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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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Umständen ab. Der Staat muß sich aber stets die Aufsicht vor-
behalten. Man hat übrigens in den Staaten je nach den Gründen
der Armuth und nach den Verhältnissen der armen Personen fol-
gende verschiedene Einrichtungen zur Versorgung der Armen:
a) Armentaxen, d. h. gesetzlich gebotene Steuern zur Unter-
stützung der Armen. Diese Einrichtung hat sich, namentlich in
England und Schottland, schlecht bewährt, aber nicht sowohl an
sich, als vielmehr wegen der schlechten Verwaltung in Betreff der
Dürftigkeit und Würdigkeit der Armen, wodurch meistens aus der
Unterstützung eine Erniedrigung des Lohns zum Besten der Fabrik-
herrn verursacht und die Arbeiter zu Müssiggängern, Verschwen-
dern und Starrköpfen gemacht wurden1). b) Armencommis-
sionen in Gemeinden zur Unterstützung arbeitsloser Armen von
Kraft und Geschicklichkeit im Aufsuchen von Verdienst und Beschäf-
tigung. Diese Einrichtung ist sehr zweckmäßig, so wie die fol-
gende. c) Armenarbeiten, d. h. Beschäftigung der Armen in
ihren eigenen Häusern gegen Lohn, wozu man ihnen das Roh-
material liefert. Der Absatz solcher Producte ist erschwert, weil
sie die Concurrenz anderer nicht wohl aushalten können. Allein
Auslosungen sind um so mehr anzuempfehlen, als dadurch Gele-
genheit zu nützlichen Wohlthaten gegeben wird2). d) Arbeits-
häuser, und zwar aus leicht einzusehenden Gründen, sowohl
freie als Zwangsarbeitshäuser. Letztere gränzen an die
Straf- und Besserungsanstalten und haben daher eine strenge
Disziplin. Ihre Kosten sind sehr groß, ihre Ausdehnung muß
sehr weit sein, wenn sie viel nützen sollen; aber die Behandlung
und Beschäftigung der Arbeiter, um sie nach der Entlassung noch
arbeitsam zu erhalten, ist sehr schwer3). e) Armencolonien,
indem man Arme sammt Familie auf einer Colonie sich ansiedeln
läßt, ihnen das Capital zum Betriebe verschiedener Gewerbe gegen
die Verpflichtung der Verzinsung und allmäligen Abzahlung übergibt
und sie wegen Fleiß und Sittlichkeit genau unter Aufsicht hält4).
f) Bezahlung des Schulgeldes für arme Kinder aus den Gemeinde-
oder Stiftungskassen, damit ihnen der Unterricht wie Anderen
werden kann, oder Errichtung von Armkinderschulen zur Er-
ziehung bis zu einem bestimmten Alter so, daß sie im Stande sind,
durch eigenen Verdienst zu leben, weßhalb auf Unterricht im Ge-
werbswesen, Arbeitsamkeit, Sittlichkeit und ächte Religiosität hin-
gearbeitet werden muß. Sie sind ohne eigene Fonds oder Do-
tirungen nicht zu erhalten. g) Waisenhäuser, ebenso zur Auf-
ziehung, Erziehung und Gewerbsbildung von Waisen, entweder
Gewerks- oder landwirthschaftliche (sogen. Wehrli-) Schulen,

Umſtänden ab. Der Staat muß ſich aber ſtets die Aufſicht vor-
behalten. Man hat übrigens in den Staaten je nach den Gründen
der Armuth und nach den Verhältniſſen der armen Perſonen fol-
gende verſchiedene Einrichtungen zur Verſorgung der Armen:
a) Armentaxen, d. h. geſetzlich gebotene Steuern zur Unter-
ſtützung der Armen. Dieſe Einrichtung hat ſich, namentlich in
England und Schottland, ſchlecht bewährt, aber nicht ſowohl an
ſich, als vielmehr wegen der ſchlechten Verwaltung in Betreff der
Dürftigkeit und Würdigkeit der Armen, wodurch meiſtens aus der
Unterſtützung eine Erniedrigung des Lohns zum Beſten der Fabrik-
herrn verurſacht und die Arbeiter zu Müſſiggängern, Verſchwen-
dern und Starrköpfen gemacht wurden1). b) Armencommiſ-
ſionen in Gemeinden zur Unterſtützung arbeitsloſer Armen von
Kraft und Geſchicklichkeit im Aufſuchen von Verdienſt und Beſchäf-
tigung. Dieſe Einrichtung iſt ſehr zweckmäßig, ſo wie die fol-
gende. c) Armenarbeiten, d. h. Beſchäftigung der Armen in
ihren eigenen Häuſern gegen Lohn, wozu man ihnen das Roh-
material liefert. Der Abſatz ſolcher Producte iſt erſchwert, weil
ſie die Concurrenz anderer nicht wohl aushalten können. Allein
Ausloſungen ſind um ſo mehr anzuempfehlen, als dadurch Gele-
genheit zu nützlichen Wohlthaten gegeben wird2). d) Arbeits-
häuſer, und zwar aus leicht einzuſehenden Gründen, ſowohl
freie als Zwangsarbeitshäuſer. Letztere gränzen an die
Straf- und Beſſerungsanſtalten und haben daher eine ſtrenge
Disziplin. Ihre Koſten ſind ſehr groß, ihre Ausdehnung muß
ſehr weit ſein, wenn ſie viel nützen ſollen; aber die Behandlung
und Beſchäftigung der Arbeiter, um ſie nach der Entlaſſung noch
arbeitſam zu erhalten, iſt ſehr ſchwer3). e) Armencolonien,
indem man Arme ſammt Familie auf einer Colonie ſich anſiedeln
läßt, ihnen das Capital zum Betriebe verſchiedener Gewerbe gegen
die Verpflichtung der Verzinſung und allmäligen Abzahlung übergibt
und ſie wegen Fleiß und Sittlichkeit genau unter Aufſicht hält4).
