Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.griechischen Costümen, durch das die Sandalenbänder bis zu den Knieen sichtbar hindurchschienen, Kränze von Aehren und Kornblumen im Haar und Körbchen voll Blumen tragend, in den umfangreichen Garten; Frauen, mit Kindern beladen, denen beiderseits die Hitze des Junitages die unaussprechlichste Pein drohte, wallten stolz daher in einer Tracht, die Allem Hohn sprach, was jemals schön, kleidsam und anständig genannt ward. Es kamen Greise, anzusehen wie alte ausrangirte Theaterfiguranten in der Tracht, mit welcher die Wachsfigurenkabinette die Jünger Christi umhängen, die das Abendmahl feiern, mit schneeweißen Perrücken und abscheulichen Flachsbärten. Diese tugendhaften alten Gauner, aus der Volkshefe zur Darstellung der großartigen Farce ausgewählt, trugen Degen in den Händen, um sie den Vertheidigern der Freiheit zu überreichen, sobald ihr Stichwort fallen würde. Diese Vertheidiger der Freiheit trugen Eichenzweige und mit Eichenlaub waren auch die Triumpfbögen und Thorfahrten geschmückt. Schonungslos waren alle umliegenden Wälder geplündert und verwüstet worden, um Paris für einen einzigen Tag einen schnell vergänglichen Schmuck zu leihen. Die drei jungen Männer in der schmutzigen Carmagnolentracht wühlten sich langsam weiter und weiter, bis es ihnen durch Geduld und Ausdauer allmählig gelang, an der Wasserseite gegenüber dem Pavillon der Flora und der Einheit auf der Terrasse einen etwas erhöhten Platz zu gewinnen, von dem aus sich einigermaßen die Festlichkeit übersehen ließ, welche sich vorbereitete. Sie erblickten das zum Zweck des Festes eigens erbaute Amphitheater, das sich bis hinan zum großen Balkon des ehemaligen Tuilerienpalastes hinzog und aus dessen Mitte eine hohe Rednerbühne emporragte. Vom Amphitheater führten Stufen bis herab zum großen runden Wasserbecken des Gartens, welches ganz überbrückt war, und in dessen Mitte statt der zertrümmerten Steinbildsäulen, die dasselbe früher geschmückt, eine allegorische Figurengruppe aufgestellt war, zusammen gezimmert und geleimt aus Holz und Pappendeckel, und von einem Theatermaler bunt angestrichen. Es zeigte sich die abschreckende Riesengestalt des Atheismus, getragen von der Ehrsucht, der Eigensucht, der Zwietracht und der falschen Einheit, und eine Inschrift verkündete, daß dies "die einzige Hoffnung des Auslandes" darstelle und bedeute. griechischen Costümen, durch das die Sandalenbänder bis zu den Knieen sichtbar hindurchschienen, Kränze von Aehren und Kornblumen im Haar und Körbchen voll Blumen tragend, in den umfangreichen Garten; Frauen, mit Kindern beladen, denen beiderseits die Hitze des Junitages die unaussprechlichste Pein drohte, wallten stolz daher in einer Tracht, die Allem Hohn sprach, was jemals schön, kleidsam und anständig genannt ward. Es kamen Greise, anzusehen wie alte ausrangirte Theaterfiguranten in der Tracht, mit welcher die Wachsfigurenkabinette die Jünger Christi umhängen, die das Abendmahl feiern, mit schneeweißen Perrücken und abscheulichen Flachsbärten. Diese tugendhaften alten Gauner, aus der Volkshefe zur Darstellung der großartigen Farçe ausgewählt, trugen Degen in den Händen, um sie den Vertheidigern der Freiheit zu überreichen, sobald ihr Stichwort fallen würde. Diese Vertheidiger der Freiheit trugen Eichenzweige und mit Eichenlaub waren auch die Triumpfbögen und Thorfahrten geschmückt. Schonungslos waren alle umliegenden Wälder geplündert und verwüstet worden, um Paris für einen einzigen Tag einen schnell vergänglichen Schmuck zu leihen. Die drei jungen Männer in der schmutzigen Carmagnolentracht wühlten sich langsam weiter und weiter, bis es ihnen durch Geduld und Ausdauer allmählig gelang, an der Wasserseite gegenüber dem Pavillon der Flora und der Einheit auf der Terrasse einen etwas erhöhten Platz zu gewinnen, von dem aus sich einigermaßen die Festlichkeit übersehen ließ, welche sich vorbereitete. Sie erblickten das zum Zweck des Festes eigens erbaute Amphitheater, das sich bis hinan zum großen Balkon des ehemaligen Tuilerienpalastes hinzog und aus dessen Mitte eine hohe Rednerbühne emporragte. Vom Amphitheater führten Stufen bis herab zum großen runden Wasserbecken des Gartens, welches ganz überbrückt war, und in dessen Mitte statt der zertrümmerten Steinbildsäulen, die dasselbe früher geschmückt, eine allegorische Figurengruppe aufgestellt war, zusammen gezimmert und geleimt aus Holz und Pappendeckel, und von einem Theatermaler bunt angestrichen. Es zeigte sich die abschreckende Riesengestalt des Atheismus, getragen von der Ehrsucht, der Eigensucht, der Zwietracht und der falschen Einheit, und eine Inschrift verkündete, daß dies „die einzige Hoffnung des Auslandes“ darstelle und bedeute. