Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

üblichsten sind die Wachs- und die Talglichter1). Die Verferti-
gung der Dochte aus Baumwollefäden allein oder in Verbindung
mit Leinfäden ist das erste Geschäft. Man hat dazu ein eigenes
Tischgeräthe, entweder einen Dochtschneider oder eine Docht-
bank, worauf man die Fäden in beliebiger Länge zusammen-
schneidet2). Sind die Dochte so weit fertig, so werden sie in
glühender Asche ausgetrocknet, und können so zum Lichtermachen
verwendet werden. Die Lichter werden entweder gegossen oder ge-
zogen. A. Die Lichtgießerei ist aber bei den Talglichtern an-
ders als bei den Wachslichtern. Zum Gießen der Talglichter
nimmt man Rindnierentalg und Hammelstalg, schmelzt ihn in
einem verzinnten Eisenkessel, bis er ganz klar ist, mit einem kleinen
Wasserzusatze, und gießt ihn dann zur Abkühlung in einen Kasten.
Man hat Lichterformen von Glas, Zinn, verzinntem Kupfer- oder
Eisenblech von der erforderlichen Größe, welche nach unten sich
trichterförmig zuspitzen. In diese Formen wird der Docht gesteckt,
unten nämlich mit einem Stöpfel in der kleinen Oeffnung befestigt,
oben aber über einen Draht an dem Rande der Form gespannt,
so daß er genau die Axe der Form bildet, und dann der abgekühlte
Talg mit einer Kanne eingegossen. So sind diese Lichter, nach
dem Erstarren des Talges zum Gebrauche fertig. Aber das Gießen
der Wachslichter ist umständlicher. Das Wachs wird mit einem
Zusatze von Terpentin oder weißem Talge in einem eben solchen
Kessel geschmolzen, der aber ringsum mit einem hölzernen Getäfel
versehen ist. Auf dem Boden der Werkstätte ist ein Wagestock be-
festigt, auf welchem ein mittelst einer Kette auf- und abwärts zu
richtender Balken liegt und über den Schmelzkessel hinreicht. An
diesem Ende des Balkens hängt vermittelst einer senkrechten dreh-
baren Eisenstange gehalten eine also auch drehbare Holzscheibe,
an derem äußeren Rande in einiger Entfernung von einander
Nägel wagerecht eingeschlagen sind, um die Dochte daran aufhän-
gen zu können. Wenn der Wagebalken ruhig steht, so deckt die
eine Hälfte der Scheibe auch die Hälfte des Kessels. Um denselben
aber stellen zu können, wird das eine oder andere Ende desselben
zwischen die Zinken einer lothrecht neben dem Kessel in die Höhe
stehenden Gabel gesteckt. Da nun die Scheibe doch beweglich ist,
so dreht man sie leise um und begießt die herabhängenden Dochte
von den Nägeln an einen nach dem andern mit Wachs, und fährt
so fort bis die Lichter die halbe Dicke haben. Dies ist der Vor-
guß. Um aber die Lichter auch an den Spitzen so dick wie sonst
zu machen, wird die Scheibe schnell gedreht, so daß die Kerzen
sich stark abfliegend im Kreise drehen, während dessen man die

üblichſten ſind die Wachs- und die Talglichter1). Die Verferti-
gung der Dochte aus Baumwollefäden allein oder in Verbindung
mit Leinfäden iſt das erſte Geſchäft. Man hat dazu ein eigenes
Tiſchgeräthe, entweder einen Dochtſchneider oder eine Docht-
bank, worauf man die Fäden in beliebiger Länge zuſammen-
ſchneidet2). Sind die Dochte ſo weit fertig, ſo werden ſie in
glühender Aſche ausgetrocknet, und können ſo zum Lichtermachen
verwendet werden. Die Lichter werden entweder gegoſſen oder ge-
zogen. A. Die Lichtgießerei iſt aber bei den Talglichtern an-
ders als bei den Wachslichtern. Zum Gießen der Talglichter
nimmt man Rindnierentalg und Hammelstalg, ſchmelzt ihn in
einem verzinnten Eiſenkeſſel, bis er ganz klar iſt, mit einem kleinen
Waſſerzuſatze, und gießt ihn dann zur Abkühlung in einen Kaſten.
