Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_632.001 Wohl hab' ich gethan, vorsorgend dem Volk, pba_632.003 Daß in unsere Stadt ansiedelnd ich auf pba_632.004 Die gewaltigen, schwer zu versöhnenden nahm --; pba_632.005 Denn zu schaffen der Sterblichen Wohl und Weh pba_632.006 Ward ihnen zu teil; pba_632.007 Wem sie nicht hold, nicht weiß er, woher pba_632.008 Jhn treffen die Schläge des Lebens; pba_632.009 Denn die Schuld von den Vätern ererbet, sie treibt pba_632.010 Jhn in ihre Gewalt; und ein lautlos End', pba_632.011 Ob er laut auch prahlt, pba_632.012 Es vergräbt ihn in grauser Vernichtung! pba_632.013 pba_632.017
vermögen. Doch sei eine möglichst genau dem Wortlaut folgende Wiedergabe versucht, pba_632.018 um die im obigen Texte vertretene Auffassung zu rechtfertigen (vgl. Äschyl. ed. pba_632.019 G. Hermann, V. 943-952): pba_632.020 androkmetas d'aorous apennepo tukhas, pba_632.021 pba_632.038neanidon t'eperaton pba_632.022 androtukheis biotous dote, kuri' ekhontes, pba_632.023 theai t' o Moirai, matrokasignetai, pba_632.024 daimones orthonomoi, pba_632.025 panti domo metakoinoi, pba_632.026 panti khrono d'epibritheis pba_632.027 endikois omiliais, pba_632.028 panta timiotatai theon. pba_632.029 Menschen vor der Zeit entraffend Schicksal halt' ich fern! pba_632.030 Doch der Liebe Bund, o schenkt pba_632.031 Menschenerhaltende Dauer, ihr Göttinnen, waltend pba_632.032 Des Amtes, und Moiren, schwestergesellt, auch ihr, pba_632.033 Hütend der Ordnung Gesetz, pba_632.034 Heimisch an jeglichem Herde, pba_632.035 Segens für jegliche Zeit reich pba_632.036 Jedem Bund nach heil'gem Recht, pba_632.037 Überall der Götter höchst verehrte! Für das griechische Ohr war der Gedanke an die "Horen", obwohl sie nicht pba_632.039 genannt, sondern nur ihrem Wesen nach bezeichnet sind, schon durch den Gegensatz zu pba_632.040 den tukhai aoroi des ersten Verses, ebenso durch das Epitheton panti khrono pba_632.041 d'epibritheis gegeben, ganz abgesehen davon, daß sie mit den Moiren in Gemeinschaft pba_632.042 zu denken als die das von jenen geordnete Geschick den Menschen bringen, eine der pba_632.043 gewohntesten Vorstellungen der griechischen Religion war. pba_632.001 Wohl hab' ich gethan, vorsorgend dem Volk, pba_632.003 Daß in unsere Stadt ansiedelnd ich auf pba_632.004 Die gewaltigen, schwer zu versöhnenden nahm —; pba_632.005 Denn zu schaffen der Sterblichen Wohl und Weh pba_632.006 Ward ihnen zu teil; pba_632.007 Wem sie nicht hold, nicht weiß er, woher pba_632.008 Jhn treffen die Schläge des Lebens; pba_632.009 Denn die Schuld von den Vätern ererbet, sie treibt pba_632.010 Jhn in ihre Gewalt; und ein lautlos End', pba_632.011 Ob er laut auch prahlt, pba_632.012 Es vergräbt ihn in grauser Vernichtung! pba_632.013 pba_632.017
vermögen. Doch sei eine möglichst genau dem Wortlaut folgende Wiedergabe versucht, pba_632.018 um die im obigen Texte vertretene Auffassung zu rechtfertigen (vgl. Äschyl. ed. pba_632.019 G. Hermann, V. 943–952): pba_632.020 ἀνδροκμῆτας δ'ὰώρους ἀπεννέπω τύχας, pba_632.021 pba_632.038νεανίδων τ'ἐπηράτων pba_632.022 ἀνδροτυχεῖς βιότους δότε, κύρι' ἔχοντες, pba_632.023 θεαί τ' ὦ Μοῖραι, ματροκασιγνῆται, pba_632.024 δαίμονες ὀρθονόμοι, pba_632.025 παντὶ δόμῳ μετάκοινοι, pba_632.026 παντὶ χρόνῳ δ'ἐπιβριθεῖς pba_632.027 ἐνδίκοις ὁμιλίαις, pba_632.028 πάντᾳ τιμιώταται θεῶν. pba_632.029 Menschen vor der Zeit entraffend Schicksal halt' ich fern! pba_632.030 Doch der Liebe Bund, o schenkt pba_632.031 Menschenerhaltende Dauer, ihr Göttinnen, waltend pba_632.032 Des Amtes, und Moiren, schwestergesellt, auch