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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Wüste glich, geendet hatte, brausete stürmischer Beifall, obschon nicht ein Tausendtheil der Menge verstanden hatte, was der Redner gesprochen.

Feierlich stieg Robespierre von der Tribüne herab und die Stufen nieder, um symbolisch die "einzige Hoffnung des Auslandes" zu vernichten. Man reichte ihm einen brennenden Kienspahn, und mit dieser stinkenden Brandfackel versuchte er, das pappendeckelne Bildwerk, das mit Brennstoff umwunden war, zu entzünden. Die Einrichtung war so getroffen, daß an die Stelle des Atheismus und seiner symbolischen Träger das Bild der Weisheit in reiner, schöner und edler Gestaltung treten sollte -- aber wohl wälzte sich unter Trommelwirbeln und Musikklängen dicker Dampf empor, wie weiland im Mittelalter von einem Hexenbrande -- wohl krachten die Bretter und platzten die zusammengeleimten Pappen, wohl brach der Atheismus mit Gepolter zusammen, aber die andern Figuren rührten sich kaum, sie wankten nur etwas zur Seite, und die durch einen schlechten Mechanismus jetzt sichtbar werdende Weisheit trat schwarzangeräuchert wie ein westphälischer Schinken vor das Auge der Menge. Im Programme stand als Vorschrift: Aus der Mitte dieser Trümmer, nämlich der allegorischen Figuren, erhebt sich die Weisheit mit ihrer ruhigen und heitern Stirn; bei ihrem Anblick drängen sich Thränen der Freude und der Dankbarkeit aus aller Augen.

Wie aber die Weisheit als Mohrin zu Tage trat, und die "Hoffnung des Auslandes" unerschüttert stehen blieb, bis einige Schreinergesellen sie zusammenrissen, gab es nur Lachthränen und ein unauslöschliches Gelächter ergoß sich durch des Nationalgartens menschenvolle Räume. Das kümmerte aber den Helden des Tages wenig; er eilte wieder auf die Tribüne und perorirte seine schwülstigen Phrasen von dieser herunter der Menge zu, Phrasen, von denen einige lauteten: Franzosen, ihr bekämpft die Könige, ihr seid also würdig, die Gottheit zu verehren! -- Unser Blut fließe für die Sache der Menschheit -- das ist unser Gebet, darin besteht das Opfer, welches wir dir darbringen, der Cultus, den wir dir weihen, du höchstes Wesen!

Endlich endete auch diese Rede voll Schwulst, Phrasen und Comödianterie, und der zweite Act der großen Harlekinade begann. Die Menge wälzte sich aus dem Garten dem Marsfelde zu, über die Eintrachtbrücke im dichtgeballten unaufhaltbaren Strome hinüber.

Wüste glich, geendet hatte, brausete stürmischer Beifall, obschon nicht ein Tausendtheil der Menge verstanden hatte, was der Redner gesprochen.

Feierlich stieg Robespierre von der Tribüne herab und die Stufen nieder, um symbolisch die „einzige Hoffnung des Auslandes“ zu vernichten. Man reichte ihm einen brennenden Kienspahn, und mit dieser stinkenden Brandfackel versuchte er, das pappendeckelne Bildwerk, das mit Brennstoff umwunden war, zu entzünden. Die Einrichtung war so getroffen, daß an die Stelle des Atheismus und seiner symbolischen Träger das Bild der Weisheit in reiner, schöner und edler Gestaltung treten sollte — aber wohl wälzte sich unter Trommelwirbeln und Musikklängen dicker Dampf empor, wie weiland im Mittelalter von einem Hexenbrande — wohl krachten die Bretter und platzten die zusammengeleimten Pappen, wohl brach der Atheismus mit Gepolter zusammen, aber die andern Figuren rührten sich kaum, sie wankten nur etwas zur Seite, und die durch einen schlechten Mechanismus jetzt sichtbar werdende Weisheit trat schwarzangeräuchert wie ein westphälischer Schinken vor das Auge der Menge. Im Programme stand als Vorschrift: Aus der Mitte dieser Trümmer, nämlich der allegorischen Figuren, erhebt sich die Weisheit mit ihrer ruhigen und heitern Stirn; bei ihrem Anblick drängen sich Thränen der Freude und der Dankbarkeit aus aller Augen.