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0132" n="128"/> griechischen Costümen, durch das die Sandalenbänder bis zu den Knieen sichtbar hindurchschienen, Kränze von Aehren und Kornblumen im Haar und Körbchen voll Blumen tragend, in den umfangreichen Garten; Frauen, mit Kindern beladen, denen beiderseits die Hitze des Junitages die unaussprechlichste Pein drohte, wallten stolz daher in einer Tracht, die Allem Hohn sprach, was jemals schön, kleidsam und anständig genannt ward. Es kamen Greise, anzusehen wie alte ausrangirte Theaterfiguranten in der Tracht, mit welcher die Wachsfigurenkabinette die Jünger Christi umhängen, die das Abendmahl feiern, mit schneeweißen Perrücken und abscheulichen Flachsbärten. Diese tugendhaften alten Gauner, aus der Volkshefe zur Darstellung der großartigen Farçe ausgewählt, trugen Degen in den Händen, um sie den Vertheidigern der Freiheit zu überreichen, sobald ihr Stichwort fallen würde. Diese Vertheidiger der Freiheit trugen Eichenzweige und mit Eichenlaub waren auch die Triumpfbögen und Thorfahrten geschmückt. Schonungslos waren alle umliegenden Wälder geplündert und verwüstet worden, um Paris für einen einzigen Tag einen schnell vergänglichen Schmuck zu leihen.</p> <p>Die drei jungen Männer in der schmutzigen Carmagnolentracht wühlten sich langsam weiter und weiter, bis es ihnen durch Geduld und Ausdauer allmählig gelang, an der Wasserseite gegenüber dem Pavillon der Flora und der Einheit auf der Terrasse einen etwas erhöhten Platz zu gewinnen, von dem aus sich einigermaßen die Festlichkeit übersehen ließ, welche sich vorbereitete. Sie erblickten das zum Zweck des Festes eigens erbaute Amphitheater, das sich bis hinan zum großen Balkon des ehemaligen Tuilerienpalastes hinzog und aus dessen Mitte eine hohe Rednerbühne emporragte. Vom Amphitheater führten Stufen bis herab zum großen runden Wasserbecken des Gartens, welches ganz überbrückt war, und in dessen Mitte statt der zertrümmerten Steinbildsäulen, die dasselbe früher geschmückt, eine allegorische Figurengruppe aufgestellt war, zusammen gezimmert und geleimt aus Holz und Pappendeckel, und von einem Theatermaler bunt angestrichen. Es zeigte sich die abschreckende Riesengestalt des Atheismus, getragen von der Ehrsucht, der Eigensucht, der Zwietracht und der falschen Einheit, und eine Inschrift verkündete, daß dies „die einzige Hoffnung des Auslandes“ darstelle und bedeute.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0132]
griechischen Costümen, durch das die Sandalenbänder bis zu den Knieen sichtbar hindurchschienen, Kränze von Aehren und Kornblumen im Haar und Körbchen voll Blumen tragend, in den umfangreichen Garten; Frauen, mit Kindern beladen, denen beiderseits die Hitze des Junitages die unaussprechlichste Pein drohte, wallten stolz daher in einer Tracht, die Allem Hohn sprach, was jemals schön, kleidsam und anständig genannt ward. Es kamen Greise, anzusehen wie alte ausrangirte Theaterfiguranten in der Tracht, mit welcher die Wachsfigurenkabinette die Jünger Christi umhängen, die das Abendmahl feiern, mit schneeweißen Perrücken und abscheulichen Flachsbärten. Diese tugendhaften alten Gauner, aus der Volkshefe zur Darstellung der großartigen Farçe ausgewählt, trugen Degen in den Händen, um sie den Vertheidigern der Freiheit zu überreichen, sobald ihr Stichwort fallen würde. Diese Vertheidiger der Freiheit trugen Eichenzweige und mit Eichenlaub waren auch die Triumpfbögen und Thorfahrten geschmückt. Schonungslos waren alle umliegenden Wälder geplündert und verwüstet worden, um Paris für einen einzigen Tag einen schnell vergänglichen Schmuck zu leihen.
Die drei jungen Männer in der schmutzigen Carmagnolentracht wühlten sich langsam weiter und weiter, bis es ihnen durch Geduld und Ausdauer allmählig gelang, an der Wasserseite gegenüber dem Pavillon der Flora und der Einheit auf der Terrasse einen etwas erhöhten Platz zu gewinnen, von dem aus sich einigermaßen die Festlichkeit übersehen ließ, welche sich vorbereitete. Sie erblickten das zum Zweck des Festes eigens erbaute Amphitheater, das sich bis hinan zum großen Balkon des ehemaligen Tuilerienpalastes hinzog und aus dessen Mitte eine hohe Rednerbühne emporragte. Vom Amphitheater führten Stufen bis herab zum großen runden Wasserbecken des Gartens, welches ganz überbrückt war, und in dessen Mitte statt der zertrümmerten Steinbildsäulen, die dasselbe früher geschmückt, eine allegorische Figurengruppe aufgestellt war, zusammen gezimmert und geleimt aus Holz und Pappendeckel, und von einem Theatermaler bunt angestrichen. Es zeigte sich die abschreckende Riesengestalt des Atheismus, getragen von der Ehrsucht, der Eigensucht, der Zwietracht und der falschen Einheit, und eine Inschrift verkündete, daß dies „die einzige Hoffnung des Auslandes“ darstelle und bedeute.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/132 |
Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/132>, abgerufen am 16.02.2025. |