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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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geeigneter Lage der Grundstücke. Es kommt also Alles auf beson-
dere Umstände an, und es dürften auch hier die bereits (§. 379.
N. 3.) angegebenen Beziehungen entscheiden. 3) Die Erbpacht
gegen Entrichtung eines jährlichen Zinses (Kanons) und eines
Erbbestandgeldes beim Erbantritte hat große Vorzüge, weil der
Erbpachter sein Gut gerade so wie sein Eigenthum behandelt und
der Staat, frei von den Mängeln und Lästigkeiten der eigenen
Verwaltung, einen sichern festen Zins bezieht, bei der Versicherung,
daß das Gut mit Wissen des Pachters nicht verschlechtert wird.
Es wird aber gegen sie auch eingewendet: die zu große Beschrän-
kung des Erbpachters in der Behandlung des Gutes, der Verlust
des Dispositionsrechtes über das Gut auf Seiten des Staats, die
Entbehrung des Vortheils aus der möglichen Steigerung des Pacht-
zinses nach Ablauf der Pachtzeit bei der Zeitpacht, die nothwen-
dige Verzichtung des Staats auf die Theilnahme an dem aus
irgend einem Grunde gesteigerten Gutsertrage, und der Schaden,
welcher für die Staatskasse aus einem unveränderlichen Kanon
hervorgeht, wenn der Geldwerth sinken und der Preis der Güter
steigen würde5). Allein diese Einwendungen sind zum Theile that-
sächlich unrichtige Behauptungen und zum Theile von der Art,
daß ihnen im Erbpachtsvertrage sehr leicht begegnet werden kann6).
4) Die Erbzinsverleihung, d. h. Ueberlassung des vollständigen
erblichen Eigenthums der Nutzung am Gute unter Vorbehalt des
Obereigenthums, zu dessen bloßer Anerkennung eine sich nicht nach
dem Gutsertrage oder üblichen Pachtzinse richtende Abgabe (Erben-
zins) jährlich bezahlt werden muß. Sie ist finanzwirthschaftlich
nicht zu vertheidigen, obschon sie aus vielen andern Gründen Aner-
kennung verdienen könnte. 5) Die Gewährsadministration,
ein Mittelding zwischen Pacht und Selbstbetrieb, indem der Guts-
übernehmer an den Staat eine feste Summe bezahlt, und gewisse
Capitalauslagen und Lasten übernimmt, dafür aber am Reinertrage
einen gewissen Antheil bezieht und über die Bewirthschaftung des
Guts, nur Hauptveränderungen abgerechnet, frei dispinoriren kann.
Die Vortheile dieses Betriebs für den Staat, nämlich Sicherheit
und Festigkeit des Einkommens, Befreiung von mehreren Lasten,
Theilnahme an der Ertragserhöhung zufolge des geschickten Betriebs
des Gewährsadministrators und anderer Umstände, Verringerung
des Verlustes in Unglücksfällen und Sicherung vor Gutsverschlech-
terung, sind so groß, daß es nicht leicht Concurrenten für eine
solche Uebernahme gibt7).

B. Bewirthschaftung der Gutsgefälle und Gerecht-
same (§. 463.). Dieselbe richtet sich ganz nach der gewählten

geeigneter Lage der Grundſtücke. Es kommt alſo Alles auf beſon-
dere Umſtände an, und es dürften auch hier die bereits (§. 379.
N. 3.) angegebenen Beziehungen entſcheiden. 3) Die Erbpacht
gegen Entrichtung eines jährlichen Zinſes (Kanons) und eines
Erbbeſtandgeldes beim Erbantritte hat große Vorzüge, weil der
Erbpachter ſein Gut gerade ſo wie ſein Eigenthum behandelt und
der Staat, frei von den Mängeln und Läſtigkeiten der eigenen
Verwaltung, einen ſichern feſten Zins bezieht, bei der Verſicherung,
daß das Gut mit Wiſſen des Pachters nicht verſchlechtert wird.
Es wird aber gegen ſie auch eingewendet: die zu große Beſchrän-
kung des Erbpachters in der Behandlung des Gutes, der Verluſt
des Dispoſitionsrechtes über das Gut auf Seiten des Staats, die
Entbehrung des Vortheils aus der möglichen Steigerung des Pacht-
zinſes nach Ablauf der Pachtzeit bei der Zeitpacht, die nothwen-
dige Verzichtung des Staats auf die Theilnahme an dem aus
irgend einem Grunde geſteigerten Gutsertrage, und der Schaden,
welcher für die Staatskaſſe aus einem unveränderlichen Kanon
hervorgeht, wenn der Geldwerth ſinken und der Preis der Güter
ſteigen würde5). Allein dieſe Einwendungen ſind zum Theile that-
ſächlich unrichtige Behauptungen und zum Theile von der Art,
daß ihnen im Erbpachtsvertrage ſehr leicht begegnet werden kann6).
4) Die Erbzinsverleihung, d. h. Ueberlaſſung des vollſtändigen
erblichen Eigenthums der Nutzung am Gute unter Vorbehalt des
Obereigenthums, zu deſſen bloßer Anerkennung eine ſich nicht nach
dem Gutsertrage oder üblichen Pachtzinſe richtende Abgabe (Erben-
zins) jährlich bezahlt werden muß. Sie iſt finanzwirthſchaftlich
nicht zu vertheidigen, obſchon ſie aus vielen andern Gründen Aner-
kennung verdienen könnte. 5) Die Gewährsadminiſtration,
ein Mittelding zwiſchen Pacht und Selbſtbetrieb, indem der Guts-
übernehmer an den Staat eine feſte Summe bezahlt, und gewiſſe
Capitalauslagen und Laſten übernimmt, dafür aber am Reinertrage
einen gewiſſen Antheil bezieht und über die Bewirthſchaftung des
Guts, nur Hauptveränderungen abgerechnet, frei dispinoriren kann.
Die Vortheile dieſes Betriebs für den Staat, nämlich Sicherheit
und Feſtigkeit des Einkommens, Befreiung von mehreren Laſten,
Theilnahme an der Ertragserhöhung zufolge des geſchickten Betriebs
des Gewährsadminiſtrators und anderer Umſtände, Verringerung
des Verluſtes in Unglücksfällen und Sicherung vor Gutsverſchlech-
terung, ſind ſo groß, daß es nicht leicht Concurrenten für eine
ſolche Uebernahme gibt7).

