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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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In einem der ersten Gasthäuser der Rue Vivienne saß in seinem Zimmer ein ernster, bereits ergrauter Mann, zwar von noch rüstigem Aeußern, doch etwas krankhaften Zügen, welche die Spur großer geistiger und körperlicher Anstrengungen trugen. Dieser Mann hatte Briefe geschrieben und las sich eben einen derselben mit bekümmerter Miene vor.

"Ihre Excellenz wollen gnädigst entschuldigen, wenn ich nicht im Stande bin, in geordnetem Zusammenhang zu schreiben, denn der Kopf schwindelt mir, Alles dreht sich mit mir um und um, ein Ereigniß drängt das andere, und ich sitze hier mitten in Paris wie ein wahrer Daniel in der Löwengrube; ich darf das sagen, denn ich sehe zu meinem großen Bedauern, daß von meinen Prophezeiungen, welche Excellenz mir stets nicht haben glauben wollen, die wichtigsten eingetroffen sind. Von Amsterdam aus schrieb ich Ihrer Excellenz aux armes de la ville -- der Herr Graf hatten kaum Zeit, an die Vergleichung zu denken, so viel gab es für ihn zu thun; den ganzen lieben Tag über bis in die sinkende Nacht ist er schrecklich beschäftigt mit dem Erbstatthalter, dem Erbprinzen, wie mit den Admiralitäts- und anderen Herren. Ich habe ihn nicht im Geringsten unzugänglich gefunden, im Gegentheil habe ich alle Hoffnung auf gute Erfolge, die sich, wenn ich nach Geldernland zurück bin und klaren hellen Tag in der Sache sehe, von Doorwerth aus vollends ordnen lassen. Auch gegen den jungen Herrn Grafen sind der Erbherr nicht mehr aufgebracht; ich glaube, sein Vetter, der Vice-Admiral, ein trefflicher heiterer und jovialer Herr, hat ihn umgestimmt. Uebrigens hat sich damals der junge Herr im Hause unseres alten Herrn Adrianus ein kleines Dementi gegeben, doch aber sich, ich weiß nicht durch was, in große Gunst S. H. des Erbprinzen der Niederlande gesetzt, was ihm jedenfalls nach der Hand sehr zu statten kommen wird. Er hat ein genaues Freundschaftsbündniß mit dem Sohne des alten Herrn van der Valck geschlossen, welcher erstere zwar ein rechtlicher, aber etwas überspannter Mann ist, obschon er über die Schwärmerjahre hinaus sein sollte; dieser hat ein Liebesverhältniß angeknüpft, welches auseinander zu setzen Ihre Excellenz von mir nicht erwarten werden; nur im Betreff unsers jungen Herrn führe ich dies an, weil der junge van der Valck sich mit seinem Vater, wie ich in Amsterdam erfuhr,

In einem der ersten Gasthäuser der Rue Vivienne saß in seinem Zimmer ein ernster, bereits ergrauter Mann, zwar von noch rüstigem Aeußern, doch etwas krankhaften Zügen, welche die Spur großer geistiger und körperlicher Anstrengungen trugen. Dieser Mann hatte Briefe geschrieben und las sich eben einen derselben mit bekümmerter Miene vor.

