Die Personalsteuern1), sie mögen einen speziellen Namen und Charakter haben, wie sie wollen, sind grundsätzlich unrichtige Steuern. Denn blos das Prinzip der subjectiven Allgemeinheit, absoluten Gleichheit und der Größe ist dabei beobachtet, während jenes der objectiven Allgemeinheit, relativen Gleichheit und der Nationalöconomie ganz vernachlässigt ist, indem die Steuer, nu- merisch gleich, blos nach Persönlichkeit, ohne die geringste Rück- sicht auf Vermögen und Wirthschaft, umgelegt wird. Die zu ihrer Vertheidigung unterschobene Rücksicht, daß jeder Mensch gewissen Alters und drüber ein bestimmtes Einkommen erwerbe oder erwer- ben könne, ist spätere Erfindung2). Man unterscheidet aber zwei Arten. Entweder wird die Steuer blos nach der Persönlichkeit, ohne Rücksicht auf den Standpunkt des Pflichtigen in der Gesell- schaft, ganz gleich auf Jeden gelegt (Kopfsteuer), oder sie wird mit Rücksicht auf die Abstufung der Stände in verschiedenen Quoten erhoben (Rang- oder Klassensteuer)3). Weder die Person an sich noch der Rang gestattet einen Schluß auf ein be- stimmtes Einkommen. Drum sind diese Steuern auch in dem letz- teren Prinzipe ungegründet4). Es läßt sich indeß nicht läugnen, daß ihre Erhebung äußerst mühe- und kostenlos ist, daß eine Kopf- steuer in erst frisch sich entwickelnden Ländern, wo der Arbeitslohn wegen der großen Nachfrage darnach hoch steht, auf die untere Klasse weniger Druck übt, als in jedem andern Lande, und daß sie daselbst dann auch einen beträchtlichen und höheren Ertrag gibt, als sonst und später. In diesen Ländern tritt dann auch der Fall ein, daß die Kopfsteuer von dieser Arbeiterklasse auf jene der Lohn- herrn übergewälzt werden kann, ein Umstand, der die Kopfsteuer zugleich zu einer indirecten Steuer auf die Reichen macht. Allein, wenn dies auch der Fall ist, -- was aber in vielen andern Län- dern nicht so sein wird, wo die Concurrenz der Arbeiter sehr groß ist, -- so bleibt gegen diese Steuer immer der Vorwurf, daß der Arme zur Vorauslage der Steuer der Reichen angehalten ist. Als Hauptsteuer und an sich wird sie daher immer verwerflich sein, aber als eine Aushilfssteuer zur Ausgleichung der Steuerlast zwi-
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Zweites Stück. Von den einzelnen Steuerarten.
I. Perſonalſteuern.
§. 488. Die Kopf- und Rang- oder Klaſſenſteuer.
Die Perſonalſteuern1), ſie mögen einen ſpeziellen Namen und Charakter haben, wie ſie wollen, ſind grundſätzlich unrichtige Steuern. Denn blos das Prinzip der ſubjectiven Allgemeinheit, abſoluten Gleichheit und der Größe iſt dabei beobachtet, während jenes der objectiven Allgemeinheit, relativen Gleichheit und der Nationalöconomie ganz vernachläſſigt iſt, indem die Steuer, nu- meriſch gleich, blos nach Perſönlichkeit, ohne die geringſte Rück- ſicht auf Vermögen und Wirthſchaft, umgelegt wird. Die zu ihrer Vertheidigung unterſchobene Rückſicht, daß jeder Menſch gewiſſen Alters und drüber ein beſtimmtes Einkommen erwerbe oder erwer- ben könne, iſt ſpätere Erfindung2). Man unterſcheidet aber zwei Arten. Entweder wird die Steuer blos nach der Perſönlichkeit, ohne Rückſicht auf den Standpunkt des Pflichtigen in der Geſell- ſchaft, ganz gleich auf Jeden gelegt (Kopfſteuer), oder ſie wird mit Rückſicht auf die Abſtufung der Stände in verſchiedenen Quoten erhoben (Rang- oder Klaſſenſteuer)3). Weder die Perſon an ſich noch der Rang geſtattet einen Schluß auf ein be- ſtimmtes Einkommen. Drum ſind dieſe Steuern auch in dem letz- teren Prinzipe ungegründet4). Es läßt ſich indeß nicht läugnen, daß ihre Erhebung äußerſt mühe- und koſtenlos iſt, daß eine Kopf- ſteuer in erſt friſch ſich entwickelnden Ländern, wo der Arbeitslohn wegen der großen Nachfrage darnach hoch ſteht, auf die untere Klaſſe weniger Druck übt, als in jedem andern Lande, und daß ſie daſelbſt dann auch einen beträchtlichen und höheren Ertrag gibt, als ſonſt und ſpäter. In dieſen Ländern tritt dann auch der Fall ein, daß die Kopfſteuer von dieſer Arbeiterklaſſe auf jene der Lohn- herrn übergewälzt werden kann, ein Umſtand, der die Kopfſteuer zugleich zu einer indirecten Steuer auf die Reichen macht. Allein, wenn dies auch der Fall iſt, — was aber in vielen andern Län- dern nicht ſo ſein wird, wo die Concurrenz der Arbeiter ſehr groß iſt, — ſo bleibt gegen dieſe Steuer immer der Vorwurf, daß der Arme zur Vorauslage der Steuer der Reichen angehalten iſt. Als Hauptſteuer und an ſich wird ſie daher immer verwerflich ſein, aber als eine Aushilfsſteuer zur Ausgleichung der Steuerlaſt zwi-
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Zweites Stück.
