den Zwecken, nach Art und Menge der gewählten Mittel hierzu und nach dem Erfolge bemessen. In Bezug auf die Personen kann man die Consumtion in Privat-, Gesellschafts, Gemeinde- und Staatsconsumtion eintheilen, und es ist wichtig, unter den ein- zelnen Arten derselben die productive von der unproductiven zu unterscheiden. Die unproductive Consumtion richtet sich nach der Art der Vertheilung des Volksvermögens und -Einkommens, nach der gewohnten Lebensart der Volksklassen, nach den Gemeinde- und Staatseinrichtungen und deren Kosten. Sie trifft nur das reine Einkommen. Die productive dagegen erhält ihren Anreiz stets von den wachsenden Bedürfnissen (§. 46-49.) oder von dem Streben, immer mehr zum Genusse verwenden zu können. Dieses Streben geht bis zum Luxus (§. 49.), der nicht an sich verwerflich ist, da er so lange als ein Beförderungsmittel der Production angesehen werden muß, als er nicht Folge oder Ursache von Sittenverderbniß, Erzeugniß ungleicher Gütervertheilung ist und so weit getrieben wird, daß er alle Sparsamkeit für edlere Zwecke vernichtet. Er ist ein natürliches Ergebniß des Zusammenlebens der Menschen und seine Erscheinung eine historische Nothwendigkeit3).
1) Ueber Consumtion s. m. Lotz Handb. I. S. 548. §. 82. Rau polit. Oeconom. I. §. 318. say Cours. V. p. 1 sqq. Uebers. von v. Th. I. 1. storch Cours, Uebers. von Rau. II. 165. HermannUnters. S. 327. Mill Elements. p. 219. Mac-Culloch Priciples. p. 389. Uebers. S. 314. Ganilh Des syste- mes. II. 346. u. A.
2) Eine bloße Aenderung des Urtheils über den Werth eines Gutes kann daher keine Consumtion begründen, wie Rau meint.
3) S. auch noch Spittler Vorles. über Politik. §. 89. S. 424.
§. 429. 2) Verhältniß zwischen Production und Consumtion.
Der beschränkte Blick auf das bürgerliche Leben und selbst die Geschichte scheint zwar zu bestätigen, daß ein beständiges Mißver- hältniß zwischen der Production und Consumtion existire und daß von Zeit zu Zeit dasselbe unter ganzen Völkern mit einer Spaltung hervortrete, die die Bevölkerung auf das schrecklichste hinrafft. Allein man würde, wenn man daraus auf ein beständiges Mißver- hältniß dieser Art in der Volkswirthschaft schließen wollte, sehr in Irrthum gerathen; denn jene Erscheinungen sind Folgen des unzu- friedenen unaufhaltsamen Weiterstrebens der Menschen, der un- gleichen Gütervertheilung, momentaner Stockungen in den Erwerbs- quellen und des Mangels an hinreichenden Mitteln und Wegen, um dem Ueberflusse einer Gegend nach der anderen ärmeren ge- hörigen Abfluß zu verschaffen. Der Trieb zur Vervollkommnung der Lebens- und folglich hauptsächlich der Wirthschaftszustände ist
Baumstark Encyclopädie. 39
den Zwecken, nach Art und Menge der gewählten Mittel hierzu und nach dem Erfolge bemeſſen. In Bezug auf die Perſonen kann man die Conſumtion in Privat-, Geſellſchafts, Gemeinde- und Staatsconſumtion eintheilen, und es iſt wichtig, unter den ein- zelnen Arten derſelben die productive von der unproductiven zu unterſcheiden. Die unproductive Conſumtion richtet ſich nach der Art der Vertheilung des Volksvermögens und -Einkommens, nach der gewohnten Lebensart der Volksklaſſen, nach den Gemeinde- und Staatseinrichtungen und deren Koſten. Sie trifft nur das reine Einkommen. Die productive dagegen erhält ihren Anreiz ſtets von den wachſenden Bedürfniſſen (§. 46–49.) oder von dem Streben, immer mehr zum Genuſſe verwenden zu können. Dieſes Streben geht bis zum Luxus (§. 49.), der nicht an ſich verwerflich iſt, da er ſo lange als ein Beförderungsmittel der Production angeſehen werden muß, als er nicht Folge oder Urſache von Sittenverderbniß, Erzeugniß ungleicher Gütervertheilung iſt und ſo weit getrieben wird, daß er alle Sparſamkeit für edlere Zwecke vernichtet. Er iſt ein natürliches Ergebniß des Zuſammenlebens der Menſchen und ſeine Erſcheinung eine hiſtoriſche Nothwendigkeit3).
1) Ueber Conſumtion ſ. m. Lotz Handb. I. S. 548. §. 82. Rau polit. Oeconom. I. §. 318. say Cours. V. p. 1 sqq. Ueberſ. von v. Th. I. 1. storch Cours, Ueberſ. von Rau. II. 165. HermannUnterſ. S. 327. Mill Elements. p. 219. Mac-Culloch Priciples. p. 389. Ueberſ. S. 314. Ganilh Des syste- mes. II. 346. u. A.
