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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Nach einer Weile, während der Kauf- und Handelsherr noch mancherlei für sich nach Art alter Leute gemurmelt, nahm er das Wort: Hören Sie mir jetzt aufmerksam zu, mein junger Herr Graf. Die von der Frau Reichsgräfin Excellenz, Ihrer Großmutter, bei dem Stadthause zu Paris belegten zweihundertfünfundfünfzigtausend Livres gehören zu den immerwährenden Renten, welche in den Jahren siebzehnhundertzwanzig und einundzwanzig begründet, und vorzugsweise vor andern Staatsschulden Frankreichs dahin privilegirt wurden, daß die Verzinsung bei denselben Kassen nach wie vor bleibe und daran keine Kürzung geschehen könne. Nur bei Veräußerungsfällen wird der Zinsbetrag eines Jahres in Abzug gebracht.

Die Kapitalsumme solcher ewigen Renten, die bei dem Stadthaus zu Paris angelegt ist, beträgt fünfundzwanzig Millionen Livres, die Kapitalsumme der später geschaffenen Leibrenten, rentes viageres, aber nur vier Millionen, welche durch die Theilhaber an den fünfundzwanzig Millionen bald verschlungen sein würden, wenn der unglückliche Hof und die zahlreichen herzoglichen und prinzlichen Familien Frankreichs im Stande gewesen wären, ihre angelegten Kapitale flüssig zu machen und außer Landes zu führen. Wie wenig die dermalige grenzenlos und bodenlos tolle Wirthschaft in Frankreich die Besitzthümer der französischen Aristokratie achtet, ist bekannt. Sie wird zum Beispiel nicht Gelder in Schutz nehmen, an welchen Seine Hoheit der Herzog von la Tremouille, Prinz von Tarent und Talmont, Theil hat, der gegen die gottheillose Republik ruhmreich die Waffen trägt; wie sie es hält mit den Geldansprüchen auswärtiger Souveräne, ist mir noch nicht bekannt. -- Meine Großmutter ist auch königlich dänische Gräfin, warf Ludwig ein, dessen Aussichten sich merklich verdüsterten; aber der alte van der Valck entgegnete: Frankreich hat allen europäischen Souveränen den Krieg erklärt, folglich auch der Krone Dänemark, und diese kann kein Schutzrecht üben, denn sie hat die Republik nicht anerkannt und hat keinen Gesandten in Paris. Es steht überhaupt ziemlich mißlich mit diesen Geldern, fuhr er fort; nur geordnete Zustände taugen für den Gang der Geschäfte. Eine Revolution, die sinn- und zügellos alle Banden sprengt, die, indem sie das Staatsleben läutern will, den Staat in das tiefste Unglück stürzt, ist nicht fähig, auch nur die mindeste Bürgschaft für etwas Anderes zu

Nach einer Weile, während der Kauf- und Handelsherr noch mancherlei für sich nach Art alter Leute gemurmelt, nahm er das Wort: Hören Sie mir jetzt aufmerksam zu, mein junger Herr Graf. Die von der Frau Reichsgräfin Excellenz, Ihrer Großmutter, bei dem Stadthause zu Paris belegten zweihundertfünfundfünfzigtausend Livres gehören zu den immerwährenden Renten, welche in den Jahren siebzehnhundertzwanzig und einundzwanzig begründet, und vorzugsweise vor andern Staatsschulden Frankreichs dahin privilegirt wurden, daß die Verzinsung bei denselben Kassen nach wie vor bleibe und daran keine Kürzung geschehen könne. Nur bei Veräußerungsfällen wird der Zinsbetrag eines Jahres in Abzug gebracht.