Von den einzelnen Steuerarten.
I. Perſonalſteuern.
§. 488.
Die Kopf- und Rang- oder Klaſſenſteuer.
Die Perſonalſteuern1), ſie mögen einen ſpeziellen Namen und
Charakter haben, wie ſie wollen, ſind grundſätzlich unrichtige
Steuern. Denn blos das Prinzip der ſubjectiven Allgemeinheit,
abſoluten Gleichheit und der Größe iſt dabei beobachtet, während
jenes der objectiven Allgemeinheit, relativen Gleichheit und der
Nationalöconomie ganz vernachläſſigt iſt, indem die Steuer, nu-
meriſch gleich, blos nach Perſönlichkeit, ohne die geringſte Rück-
ſicht auf Vermögen und Wirthſchaft, umgelegt wird. Die zu ihrer
Vertheidigung unterſchobene Rückſicht, daß jeder Menſch gewiſſen
Alters und drüber ein beſtimmtes Einkommen erwerbe oder erwer-
ben könne, iſt ſpätere Erfindung2). Man unterſcheidet aber zwei
Arten. Entweder wird die Steuer blos nach der Perſönlichkeit,
ohne Rückſicht auf den Standpunkt des Pflichtigen in der Geſell-
ſchaft, ganz gleich auf Jeden gelegt (Kopfſteuer), oder ſie
wird mit Rückſicht auf die Abſtufung der Stände in verſchiedenen
Quoten erhoben (Rang- oder Klaſſenſteuer)3). Weder die
Perſon an ſich noch der Rang geſtattet einen Schluß auf ein be-
ſtimmtes Einkommen. Drum ſind dieſe Steuern auch in dem letz-
teren Prinzipe ungegründet4). Es läßt ſich indeß nicht läugnen,
daß ihre Erhebung äußerſt mühe- und koſtenlos iſt, daß eine Kopf-
ſteuer in erſt friſch ſich entwickelnden Ländern, wo der Arbeitslohn
wegen der großen Nachfrage darnach hoch ſteht, auf die untere
Klaſſe weniger Druck übt, als in jedem andern Lande, und daß
ſie daſelbſt dann auch einen beträchtlichen und höheren Ertrag gibt,
als ſonſt und ſpäter. In dieſen Ländern tritt dann auch der Fall
ein, daß die Kopfſteuer von dieſer Arbeiterklaſſe auf jene der Lohn-
herrn übergewälzt werden kann, ein Umſtand, der die Kopfſteuer
zugleich zu einer indirecten Steuer auf die Reichen macht. Allein,
wenn dies auch der Fall iſt, — was aber in vielen andern Län-
dern nicht ſo ſein wird, wo die Concurrenz der Arbeiter ſehr groß
iſt, — ſo bleibt gegen dieſe Steuer immer der Vorwurf, daß der
Arme zur Vorauslage der Steuer der Reichen angehalten iſt. Als
Hauptſteuer und an ſich wird ſie daher immer verwerflich ſein,
aber als eine Aushilfsſteuer zur Ausgleichung der Steuerlaſt zwi-
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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/745>, abgerufen am 24.11.2024.
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