Man hat Lichterformen von Glas, Zinn, verzinntem Kupfer- oder
Eiſenblech von der erforderlichen Größe, welche nach unten ſich
trichterförmig zuſpitzen. In dieſe Formen wird der Docht geſteckt,
unten nämlich mit einem Stöpfel in der kleinen Oeffnung befeſtigt,
oben aber über einen Draht an dem Rande der Form geſpannt,
ſo daß er genau die Axe der Form bildet, und dann der abgekühlte
Talg mit einer Kanne eingegoſſen. So ſind dieſe Lichter, nach
dem Erſtarren des Talges zum Gebrauche fertig. Aber das Gießen
der Wachslichter iſt umſtändlicher. Das Wachs wird mit einem
Zuſatze von Terpentin oder weißem Talge in einem eben ſolchen
Keſſel geſchmolzen, der aber ringsum mit einem hölzernen Getäfel
verſehen iſt. Auf dem Boden der Werkſtätte iſt ein Wageſtock be-
feſtigt, auf welchem ein mittelſt einer Kette auf- und abwärts zu
richtender Balken liegt und über den Schmelzkeſſel hinreicht. An
dieſem Ende des Balkens hängt vermittelſt einer ſenkrechten dreh-
baren Eiſenſtange gehalten eine alſo auch drehbare Holzſcheibe,
an derem äußeren Rande in einiger Entfernung von einander
Nägel wagerecht eingeſchlagen ſind, um die Dochte daran aufhän-
gen zu können. Wenn der Wagebalken ruhig ſteht, ſo deckt die
eine Hälfte der Scheibe auch die Hälfte des Keſſels. Um denſelben
aber ſtellen zu können, wird das eine oder andere Ende deſſelben
zwiſchen die Zinken einer lothrecht neben dem Keſſel in die Höhe
ſtehenden Gabel geſteckt. Da nun die Scheibe doch beweglich iſt,
ſo dreht man ſie leiſe um und begießt die herabhängenden Dochte
von den Nägeln an einen nach dem andern mit Wachs, und fährt
ſo fort bis die Lichter die halbe Dicke haben. Dies iſt der Vor-
guß. Um aber die Lichter auch an den Spitzen ſo dick wie ſonſt
zu machen, wird die Scheibe ſchnell gedreht, ſo daß die Kerzen
ſich ſtark abfliegend im Kreiſe drehen, während deſſen man die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0435" n="413"/>
üblich&#x017F;ten &#x017F;ind die Wachs- und die Talglichter<hi rendition="#sup">1</hi>). Die Verferti-<lb/>
gung der Dochte aus Baumwollefäden allein oder in Verbindung<lb/>
mit Leinfäden i&#x017F;t das er&#x017F;te Ge&#x017F;chäft. Man hat dazu ein eigenes<lb/>
Ti&#x017F;chgeräthe, entweder einen <hi rendition="#g">Docht&#x017F;chneider</hi> oder eine <hi rendition="#g">Docht</hi>-<lb/><hi rendition="#g">bank</hi>, worauf man die Fäden in beliebiger Länge zu&#x017F;ammen-<lb/>
&#x017F;chneidet<hi rendition="#sup">2</hi>). Sind die Dochte &#x017F;o weit fertig, &#x017F;o werden &#x017F;ie in<lb/>
glühender A&#x017F;che ausgetrocknet, und können &#x017F;o zum Lichtermachen<lb/>
verwendet werden. Die Lichter werden entweder gego&#x017F;&#x017F;en oder ge-<lb/>
zogen. <hi rendition="#aq">A.</hi> <hi rendition="#g">Die Lichtgießerei</hi> i&#x017F;t aber bei den Talglichtern an-<lb/>
ders als bei den Wachslichtern. Zum Gießen der <hi rendition="#g">Talglichter</hi><lb/>
nimmt man Rindnierentalg und Hammelstalg, &#x017F;chmelzt ihn in<lb/>
einem verzinnten Ei&#x017F;enke&#x017F;&#x017F;el, bis er ganz klar i&#x017F;t, mit einem kleinen<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;erzu&#x017F;atze, und gießt ihn dann zur Abkühlung in einen Ka&#x017F;ten.<lb/>
Man hat Lichterformen von Glas, Zinn, verzinntem Kupfer- oder<lb/>
Ei&#x017F;enblech von der erforderlichen Größe, welche nach unten &#x017F;ich<lb/>
trichterförmig zu&#x017F;pitzen. In die&#x017F;e Formen wird der Docht ge&#x017F;teckt,<lb/>
unten nämlich mit einem Stöpfel in der kleinen Oeffnung befe&#x017F;tigt,<lb/>
oben aber über einen Draht an dem Rande der Form ge&#x017F;pannt,<lb/>
&#x017F;o daß er genau die Axe der Form bildet, und dann der abgekühlte<lb/>
Talg mit einer Kanne eingego&#x017F;&#x017F;en. So &#x017F;ind die&#x017F;e Lichter, nach<lb/>
dem Er&#x017F;tarren des Talges zum Gebrauche fertig. Aber das Gießen<lb/>
der <hi rendition="#g">Wachslichter</hi> i&#x017F;t um&#x017F;tändlicher. Das Wachs wird mit einem<lb/>
Zu&#x017F;atze von Terpentin oder weißem Talge in einem eben &#x017F;olchen<lb/>
Ke&#x017F;&#x017F;el ge&#x017F;chmolzen, der aber ringsum mit einem hölzernen Getäfel<lb/>
ver&#x017F;ehen i&#x017F;t. Auf dem Boden der Werk&#x017F;tätte i&#x017F;t ein Wage&#x017F;tock be-<lb/>
fe&#x017F;tigt, auf welchem ein mittel&#x017F;t einer Kette auf- und abwärts zu<lb/>
richtender Balken liegt und über den Schmelzke&#x017F;&#x017F;el hinreicht. An<lb/>
