Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
Finanzwesen, z. B. gerade auf die indirekten Steuern, daß in ihm die volkswirth-
schaftlichen Lehrsätze keineswegs gerade ausgeführt, sondern von den finanziellen
Prinzipien modifizirt werden; ferner z. B. bei den direkten Steuern, daß die
volkswirthschaftlichen Lehrsätze gebraucht werden, um alle Einkommensarten aufzu-
finden und den Reinertrag bei einer jeden zu besteuern; endlich z. B. bei der
Capitaliensteuer, daß die volkswirthschaftlichen Lehrsätze sie zu billigen scheinen,
während die siegenden finanziellen Prinzipien ihre Einführung nicht gestatten.
Weder das Finanzielle noch das Volkswirthschaftliche kann in der Finanzwissenschaft
allein durchgreifen; das Charakteristische ist vielmehr die Concurrenz oder die
Kreutzung beider Prinzipien, bei welcher das erstere positiv, das zweite aber negativ
thätig ist. Aus diesen Gründen kann also die Finanzwissenschaft kein Theil der
praktischen Volkswirthschaftslehre sein; sie steht für sich allein und hat auch ihren
theoretischen und praktischen Theil. In wieferne aber diese formelle Frage für das
Materielle dieser Wissenschaft von der größten Wichtigkeit ist, das wird bei der
Finanzwissenschaft selbst gezeigt werden. v. Malchus, Handb. der Finanzwissensch.
und Finanzverwaltung. Stuttg. 1830. I. S. 5. Hermann, staatsw. Unter-
suchungen. Abh. I. §. 14. Schön, Grundsätze der Finanz (Breslau 1832).
S. 10-19. Meine Recension dieser Schrift in den Heidelberger Jahrbüchern.
Jahrgang 1833. S. 595.
3) Dies Wort wird auch für öffentliche Wirthschaftslehre und für Volkswirth-
schaftslehre gebraucht. Nach Einführung dieses lezteren Ausdrucks kann sein Ge-
brauch in obigem speziellen Sinne um so weniger Anstoß finden, als in der Kunst-
sprache Volk und Staat einander gegenüber stehen.
4) Man sieht, daß die Finanzverwaltungslehre das eminent Praktische und
nach einzelnen Staatsverhältnissen Wandelbare ist, wofür sich nur wenige allgemein
wissenschaftliche Regeln aufstellen lassen. Die Gegenstände derselben sind verständlich
bis auf die Rechtfertigung, in so weit sie das Finanzwesen angeht.
Hier findet auch das §. 40. Note 2. Gesagte Anwendung. Denn der Finanzminister
ist der Staatshauswirth, und hat als solcher die Verwendung der den einzel-
nen andern Departements-Ministern abgelieferten Summen nicht zu rechtfertigen,
sondern blos die Erhebung, die Bereithaltung des gesammten Staatseinkommens,
die Controle über diese Zweige und die Verwendung der seinem eigenen Departe-
ment zugetheilten Summe.



Baumstark Encyclopädie. 5
Finanzweſen, z. B. gerade auf die indirekten Steuern, daß in ihm die volkswirth-
ſchaftlichen Lehrſätze keineswegs gerade ausgeführt, ſondern von den finanziellen
Prinzipien modifizirt werden; ferner z. B. bei den direkten Steuern, daß die
volkswirthſchaftlichen Lehrſätze gebraucht werden, um alle Einkommensarten aufzu-
finden und den Reinertrag bei einer jeden zu beſteuern; endlich z. B. bei der
Capitalienſteuer, daß die volkswirthſchaftlichen Lehrſätze ſie zu billigen ſcheinen,
während die ſiegenden finanziellen Prinzipien ihre Einführung nicht geſtatten.
Weder das Finanzielle noch das Volkswirthſchaftliche kann in der Finanzwiſſenſchaft
allein durchgreifen; das Charakteriſtiſche iſt vielmehr die Concurrenz oder die
Kreutzung beider Prinzipien, bei welcher das erſtere poſitiv, das zweite aber negativ
thätig iſt. Aus dieſen Gründen kann alſo die Finanzwiſſenſchaft kein Theil der
praktiſchen Volkswirthſchaftslehre ſein; ſie ſteht für ſich allein und hat auch ihren
theoretiſchen und praktiſchen Theil. In wieferne aber dieſe formelle Frage für das
Materielle dieſer Wiſſenſchaft von der größten Wichtigkeit iſt, das wird bei der
Finanzwiſſenſchaft ſelbſt gezeigt werden. v. Malchus, Handb. der Finanzwiſſenſch.
und Finanzverwaltung. Stuttg. 1830. I. S. 5. Hermann, ſtaatsw. Unter-
ſuchungen. Abh. I. §. 14. Schön, Grundſätze der Finanz (Breslau 1832).
