Becher, Johann Joachim: Psychosophia Oder Seelen-Weißheit. 2. Aufl. Frankfurt (Main), [1683].Psychosophia. ständigkeit erfordert wird/ wordurch die Experi-enz, Judicium, Rerum usus & praxis erlanget wird: Dannenhero das Sprichwort: Ver- stand kommt nicht vor den Jahren. Und Hippocrates klaget/ daß das menschliche Le- ben kurtz/ die Kunst und Erfahrung aber lange Zeit erfordern. Wird derohalben keiner ein Mei- ster gebohren/ sondern muß einer durch die Zeit werden/ und ist wenigen gegeben practice in vie- lerhand Sachen zu excelliren/ auch nicht rathsam/ sich darauf zu legen/ dann pluribus intentus mi- nor est ad singula sensus, & in omnibus aliquid, in toto nihil; dannenhero das gemeine Sprüch- wort: Vierzehenerley Handwerck/ fünf- zehenerley Unglück/ es wäre dann/ daß einer Profession machte in der Polymathie zu lehren und zu studiren/ und daß eben die Encyclopaedie seine rechte Profession wäre/ darzu aber sonderli- che Gaben GOttes/ Werckzeug/ Vortheil und Methoden gehören/ die Wissenschafften auch frey- lich so nah einander verwandt/ daß keine ohne die andere gnugsam und gründlich/ wie sichs gebüh- ret/ verstanden werden kan. Dannenhero Plato saget/ daß man die Natur der Seel/ ohne der gan- tzen Natur Erkennung nicht verstehen könne. Al- lein/ wie gemeldet/ so grosse Gaben werden nicht je- dem gegeben/ seynd auch nicht alle darzu bequem/ noch allen/ sich darein zu lassen/ rathsam: Doch/ welche
Pſychoſophia. ſtaͤndigkeit erfordert wird/ wordurch die Experi-enz, Judicium, Rerum uſus & praxis erlanget wird: Dannenhero das Sprichwort: Ver- ſtand kommt nicht vor den Jahren. Und Hippocrates klaget/ daß das menſchliche Le- ben kurtz/ die Kunſt und Erfahrung aber lange Zeit erfordern. Wird derohalben keiner ein Mei- ſter gebohren/ ſondern muß einer durch die Zeit werden/ und iſt wenigen gegeben practicè in vie- lerhand Sachen zu excelliren/ auch nicht rathſam/ ſich darauf zu legen/ dann pluribus intentus mi- nor eſt ad ſingula ſenſus, & in omnibus aliquid, in toto nihil; dannenhero das gemeine Spruͤch- wort: Vierzehenerley Handwerck/ fuͤnf- zehenerley Ungluͤck/ es waͤre dann/ daß einer Profeſſion machte in der Polymathie zu lehren und zu ſtudiren/ und daß eben die Encyclopædie ſeine rechte Profeſſion waͤre/ darzu aber ſonderli- che Gaben GOttes/ Werckzeug/ Vortheil und Methoden gehoͤren/ die Wiſſenſchafften auch frey- lich ſo nah einander verwandt/ daß keine ohne die andere gnugſam und gruͤndlich/ wie ſichs gebuͤh- ret/ verſtanden werden kan. Dannenhero Plato ſaget/ daß man die Natur der Seel/ ohne der gan- tzen Natur Erkennung nicht verſtehen koͤnne. Al- lein/ wie gemeldet/ ſo groſſe Gaben werden nicht je- dem gegeben/ ſeynd auch nicht alle darzu bequem/ noch allen/ ſich darein zu laſſen/ rathſam: Doch/ welche
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Pſychoſophia.
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wird: Dannenhero das Sprichwort: Ver-
ſtand kommt nicht vor den Jahren.
Und Hippocrates klaget/ daß das menſchliche Le-
ben kurtz/ die Kunſt und Erfahrung aber lange
Zeit erfordern. Wird derohalben keiner ein Mei-
ſter gebohren/ ſondern muß einer durch die Zeit
werden/ und iſt wenigen gegeben practicè in vie-
lerhand Sachen zu excelliren/ auch nicht rathſam/
ſich darauf zu legen/ dann pluribus intentus mi-
nor eſt ad ſingula ſenſus, & in omnibus aliquid,
in toto nihil; dannenhero das gemeine Spruͤch-
wort: Vierzehenerley Handwerck/ fuͤnf-
zehenerley Ungluͤck/ es waͤre dann/ daß einer
Profeſſion machte in der Polymathie zu lehren
und zu ſtudiren/ und daß eben die Encyclopædie
ſeine rechte Profeſſion waͤre/ darzu aber ſonderli-
che Gaben GOttes/ Werckzeug/ Vortheil und
Methoden gehoͤren/ die Wiſſenſchafften auch frey-
lich ſo nah einander verwandt/ daß keine ohne die
andere gnugſam und gruͤndlich/ wie ſichs gebuͤh-
ret/ verſtanden werden kan. Dannenhero Plato
ſaget/ daß man die Natur der Seel/ ohne der gan-
tzen Natur Erkennung nicht verſtehen koͤnne. Al-
lein/ wie gemeldet/ ſo groſſe Gaben werden nicht je-
dem gegeben/ ſeynd auch nicht alle darzu bequem/
noch allen/ ſich darein zu laſſen/ rathſam: Doch/
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