Die Kapitalsumme solcher ewigen Renten, die bei dem Stadthaus zu Paris angelegt ist, beträgt fünfundzwanzig Millionen Livres, die Kapitalsumme der später geschaffenen Leibrenten, rentes viagères, aber nur vier Millionen, welche durch die Theilhaber an den fünfundzwanzig Millionen bald verschlungen sein würden, wenn der unglückliche Hof und die zahlreichen herzoglichen und prinzlichen Familien Frankreichs im Stande gewesen wären, ihre angelegten Kapitale flüssig zu machen und außer Landes zu führen. Wie wenig die dermalige grenzenlos und bodenlos tolle Wirthschaft in Frankreich die Besitzthümer der französischen Aristokratie achtet, ist bekannt. Sie wird zum Beispiel nicht Gelder in Schutz nehmen, an welchen Seine Hoheit der Herzog von la Tremouille, Prinz von Tarent und Talmont, Theil hat, der gegen die gottheillose Republik ruhmreich die Waffen trägt; wie sie es hält mit den Geldansprüchen auswärtiger Souveräne, ist mir noch nicht bekannt. — Meine Großmutter ist auch königlich dänische Gräfin, warf Ludwig ein, dessen Aussichten sich merklich verdüsterten; aber der alte van der Valck entgegnete: Frankreich hat allen europäischen Souveränen den Krieg erklärt, folglich auch der Krone Dänemark, und diese kann kein Schutzrecht üben, denn sie hat die Republik nicht anerkannt und hat keinen Gesandten in Paris. Es steht überhaupt ziemlich mißlich mit diesen Geldern, fuhr er fort; nur geordnete Zustände taugen für den Gang der Geschäfte. Eine Revolution, die sinn- und zügellos alle Banden sprengt, die, indem sie das Staatsleben läutern will, den Staat in das tiefste Unglück stürzt, ist nicht fähig, auch nur die mindeste Bürgschaft für etwas Anderes zu

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[101/0105] Nach einer Weile, während der Kauf- und Handelsherr noch mancherlei für sich nach Art alter Leute gemurmelt, nahm er das Wort: Hören Sie mir jetzt aufmerksam zu, mein junger Herr Graf. Die von der Frau Reichsgräfin Excellenz, Ihrer Großmutter, bei dem Stadthause zu Paris belegten zweihundertfünfundfünfzigtausend Livres gehören zu den immerwährenden Renten, welche in den Jahren siebzehnhundertzwanzig und einundzwanzig begründet, und vorzugsweise vor andern Staatsschulden Frankreichs dahin privilegirt wurden, daß die Verzinsung bei denselben Kassen nach wie vor bleibe und daran keine Kürzung geschehen könne. Nur bei Veräußerungsfällen wird der Zinsbetrag eines Jahres in Abzug gebracht. Die Kapitalsumme solcher ewigen Renten, die bei dem Stadthaus zu Paris angelegt ist, beträgt fünfundzwanzig Millionen Livres, die Kapitalsumme der später geschaffenen Leibrenten, rentes viagères, aber nur vier Millionen, welche durch die Theilhaber an den fünfundzwanzig Millionen bald verschlungen sein würden, wenn der unglückliche Hof und die zahlreichen herzoglichen und prinzlichen Familien Frankreichs im Stande gewesen wären, ihre angelegten Kapitale flüssig zu machen und außer Landes zu führen. Wie wenig die dermalige grenzenlos und bodenlos tolle Wirthschaft in Frankreich die Besitzthümer der französischen Aristokratie achtet, ist bekannt. Sie wird zum Beispiel nicht Gelder in Schutz nehmen, an welchen Seine Hoheit der Herzog von la Tremouille, Prinz von Tarent und Talmont, Theil hat, der gegen die gottheillose Republik ruhmreich die Waffen trägt; wie sie es hält mit den Geldansprüchen auswärtiger Souveräne, ist mir noch nicht bekannt. — Meine Großmutter ist auch königlich dänische Gräfin, warf Ludwig ein, dessen Aussichten sich merklich verdüsterten; aber der alte van der Valck entgegnete: Frankreich hat allen europäischen Souveränen den Krieg erklärt, folglich auch der Krone Dänemark, und diese kann kein Schutzrecht üben, denn sie hat die Republik nicht anerkannt und hat keinen Gesandten in Paris. Es steht überhaupt ziemlich mißlich mit diesen Geldern, fuhr er fort; nur geordnete Zustände taugen für den Gang der Geschäfte. Eine Revolution, die sinn- und zügellos alle Banden sprengt, die, indem sie das Staatsleben läutern will, den Staat in das tiefste Unglück stürzt, ist nicht fähig, auch nur die mindeste Bürgschaft für etwas Anderes zu

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/105>, abgerufen am 22.11.2024.