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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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vom Capitale überhaupt gelte, hat Rau (polit. Oeconom. §. 195.) gezeigt, weil
die ins Ausland wandernden Capitalien im Inlande nicht auf den Lohn wirken und
das stehende Capital ebenfalls nicht. Allein es ist doch klar, daß nicht blos das
Capital, sondern auch der Consumtionsvorrath oder mit andern Worten, nicht blos
das rohe, sondern auch das reine Einkommen, jenes Productivdienste, dieses auch
unproductive Arbeiten in Bewegung setzt. Die Untersuchung der Folgen des Ver-
hältnisses, wonach der einen oder andern Art von Diensten Einkommen gewidmet
wird, ist zur Erforschung des wirthschaftlichen und anderen Volkswohlstandes sehr
wichtig. Das Angebot von Arbeit richtet sich nach der Menge von bereitstehenden
Arbeitern, aber diese hängt ab nicht blos von der Größe der arbeitenden Bevölkerung
im Allgemeinen, sondern vielmehr auch von der Menge von Arbeitern in jedem
bestimmten Arbeitszweige, diese aber richtet sich nach der Häufigkeit und Seltenheit
der dazu nöthigen Eigenschaften, nach der Bereitschaft von Mitteln zur Erlernung
einer Arbeit, nach der Gefahr und Unannehmlichkeit der Arbeit, und nach einer
Reihe subjectiver Rücksichten, als da sind Sicherheit und Dauer der Anstellung, Art
der Behandlung und Achtung u. dgl. m. Es ist nun freilich im Grundsatze wahr,
daß niedriger Lohn zufolge geringen Begehrs oder anderer Ursachen die Arbeiter
bestimmt, anderswo oder andere lohnendere Arbeit zu suchen. Allein diesem Wechsel
stehen viele, oft unübersteigliche Hindernisse entgegen. Sie sind hauptsächlich fol-
gende: a) Mangel an Capital in andern Gewerben und größere Sparsamkeit in
unproductiver Consumtion; b) fortwährende Gewerbsverbesserungen und Erfindungen
von Maschinen, welche Arbeiter entbehrlich machen; c) Entfernung der Orte, wo
größere Nachfrage nach Arbeit Statt findet, Mangel an Mitteln in den Händen der
Arbeiter, um dorthin zu gelangen, und Staatsgesetze, welche der Uebersiedelung
entgegen sind, als Geschlossenheit der Gemeinden, Zunftgesetze, Verbot des Aus-
wanderns der Arbeiter, wie in Großbrittannien vor a. 1824; d) Seltenheit der
Geschicklichkeit für verschiedene Geschäfte, größere oder geringere Untauglichkeit für
andere Arbeiten als Folge der Angewöhnung bei Arbeitstheilung, und Scheu vor
niederern Geschäften, als die bisherigen waren. Entstehen nun schon dadurch viele
Uebelstände, so gehen auch solche aus periodischen Veränderungen im Geldwesen
hervor, welchen der Arbeitslohn in seiner Größe nicht immer sogleich folgen kann,
so daß Mißverhältnisse zwischen dem Lohne und den hohen Preisen der Lebensmittel
entstehen.
4) Ueber die Priorität des Gedankens wegen des umgekehrten Verhältnisses
zwischen Gewinn und Arbeitslohn s. m. Meine Versuche. S. 87. Note. Eine
besondere Aufmerksamkeit verdient aber die Ansicht Ricardo's über den Einfluß
des Lohnes auf den Preis der Waaren, und Rau's Entgegnung auf dieselbe. Die
Erstere ist blos eine Fortsetzung der oben (§. 418. N. 3.) schon angeführten Sätze.
Ricardo fährt nämlich (p. 25-28.) so fort: Keine Veränderung im Arbeitslohne
kann eine solche im relativen Werthe der Güter hervorbringen. Denn zur Erstat-
tung eines umlaufenden Capitals von 100 L mit 10% Zinsen müssen 110 L
eingehen, zur Erstattung eines gleichen stehenden Capitals in zehn Jahren mit dem
nämlichen Gewinne müssen jährlich 16,27L. eingehen, denn diese Rente macht in
10 Jahren auch obige Summe. Denkt man sich in zwei so bestellten Gewerben ein
Steigen des Lohnes um 10%, so werden beide gleich betheiligt, da zur Production
der früheren Gütermenge jetzt 10% umlaufendes Capital mehr nöthig werden
Früher mußten die sämmtlichen producirten Güter um 100+10+16,27=126,27 L.
verkauft werden, jetzt aber nicht höher, obschon der Capitalbetrag in beiden Gewerben
anstatt der früheren 200 L. jetzt 210 L. macht. Die Gewinnste reduciren sich gleich-
mäßig und die Güter behalten gleichen relativen Werth. Kann aber mit dem
gleichen Capitale und Arbeitsquantum mehr von dem einen als vom andern Pro-
ducte hervorgebracht werden, so ist das Gleichgewicht gestört und es sinkt der relative
Werth der in größerer Menge producirten Güter gegen jenen der Andern. Ist das
Werthsmaaß unveränderlich, so ist die äußerste Grenze eines andauernden Steigens
der Preise der Waaren proportional zum Arbeitszusatze für ihre Production. Ein
Steigen des Arbeitslohns erhöht sie nicht im Geldwerthe und nicht relativ zu andern
Waaren, deren Production keinen Arbeitszusatz erheischte, die nämliche Proportion
stehenden und umlaufenden Capitals anwendete, und stehendes Capital von gleicher
Dauer hat. Wird mehr oder weniger Arbeit in der Production der Waaren
vom Capitale überhaupt gelte, hat Rau (polit. Oeconom. §. 195.) gezeigt, weil
die ins Ausland wandernden Capitalien im Inlande nicht auf den Lohn wirken und
das ſtehende Capital ebenfalls nicht. Allein es iſt doch klar, daß nicht blos das
Capital, ſondern auch der Conſumtionsvorrath oder mit andern Worten, nicht blos
das rohe, ſondern auch das reine Einkommen, jenes Productivdienſte, dieſes auch
unproductive Arbeiten in Bewegung ſetzt. Die Unterſuchung der Folgen des Ver-
hältniſſes, wonach der einen oder andern Art von Dienſten Einkommen gewidmet
wird, iſt zur Erforſchung des wirthſchaftlichen und anderen Volkswohlſtandes ſehr
wichtig. Das Angebot von Arbeit richtet ſich nach der Menge von bereitſtehenden
Arbeitern, aber dieſe hängt ab nicht blos von der Größe der arbeitenden Bevölkerung
im Allgemeinen, ſondern vielmehr auch von der Menge von Arbeitern in jedem
beſtimmten Arbeitszweige, dieſe aber richtet ſich nach der Häufigkeit und Seltenheit
der dazu nöthigen Eigenſchaften, nach der Bereitſchaft von Mitteln zur Erlernung
einer Arbeit, nach der Gefahr und Unannehmlichkeit der Arbeit, und nach einer
Reihe ſubjectiver Rückſichten, als da ſind Sicherheit und Dauer der Anſtellung, Art
der Behandlung und Achtung u. dgl. m. Es iſt nun freilich im Grundſatze wahr,
daß niedriger Lohn zufolge geringen Begehrs oder anderer Urſachen die Arbeiter
beſtimmt, anderswo oder andere lohnendere Arbeit zu ſuchen. Allein dieſem Wechſel
ſtehen viele, oft unüberſteigliche Hinderniſſe entgegen. Sie ſind hauptſächlich fol-
gende: a) Mangel an Capital in andern Gewerben und größere Sparſamkeit in
unproductiver Conſumtion; b) fortwährende Gewerbsverbeſſerungen und Erfindungen
von Maſchinen, welche Arbeiter entbehrlich machen; c) Entfernung der Orte, wo
größere Nachfrage nach Arbeit Statt findet, Mangel an Mitteln in den Händen der
Arbeiter, um dorthin zu gelangen, und Staatsgeſetze, welche der Ueberſiedelung
entgegen ſind, als Geſchloſſenheit der Gemeinden, Zunftgeſetze, Verbot des Aus-
wanderns der Arbeiter, wie in Großbrittannien vor a. 1824; d) Seltenheit der
Geſchicklichkeit für verſchiedene Geſchäfte, größere oder geringere Untauglichkeit für
andere Arbeiten als Folge der Angewöhnung bei Arbeitstheilung, und Scheu vor
niederern Geſchäften, als die bisherigen waren. Entſtehen nun ſchon dadurch viele
Uebelſtände, ſo gehen auch ſolche aus periodiſchen Veränderungen im Geldweſen
hervor, welchen der Arbeitslohn in ſeiner Größe nicht immer ſogleich folgen kann,
ſo daß Mißverhältniſſe zwiſchen dem Lohne und den hohen Preiſen der Lebensmittel
entſtehen.
4) Ueber die Priorität des Gedankens wegen des umgekehrten Verhältniſſes
zwiſchen Gewinn und Arbeitslohn ſ. m. Meine Verſuche. S. 87. Note. Eine
beſondere Aufmerkſamkeit verdient aber die Anſicht Ricardo's über den Einfluß
des Lohnes auf den Preis der Waaren, und Rau's Entgegnung auf dieſelbe. Die
Erſtere iſt blos eine Fortſetzung der oben (§. 418. N. 3.) ſchon angeführten Sätze.
Ricardo fährt nämlich (p. 25–28.) ſo fort: Keine Veränderung im Arbeitslohne
kann eine ſolche im relativen Werthe der Güter hervorbringen. Denn zur Erſtat-
tung eines umlaufenden Capitals von 100 L mit 10% Zinſen müſſen 110 L
eingehen, zur Erſtattung eines gleichen ſtehenden Capitals in zehn Jahren mit dem
nämlichen Gewinne müſſen jährlich 16,27L. eingehen, denn dieſe Rente macht in
10 Jahren auch obige Summe. Denkt man ſich in zwei ſo beſtellten Gewerben ein
Steigen des Lohnes um 10%, ſo werden beide gleich betheiligt, da zur Production
der früheren Gütermenge jetzt 10% umlaufendes Capital mehr nöthig werden
Früher mußten die ſämmtlichen producirten Güter um 100+10+16,27=126,27 L.
verkauft werden, jetzt aber nicht höher, obſchon der Capitalbetrag in beiden Gewerben
anſtatt der früheren 200 L. jetzt 210 L. macht. Die Gewinnſte reduciren ſich gleich-
mäßig und die Güter behalten gleichen relativen Werth. Kann aber mit dem
gleichen Capitale und Arbeitsquantum mehr von dem einen als vom andern Pro-
ducte hervorgebracht werden, ſo iſt das Gleichgewicht geſtört und es ſinkt der relative
Werth der in größerer Menge producirten Güter gegen jenen der Andern. Iſt das
Werthsmaaß unveränderlich, ſo iſt die äußerſte Grenze eines andauernden Steigens
der Preiſe der Waaren proportional zum Arbeitszuſatze für ihre Production. Ein
Steigen des Arbeitslohns erhöht ſie nicht im Geldwerthe und nicht relativ zu andern
Waaren, deren Production keinen Arbeitszuſatz erheiſchte, die nämliche Proportion
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Dauer hat. Wird mehr oder weniger Arbeit in der Production der Waaren
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[598/0620] ³⁾ vom Capitale überhaupt gelte, hat Rau (polit. Oeconom. §. 195.) gezeigt, weil die ins Ausland wandernden Capitalien im Inlande nicht auf den Lohn wirken und das ſtehende Capital ebenfalls nicht. Allein es iſt doch klar, daß nicht blos das Capital, ſondern auch der Conſumtionsvorrath oder mit andern Worten, nicht blos das rohe, ſondern auch das reine Einkommen, jenes Productivdienſte, dieſes auch unproductive Arbeiten in Bewegung ſetzt. Die Unterſuchung der Folgen des Ver- hältniſſes, wonach der einen oder andern Art von Dienſten Einkommen gewidmet wird, iſt zur Erforſchung des wirthſchaftlichen und anderen Volkswohlſtandes ſehr wichtig. Das Angebot von Arbeit richtet ſich nach der Menge von bereitſtehenden Arbeitern, aber dieſe hängt ab nicht blos von der Größe der arbeitenden Bevölkerung im Allgemeinen, ſondern vielmehr auch von der Menge von Arbeitern in jedem beſtimmten Arbeitszweige, dieſe aber richtet ſich nach der Häufigkeit und Seltenheit der dazu nöthigen Eigenſchaften, nach der Bereitſchaft von Mitteln zur Erlernung einer Arbeit, nach der Gefahr und Unannehmlichkeit der Arbeit, und nach einer Reihe ſubjectiver Rückſichten, als da ſind Sicherheit und Dauer der Anſtellung, Art der Behandlung und Achtung u. dgl. m. Es iſt nun freilich im Grundſatze wahr, daß niedriger Lohn zufolge geringen Begehrs oder anderer Urſachen die Arbeiter beſtimmt, anderswo oder andere lohnendere Arbeit zu ſuchen. Allein dieſem Wechſel ſtehen viele, oft unüberſteigliche Hinderniſſe entgegen. Sie ſind hauptſächlich fol- gende: a) Mangel an Capital in andern Gewerben und größere Sparſamkeit in unproductiver Conſumtion; b) fortwährende Gewerbsverbeſſerungen und Erfindungen von Maſchinen, welche Arbeiter entbehrlich machen; c) Entfernung der Orte, wo größere Nachfrage nach Arbeit Statt findet, Mangel an Mitteln in den Händen der Arbeiter, um dorthin zu gelangen, und Staatsgeſetze, welche der Ueberſiedelung entgegen ſind, als Geſchloſſenheit der Gemeinden, Zunftgeſetze, Verbot des Aus- wanderns der Arbeiter, wie in Großbrittannien vor a. 1824; d) Seltenheit der Geſchicklichkeit für verſchiedene Geſchäfte, größere oder geringere Untauglichkeit für andere Arbeiten als Folge der Angewöhnung bei Arbeitstheilung, und Scheu vor niederern Geſchäften, als die bisherigen waren. Entſtehen nun ſchon dadurch viele Uebelſtände, ſo gehen auch ſolche aus periodiſchen Veränderungen im Geldweſen hervor, welchen der Arbeitslohn in ſeiner Größe nicht immer ſogleich folgen kann, ſo daß Mißverhältniſſe zwiſchen dem Lohne und den hohen Preiſen der Lebensmittel entſtehen. ⁴⁾ Ueber die Priorität des Gedankens wegen des umgekehrten Verhältniſſes zwiſchen Gewinn und Arbeitslohn ſ. m. Meine Verſuche. S. 87. Note. Eine beſondere Aufmerkſamkeit verdient aber die Anſicht Ricardo's über den Einfluß des Lohnes auf den Preis der Waaren, und Rau's Entgegnung auf dieſelbe. Die Erſtere iſt blos eine Fortſetzung der oben (§. 418. N. 3.) ſchon angeführten Sätze. Ricardo fährt nämlich (p. 25–28.) ſo fort: Keine Veränderung im Arbeitslohne kann eine ſolche im relativen Werthe der Güter hervorbringen. Denn zur Erſtat- tung eines umlaufenden Capitals von 100 L mit 10% Zinſen müſſen 110 L eingehen, zur Erſtattung eines gleichen ſtehenden Capitals in zehn Jahren mit dem nämlichen Gewinne müſſen jährlich 16,27L. eingehen, denn dieſe Rente macht in 10 Jahren auch obige Summe. Denkt man ſich in zwei ſo beſtellten Gewerben ein Steigen des Lohnes um 10%, ſo werden beide gleich betheiligt, da zur Production der früheren Gütermenge jetzt 10% umlaufendes Capital mehr nöthig werden Früher mußten die ſämmtlichen producirten Güter um 100+10+16,27=126,27 L. verkauft werden, jetzt aber nicht höher, obſchon der Capitalbetrag in beiden Gewerben anſtatt der früheren 200 L. jetzt 210 L. macht. Die Gewinnſte reduciren ſich gleich- mäßig und die Güter behalten gleichen relativen Werth. Kann aber mit dem gleichen Capitale und Arbeitsquantum mehr von dem einen als vom andern Pro- ducte hervorgebracht werden, ſo iſt das Gleichgewicht geſtört und es ſinkt der relative Werth der in größerer Menge producirten Güter gegen jenen der Andern. Iſt das Werthsmaaß unveränderlich, ſo iſt die äußerſte Grenze eines andauernden Steigens der Preiſe der Waaren proportional zum Arbeitszuſatze für ihre Production. Ein Steigen des Arbeitslohns erhöht ſie nicht im Geldwerthe und nicht relativ zu andern Waaren, deren Production keinen Arbeitszuſatz erheiſchte, die nämliche Proportion ſtehenden und umlaufenden Capitals anwendete, und ſtehendes Capital von gleicher Dauer hat. Wird mehr oder weniger Arbeit in der Production der Waaren

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/620>, abgerufen am 25.11.2024.