Wie aber die Weisheit als Mohrin zu Tage trat, und die „Hoffnung des Auslandes“ unerschüttert stehen blieb, bis einige Schreinergesellen sie zusammenrissen, gab es nur Lachthränen und ein unauslöschliches Gelächter ergoß sich durch des Nationalgartens menschenvolle Räume. Das kümmerte aber den Helden des Tages wenig; er eilte wieder auf die Tribüne und perorirte seine schwülstigen Phrasen von dieser herunter der Menge zu, Phrasen, von denen einige lauteten: Franzosen, ihr bekämpft die Könige, ihr seid also würdig, die Gottheit zu verehren! — Unser Blut fließe für die Sache der Menschheit — das ist unser Gebet, darin besteht das Opfer, welches wir dir darbringen, der Cultus, den wir dir weihen, du höchstes Wesen!

Endlich endete auch diese Rede voll Schwulst, Phrasen und Comödianterie, und der zweite Act der großen Harlekinade begann. Die Menge wälzte sich aus dem Garten dem Marsfelde zu, über die Eintrachtbrücke im dichtgeballten unaufhaltbaren Strome hinüber.

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[132/0136] Wüste glich, geendet hatte, brausete stürmischer Beifall, obschon nicht ein Tausendtheil der Menge verstanden hatte, was der Redner gesprochen. Feierlich stieg Robespierre von der Tribüne herab und die Stufen nieder, um symbolisch die „einzige Hoffnung des Auslandes“ zu vernichten. Man reichte ihm einen brennenden Kienspahn, und mit dieser stinkenden Brandfackel versuchte er, das pappendeckelne Bildwerk, das mit Brennstoff umwunden war, zu entzünden. Die Einrichtung war so getroffen, daß an die Stelle des Atheismus und seiner symbolischen Träger das Bild der Weisheit in reiner, schöner und edler Gestaltung treten sollte — aber wohl wälzte sich unter Trommelwirbeln und Musikklängen dicker Dampf empor, wie weiland im Mittelalter von einem Hexenbrande — wohl krachten die Bretter und platzten die zusammengeleimten Pappen, wohl brach der Atheismus mit Gepolter zusammen, aber die andern Figuren rührten sich kaum, sie wankten nur etwas zur Seite, und die durch einen schlechten Mechanismus jetzt sichtbar werdende Weisheit trat schwarzangeräuchert wie ein westphälischer Schinken vor das Auge der Menge. Im Programme stand als Vorschrift: Aus der Mitte dieser Trümmer, nämlich der allegorischen Figuren, erhebt sich die Weisheit mit ihrer ruhigen und heitern Stirn; bei ihrem Anblick drängen sich Thränen der Freude und der Dankbarkeit aus aller Augen. Wie aber die Weisheit als Mohrin zu Tage trat, und die „Hoffnung des Auslandes“ unerschüttert stehen blieb, bis einige Schreinergesellen sie zusammenrissen, gab es nur Lachthränen und ein unauslöschliches Gelächter ergoß sich durch des Nationalgartens menschenvolle Räume. Das kümmerte aber den Helden des Tages wenig; er eilte wieder auf die Tribüne und perorirte seine schwülstigen Phrasen von dieser herunter der Menge zu, Phrasen, von denen einige lauteten: Franzosen, ihr bekämpft die Könige, ihr seid also würdig, die Gottheit zu verehren! — Unser Blut fließe für die Sache der Menschheit — das ist unser Gebet, darin besteht das Opfer, welches wir dir darbringen, der Cultus, den wir dir weihen, du höchstes Wesen! Endlich endete auch diese Rede voll Schwulst, Phrasen und Comödianterie, und der zweite Act der großen Harlekinade begann. Die Menge wälzte sich aus dem Garten dem Marsfelde zu, über die Eintrachtbrücke im dichtgeballten unaufhaltbaren Strome hinüber.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/136>, abgerufen am 22.11.2024.