ihr, pba_632.033 Hütend der Ordnung Gesetz, pba_632.034 Heimisch an jeglichem Herde, pba_632.035 Segens für jegliche Zeit reich pba_632.036 Jedem Bund nach heil'gem Recht, pba_632.037 Überall der Götter höchst verehrte! Für das griechische Ohr war der Gedanke an die „Horen“, obwohl sie nicht pba_632.039 genannt, sondern nur ihrem Wesen nach bezeichnet sind, schon durch den Gegensatz zu pba_632.040 den τύχαι ἄωροι des ersten Verses, ebenso durch das Epitheton παντὶ χρόνῳ pba_632.041 δ'ἐπιβριθεῖς gegeben, ganz abgesehen davon, daß sie mit den Moiren in Gemeinschaft pba_632.042 zu denken als die das von jenen geordnete Geschick den Menschen bringen, eine der pba_632.043 gewohntesten Vorstellungen der griechischen Religion war. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0650" n="632"/> <p><lb n="pba_632.001"/> So mag denn Athene es rühmen:</p> <lb n="pba_632.002"/> <lg> <l>Wohl hab' ich gethan, vorsorgend dem Volk,</l> <lb n="pba_632.003"/> <l>Daß in unsere Stadt ansiedelnd ich auf</l> <lb n="pba_632.004"/> <l>Die gewaltigen, schwer zu versöhnenden nahm —;</l> <lb n="pba_632.005"/> <l>Denn zu schaffen der Sterblichen Wohl und Weh</l> <lb n="pba_632.006"/> <l> Ward ihnen zu teil;</l> <lb n="pba_632.007"/> <l>Wem sie nicht hold, nicht weiß er, woher</l> <lb n="pba_632.008"/> <l> Jhn treffen die Schläge des Lebens;</l> <lb n="pba_632.009"/> <l>Denn die Schuld von den Vätern ererbet, sie treibt</l> <lb n="pba_632.010"/> <l>Jhn in ihre Gewalt; und ein lautlos End',</l> <lb n="pba_632.011"/> <l> Ob er laut auch prahlt,</l> <lb n="pba_632.012"/> <l> Es vergräbt ihn in grauser Vernichtung!</l> </lg> <p><lb n="pba_632.013"/> Und wenn sie so in dem Groll der Erinnyen den Urgrund des <lb n="pba_632.014"/> tragischen Geschickes aufgewiesen hat, so zeigt sie in der Gesundung des <lb n="pba_632.015"/> Sinnes, in der Klärung des Grausens zur Ehrfurcht den Quell des <lb n="pba_632.016"/> Gedeihens und Glücks:</p> <note xml:id="pba_631_2b" prev="#pba_631_2a" place="foot" n="2"><lb n="pba_632.017"/> vermögen. 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So mag denn Athene es rühmen:
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Jhn in ihre Gewalt; und ein lautlos End', pba_632.011
Ob er laut auch prahlt, pba_632.012
Es vergräbt ihn in grauser Vernichtung!
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Und wenn sie so in dem Groll der Erinnyen den Urgrund des pba_632.014
tragischen Geschickes aufgewiesen hat, so zeigt sie in der Gesundung des pba_632.015
Sinnes, in der Klärung des Grausens zur Ehrfurcht den Quell des pba_632.016
Gedeihens und Glücks:
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um die im obigen Texte vertretene Auffassung zu rechtfertigen (vgl. Äschyl. ed. pba_632.019
G. Hermann, V. 943–952): pba_632.020
ἀνδροκμῆτας δ'ὰώρους ἀπεννέπω τύχας, pba_632.021
νεανίδων τ'ἐπηράτων pba_632.022
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δαίμονες ὀρθονόμοι, pba_632.025
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Segens für jegliche Zeit reich pba_632.036
Jedem Bund nach heil'gem Recht, pba_632.037
Überall der Götter höchst verehrte!
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Für das griechische Ohr war der Gedanke an die „Horen“, obwohl sie nicht pba_632.039
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δ'ἐπιβριθεῖς gegeben, ganz abgesehen davon, daß sie mit den Moiren in Gemeinschaft pba_632.042
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Zitationshilfe: | Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/650>, abgerufen am 27.07.2024. |