die&#x017F;em Ende des Balkens hängt vermittel&#x017F;t einer &#x017F;enkrechten dreh-<lb/>
baren Ei&#x017F;en&#x017F;tange gehalten eine al&#x017F;o auch drehbare Holz&#x017F;cheibe,<lb/>
an derem äußeren Rande in einiger Entfernung von einander<lb/>
Nägel wagerecht einge&#x017F;chlagen &#x017F;ind, um die Dochte daran aufhän-<lb/>
gen zu können. Wenn der Wagebalken ruhig &#x017F;teht, &#x017F;o deckt die<lb/>
eine Hälfte der Scheibe auch die Hälfte des Ke&#x017F;&#x017F;els. Um den&#x017F;elben<lb/>
aber &#x017F;tellen zu können, wird das eine oder andere Ende de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
zwi&#x017F;chen die Zinken einer lothrecht neben dem Ke&#x017F;&#x017F;el in die Höhe<lb/>
&#x017F;tehenden Gabel ge&#x017F;teckt. Da nun die Scheibe doch beweglich i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o dreht man &#x017F;ie lei&#x017F;e um und begießt die herabhängenden Dochte<lb/>
von den Nägeln an einen nach dem andern mit Wachs, und fährt<lb/>
&#x017F;o fort bis die Lichter die halbe Dicke haben. Dies i&#x017F;t der <hi rendition="#g">Vor</hi>-<lb/><hi rendition="#g">guß</hi>. Um aber die Lichter auch an den Spitzen &#x017F;o dick wie &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
zu machen, wird die Scheibe &#x017F;chnell gedreht, &#x017F;o daß die Kerzen<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;tark abfliegend im Krei&#x017F;e drehen, während de&#x017F;&#x017F;en man die<lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[413/0435] üblichſten ſind die Wachs- und die Talglichter1). Die Verferti- gung der Dochte aus Baumwollefäden allein oder in Verbindung mit Leinfäden iſt das erſte Geſchäft. Man hat dazu ein eigenes Tiſchgeräthe, entweder einen Dochtſchneider oder eine Docht- bank, worauf man die Fäden in beliebiger Länge zuſammen- ſchneidet2). Sind die Dochte ſo weit fertig, ſo werden ſie in glühender Aſche ausgetrocknet, und können ſo zum Lichtermachen verwendet werden. Die Lichter werden entweder gegoſſen oder ge- zogen. A. Die Lichtgießerei iſt aber bei den Talglichtern an- ders als bei den Wachslichtern. Zum Gießen der Talglichter nimmt man Rindnierentalg und Hammelstalg, ſchmelzt ihn in einem verzinnten Eiſenkeſſel, bis er ganz klar iſt, mit einem kleinen Waſſerzuſatze, und gießt ihn dann zur Abkühlung in einen Kaſten. Man hat Lichterformen von Glas, Zinn, verzinntem Kupfer- oder Eiſenblech von der erforderlichen Größe, welche nach unten ſich trichterförmig zuſpitzen. In dieſe Formen wird der Docht geſteckt, unten nämlich mit einem Stöpfel in der kleinen Oeffnung befeſtigt, oben aber über einen Draht an dem Rande der Form geſpannt, ſo daß er genau die Axe der Form bildet, und dann der abgekühlte Talg mit einer Kanne eingegoſſen. So ſind dieſe Lichter, nach dem Erſtarren des Talges zum Gebrauche fertig. Aber das Gießen der Wachslichter iſt umſtändlicher. Das Wachs wird mit einem Zuſatze von Terpentin oder weißem Talge in einem eben ſolchen Keſſel geſchmolzen, der aber ringsum mit einem hölzernen Getäfel verſehen iſt. Auf dem Boden der Werkſtätte iſt ein Wageſtock be- feſtigt, auf welchem ein mittelſt einer Kette auf- und abwärts zu richtender Balken liegt und über den Schmelzkeſſel hinreicht. An dieſem Ende des Balkens hängt vermittelſt einer ſenkrechten dreh- baren Eiſenſtange gehalten eine alſo auch drehbare Holzſcheibe, an derem äußeren Rande in einiger Entfernung von einander Nägel wagerecht eingeſchlagen ſind, um die Dochte daran aufhän- gen zu können. Wenn der Wagebalken ruhig ſteht, ſo deckt die eine Hälfte der Scheibe auch die Hälfte des Keſſels. Um denſelben aber ſtellen zu können, wird das eine oder andere Ende deſſelben zwiſchen die Zinken einer lothrecht neben dem Keſſel in die Höhe ſtehenden Gabel geſteckt. Da nun die Scheibe doch beweglich iſt, ſo dreht man ſie leiſe um und begießt die herabhängenden Dochte von den Nägeln an einen nach dem andern mit Wachs, und fährt ſo fort bis die Lichter die halbe Dicke haben. Dies iſt der Vor- guß. Um aber die Lichter auch an den Spitzen ſo dick wie ſonſt zu machen, wird die Scheibe ſchnell gedreht, ſo daß die Kerzen ſich ſtark abfliegend im Kreiſe drehen, während deſſen man die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/435
Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/435>, abgerufen am 22.11.2024.