neueren Staaten geht auch dahin, allein die dazu eingeschlagenen Wege sind meistentheils fehlerhaft. Die allgemeinen und Haupt- mängel der neueren Steuerverfassung, ganz abgesehen von den ört- lichen und eigenthümlichen eines jeden Landes, sind folgende: 1) der Mangel an Uebereinstimmung mit den veränderten Gewerbs-, Verkehrs-, und Zeitverhältnissen, weil sie nämlich in Zeiten gege- ben wurde, nach welchen sich diese drei durchaus umgestaltet ha- ben1). 2) Der fast durchgängige Mangel an Rücksicht auf die Natur und Quelle des Einkommens und die daher rührende wirk- lich mehr absolut gleiche Besteuerung, weil das verschiedenartigste Ein- kommen mit ganz gleichem Steuerprozente belegt und dieses auch bei den verschiedensten Massen von Einkommen gleich ist2). 3) Der Umstand, daß schon der Anlage nach und durch die veränderten Verhältnisse die Einkommenssteuern eigentlich von Anfang bereits Vermögenssteuern waren, oder es allmählig mehr geworden und es noch sind3), 4) die zum Theile höchst unvollkommene, zum Theile ganz unterlassene Berücksichtigung des für den Bürger und seine Familie nothwendigen Lebensunterhaltes, dessen Abzug vom reinen Einkommen unumgänglich ist, wenn die Steuer nicht ungleich und antinationalöconomisch sein soll4). 5) Der Mangel an einer gehöri- gen Trennung der verschiedenen Einkommenszweige zum Behufe der Besteuerung, und an der erforderlichen Berücksichtigung der Wirkung derselben und der entsprechenden Einkommenssteuer auf den Volkswohlstand5). Aus diesem Allen ergibt sich, wenn man die Grade der Steuerlast in verschiedenen Ländern vergleicht6), daß nicht die Höhe der Steuern, sondern vielmehr ihre Umlage die manchfachen Klagen verursacht, wo den Letzteren ein reeller Grund und nicht blos Einbildung und geflissentliche Uebertreibung zu Grunde liegt.
1) Welche Veränderungen sind nicht in allen Gewerben, sowohl was die Per- sonal, als was die Realverhältnisse anbelangt, erst in den letzten zwei Jahrzehnten eingetreten! Welche Veränderungen in den Verhältnissen der Stände, in den bürgerli- chen Rechten, in den Verfassungen, in der Denkart und in den Forderungen an die Un- terthanen! Welche Veränderungen in der Lebensweise, in den Güterpreisen, im Geld- wesen, in den Communicationsmitteln u. dgl.!
2) Das Einkommen aus Urgewerben ist zwar mehrentheils anders besteuert, als jenes aus Kunst-, Umsatz- und Dienstgewerben. Allein dafür sind die drei Letz- teren auch unter ein System geworfen, ein Umstand, der die größte Ungleichheit der Steuerlast zur Folge haben muß. Dabei muß aber der ärmere Bauer, Handels- und Gewerbsmann und der Taglöhner dasselbe Steuerprozent von seinem äußerst spärlichen Reineinkommen bezahlen oder mit diesem eine weit größere Last tragen, als der Reichere aus diesen Klassen.
3) Z. B. eine nach dem Kaufpreise umgelegte Grundsteuer, eine nach dem Geld- werthe, nach Fenstern, Schornsteinen u. s. w. umgelegte Häusersteuer, eine nach der Arbeiterzahl und dem Capitale umgelegte Gewerbsteuer u. dgl. mehr. Sie sind sämmt-
neueren Staaten geht auch dahin, allein die dazu eingeſchlagenen Wege ſind meiſtentheils fehlerhaft. Die allgemeinen und Haupt- mängel der neueren Steuerverfaſſung, ganz abgeſehen von den ört- lichen und eigenthümlichen eines jeden Landes, ſind folgende: 1) der Mangel an Uebereinſtimmung mit den veränderten Gewerbs-, Verkehrs-, und Zeitverhältniſſen, weil ſie nämlich in Zeiten gege- ben wurde, nach welchen ſich dieſe drei durchaus umgeſtaltet ha- ben1). 2) Der faſt durchgängige Mangel an Rückſicht auf die Natur und Quelle des Einkommens und die daher rührende wirk- lich mehr abſolut gleiche Beſteuerung, weil das verſchiedenartigſte Ein- kommen mit ganz gleichem Steuerprozente belegt und dieſes auch bei den verſchiedenſten Maſſen von Einkommen gleich iſt2). 3) Der Umſtand, daß ſchon der Anlage nach und durch die veränderten Verhältniſſe die Einkommensſteuern eigentlich von Anfang bereits Vermögensſteuern waren, oder es allmählig mehr geworden und es noch ſind3), 4) die zum Theile höchſt unvollkommene, zum Theile ganz unterlaſſene Berückſichtigung des für den Bürger und ſeine Familie nothwendigen Lebensunterhaltes, deſſen Abzug vom reinen Einkommen unumgänglich iſt, wenn die Steuer nicht ungleich und antinationalöconomiſch ſein ſoll4). 5) Der Mangel an einer gehöri- gen Trennung der verſchiedenen Einkommenszweige zum Behufe der Beſteuerung, und an der erforderlichen Berückſichtigung der Wirkung derſelben und der entſprechenden Einkommensſteuer auf den Volkswohlſtand5). Aus dieſem Allen ergibt ſich, wenn man die Grade der Steuerlaſt in verſchiedenen Ländern vergleicht6), daß nicht die Höhe der Steuern, ſondern vielmehr ihre Umlage die manchfachen Klagen verurſacht, wo den Letzteren ein reeller Grund und nicht blos Einbildung und gefliſſentliche Uebertreibung zu Grunde liegt.