S. 10–19. Meine Recenſion dieſer Schrift in den Heidelberger Jahrbüchern.
Jahrgang 1833. S. 595.
3) Dies Wort wird auch für öffentliche Wirthſchaftslehre und für Volkswirth-
ſchaftslehre gebraucht. Nach Einführung dieſes lezteren Ausdrucks kann ſein Ge-
brauch in obigem ſpeziellen Sinne um ſo weniger Anſtoß finden, als in der Kunſt-
ſprache Volk und Staat einander gegenüber ſtehen.
4) Man ſieht, daß die Finanzverwaltungslehre das eminent Praktiſche und
nach einzelnen Staatsverhältniſſen Wandelbare iſt, wofür ſich nur wenige allgemein
wiſſenſchaftliche Regeln aufſtellen laſſen. Die Gegenſtände derſelben ſind verſtändlich
bis auf die Rechtfertigung, in ſo weit ſie das Finanzweſen angeht.
Hier findet auch das §. 40. Note 2. Geſagte Anwendung. Denn der Finanzminiſter
iſt der Staatshauswirth, und hat als ſolcher die Verwendung der den einzel-
nen andern Departements-Miniſtern abgelieferten Summen nicht zu rechtfertigen,
ſondern blos die Erhebung, die Bereithaltung des geſammten Staatseinkommens,
die Controle über dieſe Zweige und die Verwendung der ſeinem eigenen Departe-
ment zugetheilten Summe.



Baumſtark Encyclopädie. 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <note place="end" n="2)"><pb facs="#f0087" n="65"/>
Finanzwe&#x017F;en, z. B. gerade auf die indirekten Steuern, daß in ihm die volkswirth-<lb/>
&#x017F;chaftlichen Lehr&#x017F;ätze keineswegs gerade ausgeführt, &#x017F;ondern von den finanziellen<lb/>
Prinzipien modifizirt werden; ferner z. B. bei den direkten Steuern, daß die<lb/>
volkswirth&#x017F;chaftlichen Lehr&#x017F;ätze gebraucht werden, um alle Einkommensarten aufzu-<lb/>
finden und den Reinertrag bei einer jeden zu be&#x017F;teuern; endlich z. B. bei der<lb/>
Capitalien&#x017F;teuer, daß die volkswirth&#x017F;chaftlichen Lehr&#x017F;ätze &#x017F;ie zu billigen &#x017F;cheinen,<lb/>
während die &#x017F;iegenden finanziellen Prinzipien ihre Einführung nicht ge&#x017F;tatten.<lb/>
Weder das Finanzielle noch das Volkswirth&#x017F;chaftliche kann in der Finanzwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
allein durchgreifen; das Charakteri&#x017F;ti&#x017F;che i&#x017F;t vielmehr die Concurrenz oder die<lb/>
Kreutzung beider Prinzipien, bei welcher das er&#x017F;tere po&#x017F;itiv, das zweite aber negativ<lb/>
thätig i&#x017F;t. Aus die&#x017F;en Gründen kann al&#x017F;o die Finanzwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft kein Theil der<lb/>
prakti&#x017F;chen Volkswirth&#x017F;chaftslehre &#x017F;ein; &#x017F;ie &#x017F;teht für &#x017F;ich allein und hat auch ihren<lb/>
theoreti&#x017F;chen und prakti&#x017F;chen Theil. In wieferne aber die&#x017F;e formelle Frage für das<lb/>
Materielle die&#x017F;er Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft von der größten Wichtigkeit i&#x017F;t, das wird bei der<lb/>
Finanzwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;elb&#x017F;t gezeigt werden. v. <hi rendition="#g">Malchus</hi>, Handb. der Finanzwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;ch.<lb/>
und Finanzverwaltung. Stuttg. 1830. I. S. 5. <hi rendition="#g">Hermann</hi>, &#x017F;taatsw. Unter-<lb/>
&#x017F;uchungen. Abh. I. §. 14. <hi rendition="#g">Schön</hi>, Grund&#x017F;ätze der Finanz (Breslau 1832).<lb/>
S. 10&#x2013;19. <hi rendition="#g">Meine</hi> Recen&#x017F;ion die&#x017F;er Schrift in den Heidelberger Jahrbüchern.<lb/>
Jahrgang 1833. S. 595.</note><lb/>
            <note place="end" n="3)">Dies Wort wird auch für öffentliche Wirth&#x017F;chaftslehre und für Volkswirth-<lb/>
&#x017F;chaftslehre gebraucht. Nach Einführung die&#x017F;es lezteren Ausdrucks kann &#x017F;ein Ge-<lb/>
brauch in obigem &#x017F;peziellen Sinne um &#x017F;o weniger An&#x017F;toß finden, als in der Kun&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;prache Volk und Staat einander gegenüber &#x017F;tehen.</note><lb/>
