Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.bürgt mir dafür, daß Sie es in Ihrer Brust begraben sein lassen. Ich spreche mich aus gegen Sie, weil Sie der Freund meines Leonardus, meines einzigen Sohnes sind. Mein Sohn birgt mir ein Geheimniß, ich weiß es. Er will nicht eingehen in meine Pläne, die nur sein Glück begründen wollen; er ist mein einziger Sohn; nur eine reiche Heirath kann seine Zukunft golden machen, denn mit mir geht meines Hauses Glück und Glanz zu Ende. Unglaublich! flüsterte Ludwig. Diese ringsum sichtbare verschwenderische Pracht! Scheiterten Ihnen Schiffe? Fallirten Ihnen bedeutende Häuser? Ich spreche es noch einmal aus, versetzte Adrianus: was will das Bischen Flitter sagen? Kein Schiff scheiterte mir, kein Freund fallirte zu meinem Schaden, aber ein Haus, ein altes ruhmreiches Haus, in dem all mein Vermögen ruht, das wankt, das bricht, das kommt zu einem entsetzlichen Fall. Und dieses Haus? fragte Ludwig, erschreckt durch des alten Mannes Erschütterung. Dieses Haus, Herr Graf -- flüsterte der Alte, nur leise hauchend: -- ist die holländisch-ostindische Compagnie! Wie wäre das möglich? fragte Ludwig. Oh, mein guter gnädiger junger Herr! erwiederte Adrianus fast erschöpft: Sie können noch nicht rechnen, haben's ja selbst gesagt -- ein großer Fehler -- ein Rechnungsfehler! Will Ihnen ein Exempelchen vorrechnen, ist leicht, ist faßlich -- aus den vier Species, reine Subtraction! Mein Vater, Leonardus, wie sein Enkel geheißen, hinterließ mir und meinen Geschwistern Petrus und Adriana ein schönes Vermögen. Die Geschwister verheiratheten sich, ich theilte mit ihnen ab und behielt das Geschäft. Schon unsere Vorfahren hatten die holländisch-ostindische Compagnie begründen helfen im Beginne des vorigen Jahrhunderts, ihr Vermögen bestand in den Antheilen, und mehrte sich reichlichst. Unsere Flagge wehte auf allen Meeren, unsere Handelsflotten beherrschten dieselben, und aus eigenen Mitteln führte die Compagnie ihre Kriege mit den Flotten der Portugiesen, der Spanier, der Franzosen und der Engländer; große Strecken Indiens eroberte sie und schrieb dem Weltmarkt Gesetze vor. Die Compagnie nahm den bürgt mir dafür, daß Sie es in Ihrer Brust begraben sein lassen. Ich spreche mich aus gegen Sie, weil Sie der Freund meines Leonardus, meines einzigen Sohnes sind. Mein Sohn birgt mir ein Geheimniß, ich weiß es. Er will nicht eingehen in meine Pläne, die nur sein Glück begründen wollen; er ist mein einziger Sohn; nur eine reiche Heirath kann seine Zukunft golden machen, denn mit mir geht meines Hauses Glück und Glanz zu Ende. Unglaublich! flüsterte Ludwig. Diese ringsum sichtbare verschwenderische Pracht! Scheiterten Ihnen Schiffe? Fallirten Ihnen bedeutende Häuser? Ich spreche es noch einmal aus, versetzte Adrianus: was will das Bischen Flitter sagen? Kein Schiff scheiterte mir, kein Freund fallirte zu meinem Schaden, aber ein Haus, ein altes ruhmreiches Haus, in dem all mein Vermögen ruht, das wankt, das bricht, das kommt zu einem entsetzlichen Fall. Und dieses Haus? fragte Ludwig, erschreckt durch des alten Mannes Erschütterung. Dieses Haus, Herr Graf — flüsterte der Alte, nur leise hauchend: — ist die holländisch-ostindische Compagnie! Wie wäre das möglich? fragte Ludwig. Oh, mein guter gnädiger junger Herr! erwiederte Adrianus fast erschöpft: Sie können noch nicht rechnen, haben’s ja selbst gesagt — ein großer Fehler — ein Rechnungsfehler! Will Ihnen ein Exempelchen vorrechnen, ist leicht, ist faßlich — aus den vier Species, reine Subtraction! Mein Vater, Leonardus, wie sein Enkel geheißen, hinterließ mir und meinen Geschwistern Petrus und Adriana ein schönes Vermögen. Die Geschwister verheiratheten sich, ich theilte mit ihnen ab und behielt das Geschäft. Schon unsere Vorfahren hatten die holländisch-ostindische Compagnie begründen helfen im Beginne des vorigen Jahrhunderts, ihr Vermögen bestand in den Antheilen, und mehrte sich reichlichst. Unsere Flagge wehte auf allen Meeren, unsere Handelsflotten beherrschten dieselben, und aus eigenen Mitteln führte die Compagnie ihre Kriege mit den Flotten der Portugiesen, der Spanier, der Franzosen und der Engländer; große Strecken Indiens eroberte sie und schrieb dem Weltmarkt Gesetze vor. Die Compagnie nahm den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0114" n="110"/> bürgt mir dafür, daß Sie es in Ihrer Brust begraben sein lassen. Ich spreche mich aus gegen Sie, weil Sie der Freund meines Leonardus, meines einzigen Sohnes sind. Mein Sohn birgt mir ein Geheimniß, ich weiß es. Er will nicht eingehen in meine Pläne, die nur sein Glück begründen wollen; er ist mein einziger Sohn; nur eine reiche Heirath kann seine Zukunft golden machen, denn mit mir geht meines Hauses Glück und Glanz zu Ende.