Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].Psychosophia. dennoch freywillig den Tod verlangt/ oder in derGefängnüß sich selbsten solchen angethan. Wann derhalben die Richter wol bedächten/ was für eine schwere Consequenz in dem Foltern stehe/ so wür- de man nicht so leichtlich darmit anfangen/ und sich darinnen praecipitiren/ oder einen tapffern Mann/ welchem solcher gestalt unrecht geschicht/ nicht verdencken/ wann er sich oder den Peini- gern den Halß bricht/ und weil er ja sterben muß/ solcher gestalt stirbt. Du wirst mir aber ein- werffen und sagen/ wo bleibt hier die Christliche Liebe und Gedult/ welches eben das jenige ist/ was ich die Richter und Peiniger frage/ wo bleibt die Christliche Liebe und Gedult/ wann man mit peinigen nicht auffhöret/ biß der Gepeinigte sa- gen muß/ was der Peiniger haben wil/ und also Ehr/ Haab und Gut/ Leib und Leben/ und auß Ungedult vielleicht auch die Seele verliere muß. Und was ist das für ein Proceß und Prob der Warheit/ da der Peiniger eben dieses bekennen würde/ was der Gepeinigte bekennet/ wann er eben so lang gepeiniget würde/ biß ers bekennete. Die Alten haben derentwegen diese Art/ von Erzwingung der Warheit/ verworffen/ Duell und Faust-Recht vorgenommen/ und wann ei- ner dem andern was vorgeworffen und angekla- get/ hat ers entweder beweisen/ der andere geste- hen/ oder sich mit einander schlagen müssen/ dar- durch
Pſychoſophia. dennoch freywillig den Tod verlangt/ oder in derGefaͤngnuͤß ſich ſelbſten ſolchen angethan. Wañ derhalben die Richter wol bedaͤchten/ was fuͤr eine ſchwere Conſequenz in dem Foltern ſtehe/ ſo wuͤr- de man nicht ſo leichtlich darmit anfangen/ und ſich darinnen præcipitiren/ oder einen tapffern Mann/ welchem ſolcher geſtalt unrecht geſchicht/ nicht verdencken/ wann er ſich oder den Peini- gern den Halß bricht/ und weil er ja ſterben muß/ ſolcher geſtalt ſtirbt. Du wirſt mir aber ein- werffen und ſagen/ wo bleibt hier die Chriſtliche Liebe und Gedult/ welches eben das jenige iſt/ was ich die Richter und Peiniger frage/ wo bleibt die Chriſtliche Liebe und Gedult/ wann man mit peinigen nicht auffhoͤret/ biß der Gepeinigte ſa- gen muß/ was der Peiniger haben wil/ und alſo Ehr/ Haab und Gut/ Leib und Leben/ und auß Ungedult vielleicht auch die Seele verlierê muß. Und was iſt das fuͤr ein Proceß und Prob der Warheit/ da der Peiniger eben dieſes bekennen wuͤrde/ was der Gepeinigte bekennet/ wann er eben ſo lang gepeiniget wuͤrde/ biß ers bekennete. Die Alten haben derentwegen dieſe Art/ von Erzwingung der Warheit/ verworffen/ Duell und Fauſt-Recht vorgenommen/ und wann ei- ner dem andern was vorgeworffen und angekla- get/ hat ers entweder beweiſen/ der andere geſte- hen/ oder ſich mit einander ſchlagen muͤſſen/ dar- durch
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0348" n="290"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">Pſychoſophia.</hi></fw><lb/> dennoch freywillig den Tod verlangt/ oder in der<lb/> Gefaͤngnuͤß ſich ſelbſten ſolchen angethan. Wañ<lb/> derhalben die Richter wol bedaͤchten/ was fuͤr eine<lb/> ſchwere Conſequenz in dem Foltern ſtehe/ ſo wuͤr-<lb/> de man nicht ſo leichtlich darmit anfangen/ und<lb/> ſich darinnen <hi rendition="#aq">præcipiti</hi>ren/ oder einen tapffern<lb/> Mann/ welchem ſolcher geſtalt unrecht geſchicht/<lb/> nicht verdencken/ wann er ſich oder den Peini-<lb/> gern den Halß bricht/ und weil er ja ſterben muß/<lb/> ſolcher geſtalt ſtirbt. Du wirſt mir aber ein-<lb/> werffen und ſagen/ wo bleibt hier die Chriſtliche<lb/> Liebe und Gedult/ welches eben das jenige iſt/ was<lb/> ich die Richter und Peiniger frage/ wo bleibt<lb/> die Chriſtliche Liebe und Gedult/ wann man mit<lb/> peinigen nicht auffhoͤret/ biß der Gepeinigte ſa-<lb/> gen muß/ was der Peiniger haben wil/ und alſo<lb/> Ehr/ Haab und Gut/ Leib und Leben/ und auß<lb/><hi rendition="#fr">U</hi>ngedult vielleicht auch die Seele verlierê muß.<lb/><hi rendition="#fr">U</hi>nd was iſt das fuͤr ein Proceß und Prob der<lb/> Warheit/ da der Peiniger eben dieſes bekennen<lb/> wuͤrde/ was der Gepeinigte bekennet/ wann er<lb/> eben ſo lang gepeiniget wuͤrde/ biß ers bekennete.<lb/> Die Alten haben derentwegen dieſe Art/ von<lb/> Erzwingung der Warheit/ verworffen/ Duell<lb/> und Fauſt-Recht vorgenommen/ und wann ei-<lb/> ner dem andern was vorgeworffen und angekla-<lb/> get/ hat ers entweder beweiſen/ der andere geſte-<lb/> hen/ oder ſich mit einander ſchlagen muͤſſen/ dar-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [290/0348]
Pſychoſophia.
dennoch freywillig den Tod verlangt/ oder in der
Gefaͤngnuͤß ſich ſelbſten ſolchen angethan. Wañ
derhalben die Richter wol bedaͤchten/ was fuͤr eine
ſchwere Conſequenz in dem Foltern ſtehe/ ſo wuͤr-
de man nicht ſo leichtlich darmit anfangen/ und
ſich darinnen præcipitiren/ oder einen tapffern
Mann/ welchem ſolcher geſtalt unrecht geſchicht/
nicht verdencken/ wann er ſich oder den Peini-
gern den Halß bricht/ und weil er ja ſterben muß/
ſolcher geſtalt ſtirbt. Du wirſt mir aber ein-
werffen und ſagen/ wo bleibt hier die Chriſtliche
Liebe und Gedult/ welches eben das jenige iſt/ was
ich die Richter und Peiniger frage/ wo bleibt
die Chriſtliche Liebe und Gedult/ wann man mit
peinigen nicht auffhoͤret/ biß der Gepeinigte ſa-
gen muß/ was der Peiniger haben wil/ und alſo
Ehr/ Haab und Gut/ Leib und Leben/ und auß
Ungedult vielleicht auch die Seele verlierê muß.
Und was iſt das fuͤr ein Proceß und Prob der
Warheit/ da der Peiniger eben dieſes bekennen
wuͤrde/ was der Gepeinigte bekennet/ wann er
eben ſo lang gepeiniget wuͤrde/ biß ers bekennete.
Die Alten haben derentwegen dieſe Art/ von
Erzwingung der Warheit/ verworffen/ Duell
und Fauſt-Recht vorgenommen/ und wann ei-
ner dem andern was vorgeworffen und angekla-
get/ hat ers entweder beweiſen/ der andere geſte-
hen/ oder ſich mit einander ſchlagen muͤſſen/ dar-
durch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |