Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Portugiesen Amboina, Tidor und Ternate; sie bahnte ihrem Handel den Weg in das verschlossene Japan und in das Küstenland von Malabar. Auf den Trümmern des eroberten und verbrannten Jakatra wurde von der Compagnie die Stadt Batavia gegründet und erbaut, Malakka und ein Theil Ceylons wurden ihr unterworfen, und zuletzt das Capland für Holland gewonnen. Bald nach der Gründung trug jedes Hundert holländischer Gulden fünfundsiebenzig Gulden Zins, bald aber standen die Actien der Compagnie zu vierhundertfünfundzwanzig Procent. Die Compagnie hat ihren Theilhabern im Ganzen bis jetzt zweihundert Millionen Gulden eingetragen; wer rechnen kann, weiß, was das sagen will, ich meine reinen Ertrag nach Abzug aller der ungeheuern Kosten für die Flotten, Mannschaften, Festungen, Soldaten, Beamten, Straßen, Kanäle, Werfte. Wir hatten eine goldene Zeit, sie ist vorüber. Die Compagnie ist ein Bild des irdischen Glückswechsels; als ich geboren ward, im Jahre siebenzehnhundertsiebenundvierzig, standen die Actien fast auf neunhundert, sie hatten aber im Jahre siebenzehnhundertzwanzig auf eintausendzweihundertundsechzig gestanden! Verstehen Sie, Herr Graf, eintausendzweihundertundsechzig Gulden trugen einhundert Gulden früher eingezahltes Kapital jährlich dem Inhaber dieser Actien ein; wer also eintausend Gulden in der Compagniebank stehen hatte, gewann jährlich einmalhundertundsechsundzwanzigtausend Gulden. Wenn doch die de la Tremouilleschen Renten nur ein Jahr lang so ständen; ich wollt' es Ihnen gönnen, Herr Graf! Aber es ging abwärts und immer rascher abwärts, schon von siebenzehnhundertfünfundzwanzig an. Wissen Sie, wie die Actien jetzt stehen? -- Gar nicht stehen sie, sie haben sich zu todt gefallen, wie der Vogel Kukuk im Volkssange. Im Jahre siebenzehnhundertachtzig hat die Compagnie von der Regierung acht Millionen Gulden geborgt -- sie sind ft! in die Luft -- kein Geld mehr da, Schiffe zu bauen, kein Geld mehr da, Waaren zu kaufen, nicht einmal Geld da, die Beamten in der Capstadt zu bezahlen! Adieu bon esperance! Wir haben Papiergeld gemacht, o pfui! Ich will nicht sagen, was ich in meinem Grimm mit dem ersten dieser Wische that, der mir in die Hand kam. Im Jahr siebenzehnhunderteinundachtzig hatten wir zwölf Millionen Schulden; vor zwei Jahren waren sie auf einhundertundsieben Millionen gestiegen. Jetzt muß die Compagnie Gott danken, daß der Staat ihre Länder und Flotten übernimmt, und auch ihre Schulden -- aber die Kaufmannschaft Portugiesen Amboina, Tidor und Ternate; sie bahnte ihrem Handel den Weg in das verschlossene Japan und in das Küstenland von Malabar. Auf den Trümmern des eroberten und verbrannten Jakatra wurde von der Compagnie die Stadt Batavia gegründet und erbaut, Malakka und ein Theil Ceylons wurden ihr unterworfen, und zuletzt das Capland für Holland gewonnen. Bald nach der Gründung trug jedes Hundert holländischer Gulden fünfundsiebenzig Gulden Zins, bald aber standen die Actien der Compagnie zu vierhundertfünfundzwanzig Procent. Die Compagnie hat ihren Theilhabern im Ganzen bis jetzt zweihundert Millionen Gulden eingetragen; wer rechnen kann, weiß, was das sagen will, ich meine reinen Ertrag nach Abzug aller der ungeheuern Kosten für die Flotten, Mannschaften, Festungen, Soldaten, Beamten, Straßen, Kanäle, Werfte. Wir hatten eine goldene Zeit, sie ist vorüber. Die Compagnie ist