Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_628.001 pba_628.004 Alles alte Recht, es stürzt jetzt dahin, pba_628.006 Wenn des gottlosen Muttermörders Schuld pba_628.007 Vor Gericht siegen darf! pba_628.008 Allzumal lockt die Menschen dieser That leichtes Spiel zu gleicher That; pba_628.009 Offenkundig, von Kindeshänden pba_628.010 Freche Gewalt, geahndet nicht, ist hinfort der Eltern Los! pba_628.011 pba_628.014Nicht der Blutmänaden Zorn ferner noch pba_628.012 Menschenschuldspähend schleicht er nach der Schuld; pba_628.013 Allen Mord geb' ich frei! Und umsonst andre forschend anderswo, schildernd was und wie's geschah, pba_628.015 Alle die Mittel, die ein Thor eitel rät, sie helfen nichts! pba_628.017 Auch der Schrecken dient zum Heil! Warnend soll er für und für pba_628.020 Hüter sein der Leidenschaft! pba_628.021 Denn es frommt, Maß zu halten durch den Zwang. pba_628.022 Wer, in dessen Herzen nicht pba_628.023 Weilt und Wurzel schlägt die Furcht, pba_628.024 Einzelwesen oder Volk, scheute sonst wohl noch das Recht? pba_628.025 1Zügellosem Leben nicht, pba_628.026 Nicht dem bangen Sklavensinn pba_628.027 Sei der Preis! pba_628.028 Gott hat die Stärke der Mitte gesellt, und er blickt pba_628.029 Hinweg von dem andern. pba_628.030 Gleichen Sinnes ruf' ich drum: pba_628.031 Mangelt die Scheu, hat der Frevel gewißlich das Feld; pba_628.032 Geistes Gesundheit pba_628.033 Aber entsprießt der vielgeliebte, pba_628.034 Allen ersehnte Segen! 1 pba_628.035
Die Droysensche Übersetzung, nach der sonst mit geringen Abänderungen pba_628.036 citiert ist, konnte für diese beiden letzten Strophen als ungenau und unzulänglich nicht pba_628.037 benutzt werden. Die vom Verfasser gegebene Übersetzung folgt dem Hermannschen pba_628.038 Text, nur im Beginne der ersten Strophe die ursprüngliche Lesart herstellend (V. 510, 511) pba_628.039 und in V. 512 das unrichtige deimainei der Handschrift statt, wie G. Hermann, in pba_628.040 deimanei in dei menein umändernd. Noch dürfte die Wiedergabe von V. 522, 523 zu pba_628.041 rechtfertigen sein: panti meso to kratos theos opasen all' alla d' ephoreuei. "Jeder pba_628.042 Mitte hat Gott die Kraft beigegeben, auf anderes aber blickt er anders." pba_628.001 pba_628.004 Alles alte Recht, es stürzt jetzt dahin, pba_628.006 Wenn des gottlosen Muttermörders Schuld pba_628.007 Vor Gericht siegen darf! pba_628.008 Allzumal lockt die Menschen dieser That leichtes Spiel zu gleicher That; pba_628.009 Offenkundig, von Kindeshänden pba_628.010 Freche Gewalt, geahndet nicht, ist hinfort der Eltern Los! pba_628.011 pba_628.014Nicht der Blutmänaden Zorn ferner noch pba_628.012 Menschenschuldspähend schleicht er nach der Schuld; pba_628.013 Allen Mord geb' ich frei! Und umsonst andre forschend anderswo, schildernd was und wie's geschah, pba_628.015 Alle die Mittel, die ein Thor eitel rät, sie helfen nichts! pba_628.017 Auch der Schrecken dient zum Heil! Warnend soll er für und für pba_628.020 Hüter sein der Leidenschaft! pba_628.021 Denn es frommt, Maß zu halten durch den Zwang. pba_628.022 Wer, in dessen Herzen nicht pba_628.023 Weilt und Wurzel schlägt die Furcht, pba_628.024 Einzelwesen oder Volk, scheute sonst wohl noch das Recht? pba_628.025 1Zügellosem Leben nicht, pba_628.026 Nicht dem bangen Sklavensinn pba_628.027 Sei der Preis! pba_628.028 Gott hat die Stärke der Mitte gesellt, und er blickt pba_628.029 Hinweg von dem andern. pba_628.030 Gleichen Sinnes ruf' ich drum: pba_628.031 Mangelt die Scheu, hat der Frevel gewißlich das Feld; pba_628.032 Geistes Gesundheit pba_628.033 Aber entsprießt der vielgeliebte, pba_628.034 Allen ersehnte Segen! 1 pba_628.035
