Bringt sich dann der jenige nicht sel- ber umb/ welcher sich zu Wasser oder Lande mit Pulver in die Lufft sprengt/ welcher sich in einer Ve- stung/ wider alle Hülff und Hoffnung/ zu schanden schiessen/ bestürmen/ und auff den letzten Mann umbringen läst/ und gleichwol thun die Soldaten solches/ werden vor prave Leute derentwegen gehal- ten/ ja sie müssen etlicher Orten einen Eyd schwö- ren/ solches zu thun/ und wann sie es nicht thun/ am Leben gestrafft/ ist also die Autocheirisis, oder das Selbst umbringen/ nicht so absolute verbotten/ auch in grossen Schmertzen und Elend/ dessen man keine Enderung noch Ende zu hoffen/ besser/ daß der Mensch mit einem tapffern Gemüth daraus scheide/ und sich generos umbringe/ als daß er bernheuteri- scher Weise leide/ anderen Leuten beschwehrlich und ein spectacul sey/ hingegen selbsten aus übergrosser Noth und Schmertzen endlich doch verzweiffele. Erasmus sagt: Multi felicius moriuntur in rota, quam in calculo: Das ist/ viel sterben glücklicher auff dem Rad/ als an dem Stein. Jst je derhalben besser ge- neros. als verzweiffelt zu sterben. Dannenhero die Stoici großmütig zu dem Epicteto gesprochen: Epi- ctete, nos corpusculo huic cibum potumque dando, dormiendo lassi sumus, sunt qui tyiannidem in id exercent, sine, ostendamus illis, quam nihil in nos ha- beant juris, libet, libet abire: Quocunque respexeris, ibi malorum finis est, vides istam arborem, exinde libertas pendet, vides istud flumen, illum puteum, in ejus imo libertas sedet, vides jugulum tuum, cor tuum, quamlibet venam, effugia servitutis sunt, qui mori didicit, servite dedidicit, quid ad ipsum carcer & custodia, liberum ostium habet. Stultus, qui do- loris cauia vivit, non refert sapienti, quam diu vivat,
sed
M jv
Seelen-Weißheit.
143. Phil.
Bringt ſich dann der jenige nicht ſel- ber umb/ welcher ſich zu Waſſer oder Lande mit Pulver in die Lufft ſprengt/ welcher ſich in einer Ve- ſtung/ wider alle Huͤlff und Hoffnung/ zu ſchanden ſchieſſen/ beſtuͤrmen/ und auff den letzten Mann umbringen laͤſt/ und gleichwol thun die Soldaten ſolches/ werden vor prave Leute derentwegen gehal- ten/ ja ſie muͤſſen etlicher Orten einen Eyd ſchwoͤ- ren/ ſolches zu thun/ und wann ſie es nicht thun/ am Leben geſtrafft/ iſt alſo die Autocheiriſis, oder das Selbſt umbringen/ nicht ſo abſolutè verbotten/ auch in groſſen Schmertzen und Elend/ deſſen man keine Enderung noch Ende zu hoffen/ beſſer/ daß der Menſch mit einem tapffern Gemuͤth daraus ſcheide/ und ſich generôs umbringe/ als daß er bernheuteri- ſcher Weiſe leide/ anderen Leuten beſchwehrlich und ein ſpectacul ſey/ hingegen ſelbſten aus uͤbergroſſer Noth und Schmertzen endlich doch verzweiffele. Eraſmus ſagt: Multi felicius moriuntur in rota, quàm in calculo: Das iſt/ viel ſterben gluͤcklicher auff dem Rad/ als an dem Stein. Jſt je derhalben beſſer ge- nerôs. als verzweiffelt zu ſterben. Dannenhero die Stoici großmuͤtig zu dem Epicteto geſprochen: Epi- ctete, nos corpuſculo huic cibum potumq́ue dando, dormiendo laſſi ſumus, ſunt qui tyiannidem in id exercent, ſine, oſtendamus illis, quàm nihil in nos ha- beant juris, libet, libet abire: Quocunque reſpexeris, ibi malorum finis eſt, vides iſtam arborem, exinde libertas pendet, vides iſtud flumen, illum puteum, in ejus imo libertas ſedet, vides jugulum tuum, cor tuum, quamlibet venam, effugia ſervitutis ſunt, qui mori didicit, ſervite dedidicit, quid ad ipſum carcer & cuſtodia, liberum oſtium habet. Stultus, qui do- loris cauiâ vivit, non refert ſapienti, quàm diu vivat,
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Seelen-Weißheit.
143. Phil. Bringt ſich dann der jenige nicht ſel-
ber umb/ welcher ſich zu Waſſer oder Lande mit
Pulver in die Lufft ſprengt/ welcher ſich in einer Ve-
ſtung/ wider alle Huͤlff und Hoffnung/ zu ſchanden
ſchieſſen/ beſtuͤrmen/ und auff den letzten Mann
umbringen laͤſt/ und gleichwol thun die Soldaten
ſolches/ werden vor prave Leute derentwegen gehal-
ten/ ja ſie muͤſſen etlicher Orten einen Eyd ſchwoͤ-
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Leben geſtrafft/ iſt alſo die Autocheiriſis, oder das
Selbſt umbringen/ nicht ſo abſolutè verbotten/ auch
in groſſen Schmertzen und Elend/ deſſen man keine
Enderung noch Ende zu hoffen/ beſſer/ daß der
Menſch mit einem tapffern Gemuͤth daraus ſcheide/
und ſich generôs umbringe/ als daß er bernheuteri-
ſcher Weiſe leide/ anderen Leuten beſchwehrlich und
ein ſpectacul ſey/ hingegen ſelbſten aus uͤbergroſſer
Noth und Schmertzen endlich doch verzweiffele.
Eraſmus ſagt: Multi felicius moriuntur in rota, quàm
in calculo: Das iſt/ viel ſterben gluͤcklicher auff dem
Rad/ als an dem Stein. Jſt je derhalben beſſer ge-
nerôs. als verzweiffelt zu ſterben. Dannenhero die
Stoici großmuͤtig zu dem Epicteto geſprochen: Epi-
ctete, nos corpuſculo huic cibum potumq́ue dando,
dormiendo laſſi ſumus, ſunt qui tyiannidem in id
exercent, ſine, oſtendamus illis, quàm nihil in nos ha-
beant juris, libet, libet abire: Quocunque reſpexeris,
ibi malorum finis eſt, vides iſtam arborem, exinde
libertas pendet, vides iſtud flumen, illum puteum,
in ejus imo libertas ſedet, vides jugulum tuum, cor
tuum, quamlibet venam, effugia ſervitutis ſunt, qui
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Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683], S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becher_psychosophia_1683/329>, abgerufen am 25.11.2024.
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