Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].

Bild:
<< vorherige Seite

Seelen-Weißheit.
beuget; da aber etwas/ so an den Nerven oder
dem animalischen Geist fehlet/ daß er nicht ein-
fliessen kan/ so kan auch der ätherische Geist nicht
bewegen/ ober gleich von der Seel getrieben wird/
oder verricht die Bewegung unvollkommen/ wie
im Schlag/ Krampff/ schweren Noth/ und Con-
tracturen zu sehen.

20. Phil. Warum wird die Seel eine verstehende
und nicht auch eine vernünfftige
Krafft genennet?

Psych. Die Seel wird darum verstehend genen-
net/ dieweil gleichwie ohne die Seel keine Bewe-
gung/ also ist auch ohne sie kein Verstand im
menschlichen Leibe. Daß aber der Verstand allein
zur Formal. Beschreibung der Seelen genom-
men wird/ und nicht auch die Vernunfft/ ist Ur-
sach/ daß der Verstand allezeit vollkommlich in und
nach dem Leben bey der Seelen bleibt/ die Ver-
nunfft aber scheidet nach dem Tod/ wegen Abge-
hen der Sinnen von der Seel/ und bleibt nur per
reflexionem
in der Seel/ also vielmehr ein acci-
dens
oder Zufall/ als eine eigendliche Wesenheit
der Seelen zu nennen. Gleichwie nun der Mensch
nach seinem vornehmsten und bleiblichen Theil/
nemlich nach der Seelen soll definirt werden/ also
soll auch die Seel mit der jenigen Eigenschafft
billich vor andern beschrieben werden/ welche alle-
zeit bey ihr bleibt/ und das ist der Verstand.

21. Phil.
A vj

Seelen-Weißheit.
beuget; da aber etwas/ ſo an den Nerven oder
dem animaliſchen Geiſt fehlet/ daß er nicht ein-
flieſſen kan/ ſo kan auch der aͤtheriſche Geiſt nicht
bewegen/ ober gleich von der Seel getrieben wird/
oder verricht die Bewegung unvollkommen/ wie
im Schlag/ Krampff/ ſchweren Noth/ und Con-
tracturen zu ſehen.

20. Phil. Warum wird die Seel eine verſtehende
und nicht auch eine vernuͤnfftige
Krafft genennet?

Pſych. Die Seel wird darum verſtehend genen-
net/ dieweil gleichwie ohne die Seel keine Bewe-
gung/ alſo iſt auch ohne ſie kein Verſtand im
menſchlichen Leibe. Daß aber der Verſtand allein
zur Formal. Beſchreibung der Seelen genom-
men wird/ und nicht auch die Vernunfft/ iſt Ur-
ſach/ daß der Verſtand allezeit vollkommlich in und
nach dem Leben bey der Seelen bleibt/ die Ver-
nunfft aber ſcheidet nach dem Tod/ wegen Abge-
hen der Sinnen von der Seel/ und bleibt nur per
reflexionem
in der Seel/ alſo vielmehr ein acci-
dens
oder Zufall/ als eine eigendliche Weſenheit
der Seelen zu nennen. Gleichwie nun der Menſch
nach ſeinem vornehmſten und bleiblichen Theil/
nemlich nach der Seelen ſoll definirt werden/ alſo
ſoll auch die Seel mit der jenigen Eigenſchafft
billich vor andern beſchrieben werden/ welche alle-
zeit bey ihr bleibt/ und das iſt der Verſtand.