2) Eine bloße Aenderung des Urtheils über den Werth eines Gutes kann daher keine Conſumtion begründen, wie Rau meint.
3) S. auch noch Spittler Vorleſ. über Politik. §. 89. S. 424.
§. 429. 2) Verhältniß zwiſchen Production und Conſumtion.
Der beſchränkte Blick auf das bürgerliche Leben und ſelbſt die Geſchichte ſcheint zwar zu beſtätigen, daß ein beſtändiges Mißver- hältniß zwiſchen der Production und Conſumtion exiſtire und daß von Zeit zu Zeit daſſelbe unter ganzen Völkern mit einer Spaltung hervortrete, die die Bevölkerung auf das ſchrecklichſte hinrafft. Allein man würde, wenn man daraus auf ein beſtändiges Mißver- hältniß dieſer Art in der Volkswirthſchaft ſchließen wollte, ſehr in Irrthum gerathen; denn jene Erſcheinungen ſind Folgen des unzu- friedenen unaufhaltſamen Weiterſtrebens der Menſchen, der un- gleichen Gütervertheilung, momentaner Stockungen in den Erwerbs- quellen und des Mangels an hinreichenden Mitteln und Wegen, um dem Ueberfluſſe einer Gegend nach der anderen ärmeren ge- hörigen Abfluß zu verſchaffen. Der Trieb zur Vervollkommnung der Lebens- und folglich hauptſächlich der Wirthſchaftszuſtände iſt
Baumſtark Encyclopädie. 39
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den Zwecken, nach Art und Menge der gewählten Mittel hierzu
und nach dem Erfolge bemeſſen. In Bezug auf die Perſonen kann
man die Conſumtion in Privat-, Geſellſchafts, Gemeinde- und
Staatsconſumtion eintheilen, und es iſt wichtig, unter den ein-
zelnen Arten derſelben die productive von der unproductiven zu
unterſcheiden. Die unproductive Conſumtion richtet ſich nach der
Art der Vertheilung des Volksvermögens und -Einkommens, nach
der gewohnten Lebensart der Volksklaſſen, nach den Gemeinde-
und Staatseinrichtungen und deren Koſten. Sie trifft nur das reine
Einkommen. Die productive dagegen erhält ihren Anreiz ſtets von
den wachſenden Bedürfniſſen (§. 46–49.) oder von dem Streben,
immer mehr zum Genuſſe verwenden zu können. Dieſes Streben
geht bis zum Luxus (§. 49.), der nicht an ſich verwerflich iſt, da
er ſo lange als ein Beförderungsmittel der Production angeſehen
werden muß, als er nicht Folge oder Urſache von Sittenverderbniß,
Erzeugniß ungleicher Gütervertheilung iſt und ſo weit getrieben
wird, daß er alle Sparſamkeit für edlere Zwecke vernichtet. Er
iſt ein natürliches Ergebniß des Zuſammenlebens der Menſchen und
ſeine Erſcheinung eine hiſtoriſche Nothwendigkeit3).
¹⁾ Ueber Conſumtion ſ. m. Lotz Handb. I. S. 548. §. 82. Rau polit.
Oeconom. I. §. 318. say Cours. V. p. 1 sqq. Ueberſ. von v. Th. I. 1. storch
Cours, Ueberſ. von Rau. II. 165. HermannUnterſ. S. 327. Mill Elements.
p. 219. Mac-Culloch Priciples. p. 389. Ueberſ. S. 314. Ganilh Des syste-
mes. II. 346. u. A.
²⁾ Eine bloße Aenderung des Urtheils über den Werth eines Gutes kann daher
keine Conſumtion begründen, wie Rau meint.
³⁾ S. auch noch Spittler Vorleſ. über Politik. §. 89. S. 424.
§. 429.
2) Verhältniß zwiſchen Production und Conſumtion.
Der beſchränkte Blick auf das bürgerliche Leben und ſelbſt die
Geſchichte ſcheint zwar zu beſtätigen, daß ein beſtändiges Mißver-
hältniß zwiſchen der Production und Conſumtion exiſtire und daß
von Zeit zu Zeit daſſelbe unter ganzen Völkern mit einer Spaltung
hervortrete, die die Bevölkerung auf das ſchrecklichſte hinrafft.
Allein man würde, wenn man daraus auf ein beſtändiges Mißver-
hältniß dieſer Art in der Volkswirthſchaft ſchließen wollte, ſehr in
Irrthum gerathen; denn jene Erſcheinungen ſind Folgen des unzu-
friedenen unaufhaltſamen Weiterſtrebens der Menſchen, der un-
gleichen Gütervertheilung, momentaner Stockungen in den Erwerbs-
quellen und des Mangels an hinreichenden Mitteln und Wegen,
um dem Ueberfluſſe einer Gegend nach der anderen ärmeren ge-
hörigen Abfluß zu verſchaffen. Der Trieb zur Vervollkommnung
der Lebens- und folglich hauptſächlich der Wirthſchaftszuſtände iſt
Baumſtark Encyclopädie. 39
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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/631>, abgerufen am 25.11.2024.
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