1) Welche Veränderungen ſind nicht in allen Gewerben, ſowohl was die Per- ſonal, als was die Realverhältniſſe anbelangt, erſt in den letzten zwei Jahrzehnten eingetreten! Welche Veränderungen in den Verhältniſſen der Stände, in den bürgerli- chen Rechten, in den Verfaſſungen, in der Denkart und in den Forderungen an die Un- terthanen! Welche Veränderungen in der Lebensweiſe, in den Güterpreiſen, im Geld- weſen, in den Communicationsmitteln u. dgl.!
2) Das Einkommen aus Urgewerben iſt zwar mehrentheils anders beſteuert, als jenes aus Kunſt-, Umſatz- und Dienſtgewerben. Allein dafür ſind die drei Letz- teren auch unter ein Syſtem geworfen, ein Umſtand, der die größte Ungleichheit der Steuerlaſt zur Folge haben muß. Dabei muß aber der ärmere Bauer, Handels- und Gewerbsmann und der Taglöhner daſſelbe Steuerprozent von ſeinem äußerſt ſpärlichen Reineinkommen bezahlen oder mit dieſem eine weit größere Laſt tragen, als der Reichere aus dieſen Klaſſen.
3) Z. B. eine nach dem Kaufpreiſe umgelegte Grundſteuer, eine nach dem Geld- werthe, nach Fenſtern, Schornſteinen u. ſ. w. umgelegte Häuſerſteuer, eine nach der Arbeiterzahl und dem Capitale umgelegte Gewerbſteuer u. dgl. mehr. Sie ſind ſämmt-
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neueren Staaten geht auch dahin, allein die dazu eingeſchlagenen
Wege ſind meiſtentheils fehlerhaft. Die allgemeinen und Haupt-
mängel der neueren Steuerverfaſſung, ganz abgeſehen von den ört-
lichen und eigenthümlichen eines jeden Landes, ſind folgende: 1)
der Mangel an Uebereinſtimmung mit den veränderten Gewerbs-,
Verkehrs-, und Zeitverhältniſſen, weil ſie nämlich in Zeiten gege-
ben wurde, nach welchen ſich dieſe drei durchaus umgeſtaltet ha-
ben1). 2) Der faſt durchgängige Mangel an Rückſicht auf die
Natur und Quelle des Einkommens und die daher rührende wirk-
lich mehr abſolut gleiche Beſteuerung, weil das verſchiedenartigſte Ein-
kommen mit ganz gleichem Steuerprozente belegt und dieſes auch
bei den verſchiedenſten Maſſen von Einkommen gleich iſt2). 3) Der
Umſtand, daß ſchon der Anlage nach und durch die veränderten
Verhältniſſe die Einkommensſteuern eigentlich von Anfang bereits
Vermögensſteuern waren, oder es allmählig mehr geworden und
es noch ſind3), 4) die zum Theile höchſt unvollkommene, zum Theile
ganz unterlaſſene Berückſichtigung des für den Bürger und ſeine
Familie nothwendigen Lebensunterhaltes, deſſen Abzug vom reinen
Einkommen unumgänglich iſt, wenn die Steuer nicht ungleich und
antinationalöconomiſch ſein ſoll4). 5) Der Mangel an einer gehöri-
gen Trennung der verſchiedenen Einkommenszweige zum Behufe
der Beſteuerung, und an der erforderlichen Berückſichtigung der
Wirkung derſelben und der entſprechenden Einkommensſteuer auf
den Volkswohlſtand5). Aus dieſem Allen ergibt ſich, wenn man
die Grade der Steuerlaſt in verſchiedenen Ländern vergleicht6),
daß nicht die Höhe der Steuern, ſondern vielmehr ihre Umlage
die manchfachen Klagen verurſacht, wo den Letzteren ein reeller
Grund und nicht blos Einbildung und gefliſſentliche Uebertreibung
zu Grunde liegt.
¹⁾ Welche Veränderungen ſind nicht in allen Gewerben, ſowohl was die Per-
ſonal, als was die Realverhältniſſe anbelangt, erſt in den letzten zwei Jahrzehnten
eingetreten! Welche Veränderungen in den Verhältniſſen der Stände, in den bürgerli-
chen Rechten, in den Verfaſſungen, in der Denkart und in den Forderungen an die Un-
terthanen! Welche Veränderungen in der Lebensweiſe, in den Güterpreiſen, im Geld-
weſen, in den Communicationsmitteln u. dgl.!
²⁾ Das Einkommen aus Urgewerben iſt zwar mehrentheils anders beſteuert,
als jenes aus Kunſt-, Umſatz- und Dienſtgewerben. Allein dafür ſind die drei Letz-
teren auch unter ein Syſtem geworfen, ein Umſtand, der die größte Ungleichheit der
Steuerlaſt zur Folge haben muß. Dabei muß aber der ärmere Bauer, Handels- und
Gewerbsmann und der Taglöhner daſſelbe Steuerprozent von ſeinem äußerſt ſpärlichen
Reineinkommen bezahlen oder mit dieſem eine weit größere Laſt tragen, als der
Reichere aus dieſen Klaſſen.
³⁾ Z. B. eine nach dem Kaufpreiſe umgelegte Grundſteuer, eine nach dem Geld-
werthe, nach Fenſtern, Schornſteinen u. ſ. w. umgelegte Häuſerſteuer, eine nach der
Arbeiterzahl und dem Capitale umgelegte Gewerbſteuer u. dgl. mehr. Sie ſind ſämmt-
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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 728. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/750>, abgerufen am 24.11.2024.
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