B. Bewirthſchaftung der Gutsgefälle und Gerecht-
ſame (§. 463.). Dieſelbe richtet ſich ganz nach der gewählten

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[703/0725] geeigneter Lage der Grundſtücke. Es kommt alſo Alles auf beſon- dere Umſtände an, und es dürften auch hier die bereits (§. 379. N. 3.) angegebenen Beziehungen entſcheiden. 3) Die Erbpacht gegen Entrichtung eines jährlichen Zinſes (Kanons) und eines Erbbeſtandgeldes beim Erbantritte hat große Vorzüge, weil der Erbpachter ſein Gut gerade ſo wie ſein Eigenthum behandelt und der Staat, frei von den Mängeln und Läſtigkeiten der eigenen Verwaltung, einen ſichern feſten Zins bezieht, bei der Verſicherung, daß das Gut mit Wiſſen des Pachters nicht verſchlechtert wird. Es wird aber gegen ſie auch eingewendet: die zu große Beſchrän- kung des Erbpachters in der Behandlung des Gutes, der Verluſt des Dispoſitionsrechtes über das Gut auf Seiten des Staats, die Entbehrung des Vortheils aus der möglichen Steigerung des Pacht- zinſes nach Ablauf der Pachtzeit bei der Zeitpacht, die nothwen- dige Verzichtung des Staats auf die Theilnahme an dem aus irgend einem Grunde geſteigerten Gutsertrage, und der Schaden, welcher für die Staatskaſſe aus einem unveränderlichen Kanon hervorgeht, wenn der Geldwerth ſinken und der Preis der Güter ſteigen würde5). Allein dieſe Einwendungen ſind zum Theile that- ſächlich unrichtige Behauptungen und zum Theile von der Art, daß ihnen im Erbpachtsvertrage ſehr leicht begegnet werden kann6). 4) Die Erbzinsverleihung, d. h. Ueberlaſſung des vollſtändigen erblichen Eigenthums der Nutzung am Gute unter Vorbehalt des Obereigenthums, zu deſſen bloßer Anerkennung eine ſich nicht nach dem Gutsertrage oder üblichen Pachtzinſe richtende Abgabe (Erben- zins) jährlich bezahlt werden muß. Sie iſt finanzwirthſchaftlich nicht zu vertheidigen, obſchon ſie aus vielen andern Gründen Aner- kennung verdienen könnte. 5) Die Gewährsadminiſtration, ein Mittelding zwiſchen Pacht und Selbſtbetrieb, indem der Guts- übernehmer an den Staat eine feſte Summe bezahlt, und gewiſſe Capitalauslagen und Laſten übernimmt, dafür aber am Reinertrage einen gewiſſen Antheil bezieht und über die Bewirthſchaftung des Guts, nur Hauptveränderungen abgerechnet, frei dispinoriren kann. Die Vortheile dieſes Betriebs für den Staat, nämlich Sicherheit und Feſtigkeit des Einkommens, Befreiung von mehreren Laſten, Theilnahme an der Ertragserhöhung zufolge des geſchickten Betriebs des Gewährsadminiſtrators und anderer Umſtände, Verringerung des Verluſtes in Unglücksfällen und Sicherung vor Gutsverſchlech- terung, ſind ſo groß, daß es nicht leicht Concurrenten für eine ſolche Uebernahme gibt7). B. Bewirthſchaftung der Gutsgefälle und Gerecht- ſame (§. 463.). Dieſelbe richtet ſich ganz nach der gewählten

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 703. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/725>, abgerufen am 24.11.2024.