f) Bezahlung des Schulgeldes für arme Kinder aus den Gemeinde-
oder Stiftungskaſſen, damit ihnen der Unterricht wie Anderen
werden kann, oder Errichtung von Armkinderſchulen zur Er-
ziehung bis zu einem beſtimmten Alter ſo, daß ſie im Stande ſind,
durch eigenen Verdienſt zu leben, weßhalb auf Unterricht im Ge-
werbsweſen, Arbeitſamkeit, Sittlichkeit und ächte Religioſität hin-
gearbeitet werden muß. Sie ſind ohne eigene Fonds oder Do-
tirungen nicht zu erhalten. g) Waiſenhäuſer, ebenſo zur Auf-
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[654/0676] Umſtänden ab. Der Staat muß ſich aber ſtets die Aufſicht vor- behalten. Man hat übrigens in den Staaten je nach den Gründen der Armuth und nach den Verhältniſſen der armen Perſonen fol- gende verſchiedene Einrichtungen zur Verſorgung der Armen: a) Armentaxen, d. h. geſetzlich gebotene Steuern zur Unter- ſtützung der Armen. Dieſe Einrichtung hat ſich, namentlich in England und Schottland, ſchlecht bewährt, aber nicht ſowohl an ſich, als vielmehr wegen der ſchlechten Verwaltung in Betreff der Dürftigkeit und Würdigkeit der Armen, wodurch meiſtens aus der Unterſtützung eine Erniedrigung des Lohns zum Beſten der Fabrik- herrn verurſacht und die Arbeiter zu Müſſiggängern, Verſchwen- dern und Starrköpfen gemacht wurden1). b) Armencommiſ- ſionen in Gemeinden zur Unterſtützung arbeitsloſer Armen von Kraft und Geſchicklichkeit im Aufſuchen von Verdienſt und Beſchäf- tigung. Dieſe Einrichtung iſt ſehr zweckmäßig, ſo wie die fol- gende. c) Armenarbeiten, d. h. Beſchäftigung der Armen in ihren eigenen Häuſern gegen Lohn, wozu man ihnen das Roh- material liefert. Der Abſatz ſolcher Producte iſt erſchwert, weil ſie die Concurrenz anderer nicht wohl aushalten können. Allein Ausloſungen ſind um ſo mehr anzuempfehlen, als dadurch Gele- genheit zu nützlichen Wohlthaten gegeben wird2). d) Arbeits- häuſer, und zwar aus leicht einzuſehenden Gründen, ſowohl freie als Zwangsarbeitshäuſer. Letztere gränzen an die Straf- und Beſſerungsanſtalten und haben daher eine ſtrenge Disziplin. Ihre Koſten ſind ſehr groß, ihre Ausdehnung muß ſehr weit ſein, wenn ſie viel nützen ſollen; aber die Behandlung und Beſchäftigung der Arbeiter, um ſie nach der Entlaſſung noch arbeitſam zu erhalten, iſt ſehr ſchwer3). e) Armencolonien, indem man Arme ſammt Familie auf einer Colonie ſich anſiedeln läßt, ihnen das Capital zum Betriebe verſchiedener Gewerbe gegen die Verpflichtung der Verzinſung und allmäligen Abzahlung übergibt und ſie wegen Fleiß und Sittlichkeit genau unter Aufſicht hält4). f) Bezahlung des Schulgeldes für arme Kinder aus den Gemeinde- oder Stiftungskaſſen, damit ihnen der Unterricht wie Anderen werden kann, oder Errichtung von Armkinderſchulen zur Er- ziehung bis zu einem beſtimmten Alter ſo, daß ſie im Stande ſind, durch eigenen Verdienſt zu leben, weßhalb auf Unterricht im Ge- werbsweſen, Arbeitſamkeit, Sittlichkeit und ächte Religioſität hin- gearbeitet werden muß. Sie ſind ohne eigene Fonds oder Do- tirungen nicht zu erhalten. g) Waiſenhäuſer, ebenſo zur Auf- ziehung, Erziehung und Gewerbsbildung von Waiſen, entweder Gewerks- oder landwirthſchaftliche (ſogen. Wehrli-) Schulen,

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/676>, abgerufen am 24.11.2024.