„Ihre Excellenz wollen gnädigst entschuldigen, wenn ich nicht im Stande bin, in geordnetem Zusammenhang zu schreiben, denn der Kopf schwindelt mir, Alles dreht sich mit mir um und um, ein Ereigniß drängt das andere, und ich sitze hier mitten in Paris wie ein wahrer Daniel in der Löwengrube; ich darf das sagen, denn ich sehe zu meinem großen Bedauern, daß von meinen Prophezeiungen, welche Excellenz mir stets nicht haben glauben wollen, die wichtigsten eingetroffen sind. Von Amsterdam aus schrieb ich Ihrer Excellenz aux armes de la ville — der Herr Graf hatten kaum Zeit, an die Vergleichung zu denken, so viel gab es für ihn zu thun; den ganzen lieben Tag über bis in die sinkende Nacht ist er schrecklich beschäftigt mit dem Erbstatthalter, dem Erbprinzen, wie mit den Admiralitäts- und anderen Herren. Ich habe ihn nicht im Geringsten unzugänglich gefunden, im Gegentheil habe ich alle Hoffnung auf gute Erfolge, die sich, wenn ich nach Geldernland zurück bin und klaren hellen Tag in der Sache sehe, von Doorwerth aus vollends ordnen lassen. Auch gegen den jungen Herrn Grafen sind der Erbherr nicht mehr aufgebracht; ich glaube, sein Vetter, der Vice-Admiral, ein trefflicher heiterer und jovialer Herr, hat ihn umgestimmt. Uebrigens hat sich damals der junge Herr im Hause unseres alten Herrn Adrianus ein kleines Dementi gegeben, doch aber sich, ich weiß nicht durch was, in große Gunst S. H. des Erbprinzen der Niederlande gesetzt, was ihm jedenfalls nach der Hand sehr zu statten kommen wird. Er hat ein genaues Freundschaftsbündniß mit dem Sohne des alten Herrn van der Valck geschlossen, welcher erstere zwar ein rechtlicher, aber etwas überspannter Mann ist, obschon er über die Schwärmerjahre hinaus sein sollte; dieser hat ein Liebesverhältniß angeknüpft, welches auseinander zu setzen Ihre Excellenz von mir nicht erwarten werden; nur im Betreff unsers jungen Herrn führe ich dies an, weil der junge van der Valck sich mit seinem Vater, wie ich in Amsterdam erfuhr,

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[135/0139] In einem der ersten Gasthäuser der Rue Vivienne saß in seinem Zimmer ein ernster, bereits ergrauter Mann, zwar von noch rüstigem Aeußern, doch etwas krankhaften Zügen, welche die Spur großer geistiger und körperlicher Anstrengungen trugen. Dieser Mann hatte Briefe geschrieben und las sich eben einen derselben mit bekümmerter Miene vor. „Ihre Excellenz wollen gnädigst entschuldigen, wenn ich nicht im Stande bin, in geordnetem Zusammenhang zu schreiben, denn der Kopf schwindelt mir, Alles dreht sich mit mir um und um, ein Ereigniß drängt das andere, und ich sitze hier mitten in Paris wie ein wahrer Daniel in der Löwengrube; ich darf das sagen, denn ich sehe zu meinem großen Bedauern, daß von meinen Prophezeiungen, welche Excellenz mir stets nicht haben glauben wollen, die wichtigsten eingetroffen sind. Von Amsterdam aus schrieb ich Ihrer Excellenz aux armes de la ville — der Herr Graf hatten kaum Zeit, an die Vergleichung zu denken, so viel gab es für ihn zu thun; den ganzen lieben Tag über bis in die sinkende Nacht ist er schrecklich beschäftigt mit dem Erbstatthalter, dem Erbprinzen, wie mit den Admiralitäts- und anderen Herren. Ich habe ihn nicht im Geringsten unzugänglich gefunden, im Gegentheil habe ich alle Hoffnung auf gute Erfolge, die sich, wenn ich nach Geldernland zurück bin und klaren hellen Tag in der Sache sehe, von Doorwerth aus vollends ordnen lassen. Auch gegen den jungen Herrn Grafen sind der Erbherr nicht mehr aufgebracht; ich glaube, sein Vetter, der Vice-Admiral, ein trefflicher heiterer und jovialer Herr, hat ihn umgestimmt. Uebrigens hat sich damals der junge Herr im Hause unseres alten Herrn Adrianus ein kleines Dementi gegeben, doch aber sich, ich weiß nicht durch was, in große Gunst S. H. des Erbprinzen der Niederlande gesetzt, was ihm jedenfalls nach der Hand sehr zu statten kommen wird. Er hat ein genaues Freundschaftsbündniß mit dem Sohne des alten Herrn van der Valck geschlossen, welcher erstere zwar ein rechtlicher, aber etwas überspannter Mann ist, obschon er über die Schwärmerjahre hinaus sein sollte; dieser hat ein Liebesverhältniß angeknüpft, welches auseinander zu setzen Ihre Excellenz von mir nicht erwarten werden; nur im Betreff unsers jungen Herrn führe ich dies an, weil der junge van der Valck sich mit seinem Vater, wie ich in Amsterdam erfuhr,

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/139>, abgerufen am 22.11.2024.