Die Droysensche Übersetzung, nach der sonst mit geringen Abänderungen pba_628.036 citiert ist, konnte für diese beiden letzten Strophen als ungenau und unzulänglich nicht pba_628.037 benutzt werden. Die vom Verfasser gegebene Übersetzung folgt dem Hermannschen pba_628.038 Text, nur im Beginne der ersten Strophe die ursprüngliche Lesart herstellend (V. 510, 511) pba_628.039 und in V. 512 das unrichtige δειμαίνει der Handschrift statt, wie G. Hermann, in pba_628.040 δειμανεῖ in δεῖ μένειν umändernd. Noch dürfte die Wiedergabe von V. 522, 523 zu pba_628.041 rechtfertigen sein: παντὶ μέσῳ τὸ κράτος θεὸς ᾤπασεν ἄλλ' ἄλλᾳ δ' ἐφορεύει. „Jeder pba_628.042 Mitte hat Gott die Kraft beigegeben, auf anderes aber blickt er anders.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0646" n="628"/><lb n="pba_628.001"/> rechte Mitte zu suchen, die Entsetzensangst zu bannen und die echte <lb n="pba_628.002"/> Furcht zu finden, die nur da erscheint, wo sie mit dem echten Mitleid <lb n="pba_628.003"/> sich gattet!</p> <p><lb n="pba_628.004"/> So strömt nun die leidenschaftliche Klage der Erinnyen hervor:</p> <lb n="pba_628.005"/> <lg> <l> Alles alte Recht, es stürzt jetzt dahin,</l> <lb n="pba_628.006"/> <l> Wenn des gottlosen Muttermörders Schuld</l> <lb n="pba_628.007"/> <l> Vor Gericht siegen darf!</l> <lb n="pba_628.008"/> <l>Allzumal lockt die Menschen dieser That leichtes Spiel zu gleicher That;</l> <lb n="pba_628.009"/> <l> Offenkundig, von Kindeshänden</l> <lb n="pba_628.010"/> <l>Freche Gewalt, geahndet nicht, ist hinfort der Eltern Los! </l> </lg> <lg> <lb n="pba_628.011"/> <l>Nicht der Blutmänaden Zorn ferner noch</l> <lb n="pba_628.012"/> <l>Menschenschuldspähend schleicht er <hi rendition="#g">nach</hi> der Schuld;</l> <lb n="pba_628.013"/> <l> Allen Mord geb' ich frei!</l> </lg> <lb n="pba_628.014"/> <p>Und <hi rendition="#g">umsonst andre forschend anderswo, schildernd was und wie's geschah, <lb n="pba_628.015"/> Suchen dess' ein End' und Abwehr</hi>;</p> <lb n="pba_628.016"/> <p><hi rendition="#g">Alle die Mittel, die ein Thor eitel rät, sie helfen nichts</hi>!</p> <p><lb n="pba_628.017"/> Bald aber wendet sich ihr Lied von der zürnenden Klage zu dem <lb n="pba_628.018"/> erhabensten Ausdruck ihrer ewigen Sendung:</p> <lb n="pba_628.019"/> <lg> <l>Auch der Schrecken dient zum Heil! Warnend soll er für und für</l> <lb n="pba_628.020"/> <l> Hüter sein der Leidenschaft!</l> <lb n="pba_628.021"/> <l> Denn es frommt, Maß zu halten durch den Zwang.</l> <lb n="pba_628.022"/> <l> Wer, in dessen Herzen nicht</l> <lb n="pba_628.023"/> <l> Weilt und Wurzel schlägt die Furcht,</l> <lb n="pba_628.024"/> <l>Einzelwesen oder Volk, scheute sonst wohl noch das Recht? </l> </lg> <lg> <lb n="pba_628.025"/> <l> Zügellosem Leben nicht,</l> <lb n="pba_628.026"/> <l> Nicht dem bangen Sklavensinn</l> <lb n="pba_628.027"/> <l> Sei der Preis!