</p> <p>Unglaublich! flüsterte Ludwig. Diese ringsum sichtbare verschwenderische Pracht! Scheiterten Ihnen Schiffe? Fallirten Ihnen bedeutende Häuser?</p> <p>Ich spreche es noch einmal aus, versetzte Adrianus: was will das Bischen Flitter sagen? Kein Schiff scheiterte mir, kein Freund fallirte zu meinem Schaden, aber ein Haus, ein altes ruhmreiches Haus, in dem all mein Vermögen ruht, das wankt, das bricht, das kommt zu einem entsetzlichen Fall.</p> <p>Und dieses Haus? fragte Ludwig, erschreckt durch des alten Mannes Erschütterung.</p> <p>Dieses Haus, Herr Graf — flüsterte der Alte, nur leise hauchend: — ist die holländisch-ostindische Compagnie!</p> <p>Wie wäre das möglich? fragte Ludwig.</p> <p>Oh, mein guter gnädiger junger Herr! erwiederte Adrianus fast erschöpft: Sie können noch nicht rechnen, haben’s ja selbst gesagt — ein großer Fehler — ein Rechnungsfehler! Will Ihnen ein Exempelchen vorrechnen, ist leicht, ist faßlich — aus den vier Species, reine Subtraction!</p> <p>Mein Vater, Leonardus, wie sein Enkel geheißen, hinterließ mir und meinen Geschwistern Petrus und Adriana ein schönes Vermögen. Die Geschwister verheiratheten sich, ich theilte mit ihnen ab und behielt das Geschäft. Schon unsere Vorfahren hatten die holländisch-ostindische Compagnie begründen helfen im Beginne des vorigen Jahrhunderts, ihr Vermögen bestand in den Antheilen, und mehrte sich reichlichst. Unsere Flagge wehte auf allen Meeren, unsere Handelsflotten beherrschten dieselben, und aus eigenen Mitteln führte die Compagnie ihre Kriege mit den Flotten der Portugiesen, der Spanier, der Franzosen und der Engländer; große Strecken Indiens eroberte sie und schrieb dem Weltmarkt Gesetze vor. Die Compagnie nahm den </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0114]
bürgt mir dafür, daß Sie es in Ihrer Brust begraben sein lassen. Ich spreche mich aus gegen Sie, weil Sie der Freund meines Leonardus, meines einzigen Sohnes sind. Mein Sohn birgt mir ein Geheimniß, ich weiß es. Er will nicht eingehen in meine Pläne, die nur sein Glück begründen wollen; er ist mein einziger Sohn; nur eine reiche Heirath kann seine Zukunft golden machen, denn mit mir geht meines Hauses Glück und Glanz zu Ende.
Unglaublich! flüsterte Ludwig. Diese ringsum sichtbare verschwenderische Pracht! Scheiterten Ihnen Schiffe? Fallirten Ihnen bedeutende Häuser?
Ich spreche es noch einmal aus, versetzte Adrianus: was will das Bischen Flitter sagen? Kein Schiff scheiterte mir, kein Freund fallirte zu meinem Schaden, aber ein Haus, ein altes ruhmreiches Haus, in dem all mein Vermögen ruht, das wankt, das bricht, das kommt zu einem entsetzlichen Fall.
Und dieses Haus? fragte Ludwig, erschreckt durch des alten Mannes Erschütterung.
Dieses Haus, Herr Graf — flüsterte der Alte, nur leise hauchend: — ist die holländisch-ostindische Compagnie!
Wie wäre das möglich? fragte Ludwig.
Oh, mein guter gnädiger junger Herr! erwiederte Adrianus fast erschöpft: Sie können noch nicht rechnen, haben’s ja selbst gesagt — ein großer Fehler — ein Rechnungsfehler! Will Ihnen ein Exempelchen vorrechnen, ist leicht, ist faßlich — aus den vier Species, reine Subtraction!
Mein Vater, Leonardus, wie sein Enkel geheißen, hinterließ mir und meinen Geschwistern Petrus und Adriana ein schönes Vermögen. Die Geschwister verheiratheten sich, ich theilte mit ihnen ab und behielt das Geschäft. Schon unsere Vorfahren hatten die holländisch-ostindische Compagnie begründen helfen im Beginne des vorigen Jahrhunderts, ihr Vermögen bestand in den Antheilen, und mehrte sich reichlichst. Unsere Flagge wehte auf allen Meeren, unsere Handelsflotten beherrschten dieselben, und aus eigenen Mitteln führte die Compagnie ihre Kriege mit den Flotten der Portugiesen, der Spanier, der Franzosen und der Engländer; große Strecken Indiens eroberte sie und schrieb dem Weltmarkt Gesetze vor. Die Compagnie nahm den
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/114>, abgerufen am 16.02.2025. |