Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

Bild:
<< vorherige Seite
Psychosophia.
21. Phil. Wie verstehet die Seel?

Psych. Auf zweyerley Weise/ durch die Beschau-
ung oder Offenbahrung/ und durch die Sinnen
oder Gegeneinanderhaltung/ so ratiocinatio, oder
Vernünfftlengenennet wird.

22. Phil. Was ist vor ein Unterscheid zwischen dem
Verstehen aus der Vernunfft/ und dem Ver-
stehen aus der Beschauung.

Psych. Was die Seel durch die Vernunfft ver-
stehen will/ das muß ihr erst durch die äusserliche
Sinnen vorgestellet werden/ alsdann gehen die
dargestellete Objecta dardurch in den Sinn/ von
dannen in den ätherischen Geist/ und innerliche
Sinnen/ darinnen überleget und hält die Seel
eines gegen das ander/ und unterscheidet eins von
dem andern/ daraus machet sie distinctiones, de-
finitiones, axiomata
und Schlüsse/ also/ daß das
Verstehen durch die Vernunfft anders nichts ist/
als eine Fürstellung der Objecten durch die äus-
serliche Sinnen in die innerliche/ und eine Gegen-
einanderhaltung der vorgestellten Sachen/ derer
darauf er folgter Unterscheid und geschöpffte Be-
schreibung. Was aber die Seel durch die Be-
schauung oder Offenbahrung verstehet/ das ge-
schicht durch einfältige Vorstellung in der Seelen
selbst/ ohne ratification, oder Gegeneinanderhal-
tung/ als in einem Spiegel/ da sie die Sachen sie-
het/ wie sie an sich selbsten seyn/ bereits unterschie-

den
Pſychoſophia.
21. Phil. Wie verſtehet die Seel?

Pſych. Auf zweyerley Weiſe/ durch die Beſchau-
ung oder Offenbahrung/ und durch die Sinnen
oder Gegeneinanderhaltung/ ſo ratiocinatio, oder
Vernuͤnfftlengenennet wird.