ein Bild des irdischen Glückswechsels; als ich geboren ward, im Jahre siebenzehnhundertsiebenundvierzig, standen die Actien fast auf neunhundert, sie hatten aber im Jahre siebenzehnhundertzwanzig auf eintausendzweihundertundsechzig gestanden! Verstehen Sie, Herr Graf, eintausendzweihundertundsechzig Gulden trugen einhundert Gulden früher eingezahltes Kapital jährlich dem Inhaber dieser Actien ein; wer also eintausend Gulden in der Compagniebank stehen hatte, gewann jährlich einmalhundertundsechsundzwanzigtausend Gulden. Wenn doch die de la Tremouilleschen Renten nur ein Jahr lang so ständen; ich wollt’ es Ihnen gönnen, Herr Graf! Aber es ging abwärts und immer rascher abwärts, schon von siebenzehnhundertfünfundzwanzig an. Wissen Sie, wie die Actien jetzt stehen? — Gar nicht stehen sie, sie haben sich zu todt gefallen, wie der Vogel Kukuk im Volkssange. Im Jahre siebenzehnhundertachtzig hat die Compagnie von der Regierung acht Millionen Gulden geborgt — sie sind ft! in die Luft — kein Geld mehr da, Schiffe zu bauen, kein Geld mehr da, Waaren zu kaufen, nicht einmal Geld da, die Beamten in der Capstadt zu bezahlen! Adieu bon esperançe! Wir haben Papiergeld gemacht, o pfui! Ich will nicht sagen, was ich in meinem Grimm mit dem ersten dieser Wische that, der mir in die Hand kam. Im Jahr siebenzehnhunderteinundachtzig hatten wir zwölf Millionen Schulden; vor zwei Jahren waren sie auf einhundertundsieben Millionen gestiegen. Jetzt muß die Compagnie Gott danken, daß der Staat ihre Länder und Flotten übernimmt, und auch ihre Schulden — aber die Kaufmannschaft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0115" n="111"/> Portugiesen Amboina, Tidor und Ternate; sie bahnte ihrem Handel den Weg in das verschlossene Japan und in das Küstenland von Malabar. Auf den Trümmern des eroberten und verbrannten Jakatra wurde von der Compagnie die Stadt Batavia gegründet und erbaut, Malakka und ein Theil Ceylons wurden ihr unterworfen, und zuletzt das Capland für Holland gewonnen. Bald nach der Gründung trug jedes Hundert holländischer Gulden fünfundsiebenzig Gulden Zins, bald aber standen die Actien der Compagnie zu vierhundertfünfundzwanzig Procent.</p> <p>Die Compagnie hat ihren Theilhabern im Ganzen bis jetzt zweihundert Millionen Gulden eingetragen; wer rechnen kann, weiß, was das sagen will, ich meine reinen Ertrag nach Abzug aller der ungeheuern Kosten für die Flotten, Mannschaften, Festungen, Soldaten, Beamten, Straßen, Kanäle, Werfte. Wir hatten eine goldene Zeit, sie ist vorüber. Die Compagnie ist ein Bild des irdischen Glückswechsels; als ich geboren ward, im Jahre siebenzehnhundertsiebenundvierzig, standen die Actien fast auf neunhundert, sie hatten aber im Jahre siebenzehnhundertzwanzig auf eintausendzweihundertundsechzig gestanden! Verstehen Sie, Herr Graf, eintausendzweihundertundsechzig Gulden trugen einhundert Gulden früher eingezahltes Kapital jährlich dem Inhaber dieser Actien ein; wer also eintausend Gulden in der Compagniebank stehen hatte, gewann jährlich einmalhundertundsechsundzwanzigtausend Gulden. Wenn doch die de la Tremouilleschen Renten nur ein Jahr lang so ständen; ich wollt’ es Ihnen gönnen, Herr Graf! Aber es ging abwärts und immer rascher abwärts, schon von siebenzehnhundertfünfundzwanzig an. Wissen Sie, wie die Actien jetzt stehen? — Gar nicht stehen sie, sie haben sich zu todt gefallen, wie der Vogel Kukuk im Volkssange. Im Jahre siebenzehnhundertachtzig hat die Compagnie von der Regierung acht Millionen Gulden geborgt — sie sind ft! in die Luft — kein Geld mehr da, Schiffe zu bauen, kein Geld mehr da, Waaren zu kaufen, nicht einmal Geld da, die Beamten in der Capstadt zu bezahlen! <hi rendition="#aq">Adieu bon esperançe!