</l> <lb n="pba_628.028"/> <l>Gott hat die Stärke der Mitte gesellt, und er blickt</l> <lb n="pba_628.029"/> <l> Hinweg von dem andern.</l> <lb n="pba_628.030"/> <l> Gleichen Sinnes ruf' ich drum:</l> <lb n="pba_628.031"/> <l>Mangelt die Scheu, hat der Frevel gewißlich das Feld;</l> <lb n="pba_628.032"/> <l> Geistes Gesundheit</l> <lb n="pba_628.033"/> <l> Aber entsprießt der vielgeliebte,</l> <lb n="pba_628.034"/> <l> Allen ersehnte Segen!</l> </lg> <note xml:id="pba_628_1a" n="1" place="foot" next="#pba_628_1b"><lb n="pba_628.035"/> Die <hi rendition="#g">Droysensche</hi> Übersetzung, nach der sonst mit geringen Abänderungen <lb n="pba_628.036"/> citiert ist, konnte für diese beiden letzten Strophen als ungenau und unzulänglich nicht <lb n="pba_628.037"/> benutzt werden. Die vom Verfasser gegebene Übersetzung folgt dem <hi rendition="#g">Hermann</hi>schen <lb n="pba_628.038"/> Text, nur im Beginne der ersten Strophe die ursprüngliche Lesart herstellend (V. 510, 511) <lb n="pba_628.039"/> und in V. 512 das unrichtige <foreign xml:lang="grc">δειμαίνει</foreign> der Handschrift statt, wie G. <hi rendition="#g">Hermann,</hi> in <lb n="pba_628.040"/> <foreign xml:lang="grc">δειμανεῖ</foreign> in <foreign xml:lang="grc">δεῖ μένειν</foreign> umändernd. Noch dürfte die Wiedergabe von V. 522, 523 zu <lb n="pba_628.041"/> rechtfertigen sein: <foreign xml:lang="grc">παντὶ μέσῳ τὸ κράτος θεὸς ᾤπασεν <hi rendition="#g">ἄλλ' ἄλλᾳ</hi> δ' <hi rendition="#g">ἐφορεύει</hi></foreign>. „Jeder <lb n="pba_628.042"/> Mitte hat Gott die Kraft beigegeben, <hi rendition="#g">auf anderes aber blickt er anders.</hi>“ </note> </div> </body> </text> </TEI> [628/0646]
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sich gattet!
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So strömt nun die leidenschaftliche Klage der Erinnyen hervor:
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Alle die Mittel, die ein Thor eitel rät, sie helfen nichts!
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erhabensten Ausdruck ihrer ewigen Sendung:
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Aber entsprießt der vielgeliebte, pba_628.034
Allen ersehnte Segen!
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Die Droysensche Übersetzung, nach der sonst mit geringen Abänderungen pba_628.036
citiert ist, konnte für diese beiden letzten Strophen als ungenau und unzulänglich nicht pba_628.037
benutzt werden. Die vom Verfasser gegebene Übersetzung folgt dem Hermannschen pba_628.038
Text, nur im Beginne der ersten Strophe die ursprüngliche Lesart herstellend (V. 510, 511) pba_628.039
und in V. 512 das unrichtige δειμαίνει der Handschrift statt, wie G. Hermann, in pba_628.040
δειμανεῖ in δεῖ μένειν umändernd. Noch dürfte die Wiedergabe von V. 522, 523 zu pba_628.041
rechtfertigen sein: παντὶ μέσῳ τὸ κράτος θεὸς ᾤπασεν ἄλλ' ἄλλᾳ δ' ἐφορεύει. „Jeder pba_628.042
Mitte hat Gott die Kraft beigegeben, auf anderes aber blickt er anders.“
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