21. Phil.
A vj
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0069" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Seelen-Weißheit.</hi></fw><lb/>
beuget; da aber etwas/ &#x017F;o an den Nerven oder<lb/>
dem animali&#x017F;chen Gei&#x017F;t fehlet/ daß er nicht ein-<lb/>
flie&#x017F;&#x017F;en kan/ &#x017F;o kan auch der a&#x0364;theri&#x017F;che Gei&#x017F;t nicht<lb/>
bewegen/ ober gleich von der Seel getrieben wird/<lb/>
oder verricht die Bewegung unvollkommen/ wie<lb/>
im Schlag/ Krampff/ &#x017F;chweren Noth/ und Con-<lb/>
tracturen zu &#x017F;ehen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>20. <hi rendition="#aq">Phil.</hi> Warum wird die Seel eine ver&#x017F;tehende<lb/>
und nicht auch eine vernu&#x0364;nfftige<lb/>
Krafft genennet?</head><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">P&#x017F;ych.</hi> Die Seel wird darum ver&#x017F;tehend genen-<lb/>
net/ dieweil gleichwie ohne die Seel keine Bewe-<lb/>
gung/ al&#x017F;o i&#x017F;t auch ohne &#x017F;ie kein Ver&#x017F;tand im<lb/>
men&#x017F;chlichen Leibe. Daß aber der Ver&#x017F;tand allein<lb/>
zur Formal. Be&#x017F;chreibung der Seelen genom-<lb/>
men wird/ und nicht auch die Vernunfft/ i&#x017F;t <hi rendition="#fr">U</hi>r-<lb/>
&#x017F;ach/ daß der Ver&#x017F;tand allezeit vollkommlich in und<lb/>
nach dem Leben bey der Seelen bleibt/ die Ver-<lb/>
nunfft aber &#x017F;cheidet nach dem Tod/ wegen Abge-<lb/>
hen der Sinnen von der Seel/ und bleibt nur <hi rendition="#aq">per<lb/>
reflexionem</hi> in der Seel/ al&#x017F;o vielmehr ein <hi rendition="#aq">acci-<lb/>
dens</hi> oder Zufall/ als eine eigendliche We&#x017F;enheit<lb/>
der Seelen zu nennen. Gleichwie nun der Men&#x017F;ch<lb/>
nach &#x017F;einem vornehm&#x017F;ten und bleiblichen Theil/<lb/>
nemlich nach der Seelen &#x017F;oll <hi rendition="#aq">definirt</hi> werden/ al&#x017F;o<lb/>
&#x017F;oll auch die Seel mit der jenigen Eigen&#x017F;chafft<lb/>
billich vor andern be&#x017F;chrieben werden/ welche alle-<lb/>
zeit bey ihr bleibt/ und das i&#x017F;t der Ver&#x017F;tand.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">A vj</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">21. <hi rendition="#aq">Phil.</hi></fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0069] Seelen-Weißheit. beuget; da aber etwas/ ſo an den Nerven oder dem animaliſchen Geiſt fehlet/ daß er nicht ein- flieſſen kan/ ſo kan auch der aͤtheriſche Geiſt nicht bewegen/ ober gleich von der Seel getrieben wird/ oder verricht die Bewegung unvollkommen/ wie im Schlag/ Krampff/ ſchweren Noth/ und Con- tracturen zu ſehen. 20. Phil. Warum wird die Seel eine verſtehende und nicht auch eine vernuͤnfftige Krafft genennet? Pſych. Die Seel wird darum verſtehend genen- net/ dieweil gleichwie ohne die Seel keine Bewe- gung/ alſo iſt auch ohne ſie kein Verſtand im menſchlichen Leibe. Daß aber der Verſtand allein zur Formal. Beſchreibung der Seelen genom- men wird/ und nicht auch die Vernunfft/ iſt Ur- ſach/ daß der Verſtand allezeit vollkommlich in und nach dem Leben bey der Seelen bleibt/ die Ver- nunfft aber ſcheidet nach dem Tod/ wegen Abge- hen der Sinnen von der Seel/ und bleibt nur per reflexionem in der Seel/ alſo vielmehr ein acci- dens oder Zufall/ als eine eigendliche Weſenheit der Seelen zu nennen. Gleichwie nun der Menſch nach ſeinem vornehmſten und bleiblichen Theil/ nemlich nach der Seelen ſoll definirt werden/ alſo ſoll auch die Seel mit der jenigen Eigenſchafft billich vor andern beſchrieben werden/ welche alle- zeit bey ihr bleibt/ und das iſt der Verſtand. 21. Phil. A vj

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/69
Zitationshilfe: Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/69>, abgerufen am 26.11.2024.