</hi> Wir haben Papiergeld gemacht, o pfui! Ich will nicht sagen, was ich in meinem Grimm mit dem ersten dieser Wische that, der mir in die Hand kam. Im Jahr siebenzehnhunderteinundachtzig hatten wir zwölf Millionen Schulden; vor zwei Jahren waren sie auf einhundertundsieben Millionen gestiegen. Jetzt muß die Compagnie Gott danken, daß der Staat ihre Länder und Flotten übernimmt, und auch ihre Schulden — aber die Kaufmannschaft </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0115]
Portugiesen Amboina, Tidor und Ternate; sie bahnte ihrem Handel den Weg in das verschlossene Japan und in das Küstenland von Malabar. Auf den Trümmern des eroberten und verbrannten Jakatra wurde von der Compagnie die Stadt Batavia gegründet und erbaut, Malakka und ein Theil Ceylons wurden ihr unterworfen, und zuletzt das Capland für Holland gewonnen. Bald nach der Gründung trug jedes Hundert holländischer Gulden fünfundsiebenzig Gulden Zins, bald aber standen die Actien der Compagnie zu vierhundertfünfundzwanzig Procent.
Die Compagnie hat ihren Theilhabern im Ganzen bis jetzt zweihundert Millionen Gulden eingetragen; wer rechnen kann, weiß, was das sagen will, ich meine reinen Ertrag nach Abzug aller der ungeheuern Kosten für die Flotten, Mannschaften, Festungen, Soldaten, Beamten, Straßen, Kanäle, Werfte. Wir hatten eine goldene Zeit, sie ist vorüber. Die Compagnie ist ein Bild des irdischen Glückswechsels; als ich geboren ward, im Jahre siebenzehnhundertsiebenundvierzig, standen die Actien fast auf neunhundert, sie hatten aber im Jahre siebenzehnhundertzwanzig auf eintausendzweihundertundsechzig gestanden! Verstehen Sie, Herr Graf, eintausendzweihundertundsechzig Gulden trugen einhundert Gulden früher eingezahltes Kapital jährlich dem Inhaber dieser Actien ein; wer also eintausend Gulden in der Compagniebank stehen hatte, gewann jährlich einmalhundertundsechsundzwanzigtausend Gulden. Wenn doch die de la Tremouilleschen Renten nur ein Jahr lang so ständen; ich wollt’ es Ihnen gönnen, Herr Graf! Aber es ging abwärts und immer rascher abwärts, schon von siebenzehnhundertfünfundzwanzig an. Wissen Sie, wie die Actien jetzt stehen? — Gar nicht stehen sie, sie haben sich zu todt gefallen, wie der Vogel Kukuk im Volkssange. Im Jahre siebenzehnhundertachtzig hat die Compagnie von der Regierung acht Millionen Gulden geborgt — sie sind ft! in die Luft — kein Geld mehr da, Schiffe zu bauen, kein Geld mehr da, Waaren zu kaufen, nicht einmal Geld da, die Beamten in der Capstadt zu bezahlen! Adieu bon esperançe! Wir haben Papiergeld gemacht, o pfui! Ich will nicht sagen, was ich in meinem Grimm mit dem ersten dieser Wische that, der mir in die Hand kam. Im Jahr siebenzehnhunderteinundachtzig hatten wir zwölf Millionen Schulden; vor zwei Jahren waren sie auf einhundertundsieben Millionen gestiegen. Jetzt muß die Compagnie Gott danken, daß der Staat ihre Länder und Flotten übernimmt, und auch ihre Schulden — aber die Kaufmannschaft
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/115 |
Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/115>, abgerufen am 16.02.2025. |