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Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

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Psychosophia.
dahingegen alle andere Propheten etwas unge-
reimtes haben/ so der Seel zuwider.

51. Phil. Warum seynd aber die Christen un-
ter einander so uneinig?

Psych. Aus dreyerley Ursachen. Erstlich/ wegen
Ehrsucht ihres Herkommens/ und welche
Kirch über die andere/ die Römische über die Grie-
chische/ oder diese über jene herrschen soll. Zwey-
tens/ wegen der Person/ Gott und Mensch-
heit Christi/
auch beyder Verlündnüß. Drit-
tens/ wegen der Lehr Christi/ welcher jeder
Theil nach seinem Sinn/ fleischlicher Vernunfft/
Affecten und Nutzen etwas beysetzen und anhän-
gen will/ also daß sie mehr eine Menschensatzung
und Meynung/ als Christi Lehr gegenwärtig ist/
darauf dann auch das Leben folget.

52. Phil. Wie haben dann die Christen in der ersten
Kirchen gelebt/ da sie noch gantz rein und
einfältig war?

Psych. Sie haben zwar in dem Leibe gelebt/ wie
andere Menschen/ und dessen so viel gewartet/ daß
die Seel darinnen ihre ruhige Wohnstatt finden/
nemlich eben leben können/ derentwegen überflüs-
siges Essen/ Trincken/ Kleider/ alles auf ein Seit
gesetzt/ und nur so viel gebraucht/ als in aller Ein-
falt die Lebens Nothdurfft gefordert/ nemlich/ ein
nüchternes Leben.

Weil sie gewust/ daß ihr Leib sterblich/ und die
Seel daraus scheiden müsse/ haben sie alle zeitliche

Güter

Pſychoſophia.
dahingegen alle andere Propheten etwas unge-
reimtes haben/ ſo der Seel zuwider.

51. Phil. Warum ſeynd aber die Chriſten un-
ter einander ſo uneinig?

Pſych. Aus dreyerley Urſachen. Erſtlich/ wegen
Ehrſucht ihres Herkommens/ und welche
Kirch uͤber die andere/ die Roͤmiſche uͤber die Grie-
chiſche/ oder dieſe uͤber jene herrſchen ſoll. Zwey-
tens/ wegen der Perſon/ Gott uñ Menſch-
heit Chriſti/
auch beyder Verluͤndnuͤß. Drit-
tens/ wegen der Lehr Chriſti/ welcher jeder
Theil nach ſeinem Sinn/ fleiſchlicher Vernunfft/
Affecten und Nutzen etwas beyſetzen und anhaͤn-
gen will/ alſo daß ſie mehr eine Menſchenſatzung
und Meynung/ als Chriſti Lehr gegenwaͤrtig iſt/
darauf dann auch das Leben folget.

52. Phil. Wie haben dann die Chriſten in der erſten
Kirchen gelebt/ da ſie noch gantz rein und
einfaͤltig war?

Pſych. Sie haben zwar in dem Leibe gelebt/ wie
andere Menſchen/ und deſſen ſo viel gewartet/ daß
die Seel darinnen ihre ruhige Wohnſtatt finden/
nemlich eben leben koͤnnen/ derentwegen uͤberfluͤſ-
ſiges Eſſen/ Trincken/ Kleider/ alles auf ein Seit
geſetzt/ und nur ſo viel gebraucht/ als in aller Ein-
falt die Lebens Nothdurfft gefordert/ nemlich/ ein
nuͤchternes Leben.

Weil ſie gewuſt/ daß ihr Leib ſterblich/ und die
Seel daraus ſcheiden muͤſſe/ haben ſie alle zeitliche

Guͤter
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[36/0094] Pſychoſophia. dahingegen alle andere Propheten etwas unge- reimtes haben/ ſo der Seel zuwider. 51. Phil. Warum ſeynd aber die Chriſten un- ter einander ſo uneinig? Pſych. Aus dreyerley Urſachen. Erſtlich/ wegen Ehrſucht ihres Herkommens/ und welche Kirch uͤber die andere/ die Roͤmiſche uͤber die Grie- chiſche/ oder dieſe uͤber jene herrſchen ſoll. Zwey- tens/ wegen der Perſon/ Gott uñ Menſch- heit Chriſti/ auch beyder Verluͤndnuͤß. Drit- tens/ wegen der Lehr Chriſti/ welcher jeder Theil nach ſeinem Sinn/ fleiſchlicher Vernunfft/ Affecten und Nutzen etwas beyſetzen und anhaͤn- gen will/ alſo daß ſie mehr eine Menſchenſatzung und Meynung/ als Chriſti Lehr gegenwaͤrtig iſt/ darauf dann auch das Leben folget. 52. Phil. Wie haben dann die Chriſten in der erſten Kirchen gelebt/ da ſie noch gantz rein und einfaͤltig war? Pſych. Sie haben zwar in dem Leibe gelebt/ wie andere Menſchen/ und deſſen ſo viel gewartet/ daß die Seel darinnen ihre ruhige Wohnſtatt finden/ nemlich eben leben koͤnnen/ derentwegen uͤberfluͤſ- ſiges Eſſen/ Trincken/ Kleider/ alles auf ein Seit geſetzt/ und nur ſo viel gebraucht/ als in aller Ein- falt die Lebens Nothdurfft gefordert/ nemlich/ ein nuͤchternes Leben. Weil ſie gewuſt/ daß ihr Leib ſterblich/ und die Seel daraus ſcheiden muͤſſe/ haben ſie alle zeitliche Guͤter

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Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/94>, abgerufen am 28.11.2024.