Bebel, August: Die Sozialdemokratie und das Allgemeine Stimmrecht. Berlin, 1895.Noch auffälliger war das Resultat der Wahlen im Jahre 1898, die bekannt- Dieser seltsame Widerspruch erklärt sich zum Theil aus dem Resultat der
Nach einem solchen Stimmausfall in den sechs Wahlkreisen haben die Das Bild im Kleinen, was wir hier geben, entspricht ziemlich genau der
Noch auffälliger war das Resultat der Wahlen im Jahre 1898, die bekannt- Dieser seltsame Widerspruch erklärt sich zum Theil aus dem Resultat der
Nach einem solchen Stimmausfall in den sechs Wahlkreisen haben die Das Bild im Kleinen, was wir hier geben, entspricht ziemlich genau der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0056" n="52"/> <p>Noch auffälliger war das Resultat der Wahlen im Jahre 1898, die bekannt-<lb/> lich ebenfalls stattfanden, weil die Mehrheit des aufgelösten Reichstags eine neue<lb/> Militärvorlage abgelehnt hatte. Bei der Hauptwahl entfielen auf die Kandidaten<lb/> der Gegner der Vorlage rund 4233000 Stimmen, die Anhänger vereinigten<lb/> 3225000 Stimmen auf ihre Kandidaten, also 1098000 Stimmen weniger. 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Schaumburg-Lippe, das im Jahre 1890 rund 40000 Ein-<lb/> wohner hatte, ebenso einen Vertreter wählt wie der vierte Berliner Wahlkreis, der<lb/> damals 488000 Einwohner hatte. Jm ersteren Wahlkreis konnte von rund 8000<lb/> Wählern, wenn sie sämmtlich stimmen, ein Abgeordneter gewählt werden, der 4001<lb/> Stimmen auf sich vereinigt, im vierten Berliner Wahlkreis brauchte unter der gleichen<lb/> Voraussetzung, daß alle Wähler stimmten, der Kandidat bei rund 97600 Wählern<lb/> mindestens 48801 Stimmen. Aber auch bei gleich großen Wahlkreisen kann bei<lb/> dem gegenwärtigen System die Minorität zur Majorität werden. Nehmen wir<lb/> folgendes Beispiel. Jn sechs Wahlkreisen werden genau gleichviel Stimmen abge-<lb/> geben und zwar in jedem rund 20000. Dieselben vertheilen sich aber in folgender<lb/> Weise auf drei Parteien. 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Noch auffälliger war das Resultat der Wahlen im Jahre 1898, die bekannt-
lich ebenfalls stattfanden, weil die Mehrheit des aufgelösten Reichstags eine neue
Militärvorlage abgelehnt hatte. Bei der Hauptwahl entfielen auf die Kandidaten
der Gegner der Vorlage rund 4233000 Stimmen, die Anhänger vereinigten
3225000 Stimmen auf ihre Kandidaten, also 1098000 Stimmen weniger. Aber
im Reichstag hatte die Minderheit der Stimmen die Mehrheit der Vertreter auf
ihre Seite, indem die Vorlage mit einer Mehrheit von 12 Stimmen ange-
nommen wurde.
Dieser seltsame Widerspruch erklärt sich zum Theil aus dem Resultat der
engeren Wahlen, bei welchen die seltsamsten Verbindungen zwischen den Parteien
vorkommen, er erklärt sich aber hauptsächlich dadurch, daß viele hunderttausend
Stimmen bei der Art der Wahl wirkungslos unter den Tisch fallen und keinen
Einfluß auf das Resultat ausüben. So hatte z. B. im Jahre 1887 die Sozial-
demokratie in Sachsen unter 519008 abgegebenen gültigen Stimmen 149270.
Von den 23 sächsischen Vertretern im Reichstag erhielt sie aber nicht einen, obgleich
im Verhältniß der für sie abgegebenen Stimmen ihr mindestens 6 Mandate
gebührten. Diese Anomalie wird auch durch die Ungleichheit der Wahlkreise
befördert, wonach z. B. Schaumburg-Lippe, das im Jahre 1890 rund 40000 Ein-
wohner hatte, ebenso einen Vertreter wählt wie der vierte Berliner Wahlkreis, der
damals 488000 Einwohner hatte. Jm ersteren Wahlkreis konnte von rund 8000
Wählern, wenn sie sämmtlich stimmen, ein Abgeordneter gewählt werden, der 4001
Stimmen auf sich vereinigt, im vierten Berliner Wahlkreis brauchte unter der gleichen
Voraussetzung, daß alle Wähler stimmten, der Kandidat bei rund 97600 Wählern
mindestens 48801 Stimmen. Aber auch bei gleich großen Wahlkreisen kann bei
dem gegenwärtigen System die Minorität zur Majorität werden. Nehmen wir
folgendes Beispiel. Jn sechs Wahlkreisen werden genau gleichviel Stimmen abge-
geben und zwar in jedem rund 20000. Dieselben vertheilen sich aber in folgender
Weise auf drei Parteien. Es erhalten im Wahlkreise:
A. B. C. D. E. F. Jnsgesammt
die Konservativen 11000 1800 1200 10200 1900 10500 = 36300
die Sozialdemokraten 6500 7800 13500 8000 7000 7900 = 50700
das Zentrum 2500 10400 5300 1800 11100 1400 = 32500.
Nach einem solchen Stimmausfall in den sechs Wahlkreisen haben die
Konservativen mit 36300 Stimmen 3 Abgeordnete, das Zentrum mit 32500 Stim-
men hat 2 Abgeordnete, und die Sozialdemokraten mit 50700 Stimmen haben nur
1 Abgeordneten erhalten. Die Ungerechtigkeit der Vertheilung der Abgeordneten
liegt auf der Hand; dabei ist die Wahl in alter Ordnung verlaufen, es ist nicht
einmal eine Stichwahl mit unnatürlicher Verbindung der Parteien nothwendig
gewesen.
Das Bild im Kleinen, was wir hier geben, entspricht ziemlich genau der
Wirklichkeit im Großen, wie folgende Zahlen zeigen. Bei den Reichstags-Wahlen
Juli 1893 betheiligten sich bei der Hauptwahl von 10628292 eingetragenen
Wählern 7702265, die 7673973 gültige Stimmen abgaben. Es entfielen also
auf durchschnittlich 19330 gültige Stimmen ein Abgeordneter. Es erhielten in
jener Wahl:
Stimmen wirklich
Abgeordnete statt
Abgeordnete
Deutschkonservative 1038353 68 54
Deutsche Reichspartei 438345 27 23
Nationalliberale 996980 52 52
Freisinnige Vereinigung 258481 13 13
Volkspartei 666439 22 34
Süddeutsche Volkspartei 166757 11 9
Zentrum 1468501 99 76
Polen 229531 19 12
Deutsche Reformpartei (Antisem.) 263861 10 14
Sozialdemokraten 1786738 43 95
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(2018-10-30T15:09:45Z)
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(2018-10-30T15:09:45Z)
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