22. Phil. Was iſt vor ein Unterſcheid zwiſchen dem
Verſtehen aus der Vernunfft/ und dem Ver-
ſtehen aus der Beſchauung.

Pſych. Was die Seel durch die Vernunfft ver-
ſtehen will/ das muß ihr erſt durch die aͤuſſerliche
Sinnen vorgeſtellet werden/ alsdann gehen die
dargeſtellete Objecta dardurch in den Sinn/ von
dannen in den aͤtheriſchen Geiſt/ und innerliche
Sinnen/ darinnen uͤberleget und haͤlt die Seel
eines gegen das ander/ und unterſcheidet eins von
dem andern/ daraus machet ſie diſtinctiones, de-
finitiones, axiomata
und Schluͤſſe/ alſo/ daß das
Verſtehen durch die Vernunfft anders nichts iſt/
als eine Fuͤrſtellung der Objecten durch die aͤuſ-
ſerliche Sinnen in die innerliche/ und eine Gegen-
einanderhaltung der vorgeſtellten Sachen/ derer
darauf er folgter Unterſcheid und geſchoͤpffte Be-
ſchreibung. Was aber die Seel durch die Be-
ſchauung oder Offenbahrung verſtehet/ das ge-
ſchicht durch einfaͤltige Vorſtellung in der Seelen
ſelbſt/ ohne ratification, oder Gegeneinanderhal-
tung/ als in einem Spiegel/ da ſie die Sachen ſie-
het/ wie ſie an ſich ſelbſten ſeyn/ bereits unterſchie-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0070" n="12"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq">P&#x017F;ycho&#x017F;ophia.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>21. <hi rendition="#aq">Phil.</hi> Wie ver&#x017F;tehet die Seel?</head><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">P&#x017F;ych.</hi> Auf zweyerley Wei&#x017F;e/ durch die Be&#x017F;chau-<lb/>
ung oder Offenbahrung/ und durch die Sinnen<lb/>
oder Gegeneinanderhaltung/ &#x017F;o <hi rendition="#aq">ratiocinatio,</hi> oder<lb/>
Vernu&#x0364;nfftlengenennet wird.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>22. <hi rendition="#aq">Phil.</hi> Was i&#x017F;t vor ein Unter&#x017F;cheid zwi&#x017F;chen dem<lb/>
Ver&#x017F;tehen aus der Vernunfft/ und dem Ver-<lb/>
&#x017F;tehen aus der Be&#x017F;chauung.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">P&#x017F;ych.</hi> Was die Seel durch die Vernunfft ver-<lb/>
&#x017F;tehen will/ das muß ihr er&#x017F;t durch die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche<lb/>
Sinnen vorge&#x017F;tellet werden/ alsdann gehen die<lb/>
darge&#x017F;tellete <hi rendition="#aq">Objecta</hi> dardurch in den Sinn/ von<lb/>
dannen in den a&#x0364;theri&#x017F;chen Gei&#x017F;t/ und innerliche<lb/>
Sinnen/ darinnen u&#x0364;berleget und ha&#x0364;lt die Seel<lb/>
eines gegen das ander/ und unter&#x017F;cheidet eins von<lb/>
dem andern/ daraus machet &#x017F;ie <hi rendition="#aq">di&#x017F;tinctiones, de-<lb/>
finitiones, axiomata</hi> und Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ al&#x017F;o/ daß das<lb/>
Ver&#x017F;tehen durch die Vernunfft anders nichts i&#x017F;t/<lb/>
als eine Fu&#x0364;r&#x017F;tellung der <hi rendition="#aq">Object</hi>en durch die a&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erliche Sinnen in die innerliche/ und eine Gegen-<lb/>
einanderhaltung der vorge&#x017F;tellten Sachen/ derer<lb/>
darauf er folgter <hi rendition="#fr">U</hi>nter&#x017F;cheid und ge&#x017F;cho&#x0364;pffte Be-<lb/>
&#x017F;chreibung. Was aber die Seel durch die Be-<lb/>
&#x017F;chauung oder Offenbahrung ver&#x017F;tehet/ das ge-<lb/>
&#x017F;chicht durch einfa&#x0364;ltige Vor&#x017F;tellung in der Seelen<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t/ ohne <hi rendition="#aq">ratification,</hi> oder Gegeneinanderhal-<lb/>
tung/ als in einem Spiegel/ da &#x017F;ie die Sachen &#x017F;ie-<lb/>
het/ wie &#x017F;ie an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten &#x017F;eyn/ bereits unter&#x017F;chie-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0070] Pſychoſophia. 21. Phil. Wie verſtehet die Seel? Pſych. Auf zweyerley Weiſe/ durch die Beſchau- ung oder Offenbahrung/ und durch die Sinnen oder Gegeneinanderhaltung/ ſo ratiocinatio, oder Vernuͤnfftlengenennet wird. 22. Phil. Was iſt vor ein Unterſcheid zwiſchen dem Verſtehen aus der Vernunfft/ und dem Ver- ſtehen aus der Beſchauung. Pſych. Was die Seel durch die Vernunfft ver- ſtehen will/ das muß ihr erſt durch die aͤuſſerliche Sinnen vorgeſtellet werden/ alsdann gehen die dargeſtellete Objecta dardurch in den Sinn/ von dannen in den aͤtheriſchen Geiſt/ und innerliche Sinnen/ darinnen uͤberleget und haͤlt die Seel eines gegen das ander/ und unterſcheidet eins von dem andern/ daraus machet ſie diſtinctiones, de- finitiones, axiomata und Schluͤſſe/ alſo/ daß das Verſtehen durch die Vernunfft anders nichts iſt/ als eine Fuͤrſtellung der Objecten durch die aͤuſ- ſerliche Sinnen in die innerliche/ und eine Gegen- einanderhaltung der vorgeſtellten Sachen/ derer darauf er folgter Unterſcheid und geſchoͤpffte Be- ſchreibung. Was aber die Seel durch die Be- ſchauung oder Offenbahrung verſtehet/ das ge- ſchicht durch einfaͤltige Vorſtellung in der Seelen ſelbſt/ ohne ratification, oder Gegeneinanderhal- tung/ als in einem Spiegel/ da ſie die Sachen ſie- het/ wie ſie an ſich ſelbſten ſeyn/ bereits unterſchie- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/70
Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/70>, abgerufen am 27.11.2024.