, wie der Wahl, bis sie denn endlich nach dem Städtchen Rheenen gelangten, das vom Rhein seinen Namen führt, aber keine rheinischen Reben, sondern nur Tabak baut, soweit immer sein Weichbild und seine Flurmarkung reichen. Leonardus hatte dem Freunde Windt ausführlich mitgetheilt, wie es nach jenem verhängnißvollen Abend gegangen, wie nämlich, als Seine Hoheit der Erbprinz der Niederlande gerufen: Dieses Kind ist mein — Angés denselben

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[146/0150] es piept oder es kreischt nur Alles. Welche Thörin war ich, meine Heimath zu verlassen! Und doch durch eine höhere Fügung, meine theuere Freundin! sprach Leonardus, indem er suchte, die Heimathstimme, die so laut und mächtig in Angés’ Innerem zu sprechen begann, zu beschwichtigen: Wir sollten uns finden, mußten uns finden, und fanden uns. Selten nur fesselt der Menschen Glück, der Menschen Loose die Hand des Geschickes von Jugend auf an einen bestimmten Ort; noch seltener bindet es an einen solchen alle Zufriedenheit. Das Leben ist Irrfahrt! Glücklich die, denen doch nicht allzuspät ein friedlicher Hafen winkt, liege dieser nun in bergeumgürteter, schattiger Waldbucht, oder liege er im stillen, reizlosen Flachland, das zuletzt doch auch nicht ganz ohne Reiz ist. Das der Zauberspiegel der Liebe verschönt und die Freundschaft mit grünen Kränzen schmückt! fügte Ludwig hinzu. Jedes Land hat Reize, besonders wenn der Mensch Gemüth und Seele in dasselbe hinein legt oder hinein zu tragen versteht. Gar manches Andere noch brachte das Gespräch auf dieser gemeinschaftlichen langen Fahrt zur Erörterung, und Vieles davon war sogar nothwendig zu erläutern, damit das von Natur etwas argwöhnische und diplomatische Gemüth des Herrn Windt in Allem klar sehe, und kein Mißtrauen irgend einer Art ihn bewege, die einmal so freundlich dargebotene schützende Hand abzuziehen. Oft noch lenkte das Gespräch sich auf jenen verhängnißvollen Abend hin, ohne welchen die Reisenden wohl schwerlich so vereint, wie sie jetzt es waren, diesen Weg zusammen zurückgelegt haben würden; erst dem Zuge der Hauptstraßen folgend, von Paris nach Brüssel, von Brüssel nach Antwerpen, von da über Turnhout und den Bosch (Herzogenbusch) an die Ufer und Flachlande der Meuse, wie der Wahl, bis sie denn endlich nach dem Städtchen Rheenen gelangten, das vom Rhein seinen Namen führt, aber keine rheinischen Reben, sondern nur Tabak baut, soweit immer sein Weichbild und seine Flurmarkung reichen. Leonardus hatte dem Freunde Windt ausführlich mitgetheilt, wie es nach jenem verhängnißvollen Abend gegangen, wie nämlich, als Seine Hoheit der Erbprinz der Niederlande gerufen: Dieses Kind ist mein — Angés denselben

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/150>, abgerufen am 24.11.2024.