            <note place="end" n="4)">Man &#x017F;ieht, daß die Finanzverwaltungslehre das eminent Prakti&#x017F;che und<lb/>
nach einzelnen Staatsverhältni&#x017F;&#x017F;en Wandelbare i&#x017F;t, wofür &#x017F;ich nur wenige allgemein<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Regeln auf&#x017F;tellen la&#x017F;&#x017F;en. Die Gegen&#x017F;tände der&#x017F;elben &#x017F;ind ver&#x017F;tändlich<lb/>
bis auf die <hi rendition="#g">Rechtfertigung</hi>, <hi rendition="#g">in &#x017F;o weit &#x017F;ie das Finanzwe&#x017F;en angeht</hi>.<lb/>
Hier findet auch das §. 40. Note 2. Ge&#x017F;agte Anwendung. Denn der Finanzmini&#x017F;ter<lb/>
i&#x017F;t der <hi rendition="#g">Staatshauswirth</hi>, und hat als &#x017F;olcher die Verwendung der den einzel-<lb/>
nen andern Departements-Mini&#x017F;tern abgelieferten Summen nicht zu rechtfertigen,<lb/>
&#x017F;ondern blos die Erhebung, die Bereithaltung des ge&#x017F;ammten Staatseinkommens,<lb/>
die Controle über die&#x017F;e Zweige und die Verwendung der &#x017F;einem eigenen Departe-<lb/>
ment zugetheilten Summe.</note>
          </div>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Baum&#x017F;tark</hi> Encyclopädie. 5</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0087] ²⁾ Finanzweſen, z. B. gerade auf die indirekten Steuern, daß in ihm die volkswirth- ſchaftlichen Lehrſätze keineswegs gerade ausgeführt, ſondern von den finanziellen Prinzipien modifizirt werden; ferner z. B. bei den direkten Steuern, daß die volkswirthſchaftlichen Lehrſätze gebraucht werden, um alle Einkommensarten aufzu- finden und den Reinertrag bei einer jeden zu beſteuern; endlich z. B. bei der Capitalienſteuer, daß die volkswirthſchaftlichen Lehrſätze ſie zu billigen ſcheinen, während die ſiegenden finanziellen Prinzipien ihre Einführung nicht geſtatten. Weder das Finanzielle noch das Volkswirthſchaftliche kann in der Finanzwiſſenſchaft allein durchgreifen; das Charakteriſtiſche iſt vielmehr die Concurrenz oder die Kreutzung beider Prinzipien, bei welcher das erſtere poſitiv, das zweite aber negativ thätig iſt. Aus dieſen Gründen kann alſo die Finanzwiſſenſchaft kein Theil der praktiſchen Volkswirthſchaftslehre ſein; ſie ſteht für ſich allein und hat auch ihren theoretiſchen und praktiſchen Theil. In wieferne aber dieſe formelle Frage für das Materielle dieſer Wiſſenſchaft von der größten Wichtigkeit iſt, das wird bei der Finanzwiſſenſchaft ſelbſt gezeigt werden. v. Malchus, Handb. der Finanzwiſſenſch. und Finanzverwaltung. Stuttg. 1830. I. S. 5. Hermann, ſtaatsw. Unter- ſuchungen. Abh. I. §. 14. Schön, Grundſätze der Finanz (Breslau 1832). S. 10–19. Meine Recenſion dieſer Schrift in den Heidelberger Jahrbüchern. Jahrgang 1833. S. 595. ³⁾ Dies Wort wird auch für öffentliche Wirthſchaftslehre und für Volkswirth- ſchaftslehre gebraucht. Nach Einführung dieſes lezteren Ausdrucks kann ſein Ge- brauch in obigem ſpeziellen Sinne um ſo weniger Anſtoß finden, als in der Kunſt- ſprache Volk und Staat einander gegenüber ſtehen. ⁴⁾ Man ſieht, daß die Finanzverwaltungslehre das eminent Praktiſche und nach einzelnen Staatsverhältniſſen Wandelbare iſt, wofür ſich nur wenige allgemein wiſſenſchaftliche Regeln aufſtellen laſſen. Die Gegenſtände derſelben ſind verſtändlich bis auf die Rechtfertigung, in ſo weit ſie das Finanzweſen angeht. Hier findet auch das §. 40. Note 2. Geſagte Anwendung. Denn der Finanzminiſter iſt der Staatshauswirth, und hat als ſolcher die Verwendung der den einzel- nen andern Departements-Miniſtern abgelieferten Summen nicht zu rechtfertigen, ſondern blos die Erhebung, die Bereithaltung des geſammten Staatseinkommens, die Controle über dieſe Zweige und die Verwendung der ſeinem eigenen Departe- ment zugetheilten Summe. Baumſtark Encyclopädie. 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/87
Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/87>, abgerufen am 24.11.2024.