Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_613.001 Das Blut, vom Mutterschoß der Erde eingeschlürft, pba_613.017 Der Rach' Empfängnis, dickt zum Keim unlöslich sich. pba_613.018 Und hin hält Ate, die ihn bethört, den Schuldigen, pba_613.019 Bis seine Seuch' in Blütenpracht! pba_613.020 Doch, flieht er -- auch des Brautgemaches Heimlichkeit pba_613.021 Verbirgt ihn nicht; und strömte aller Ströme Flut, pba_613.022 Der Blutthat Schuldmal von ihm hinwegzuspülen her, pba_613.023 Sie strömten immer doch umsonst! pba_613.024 Und diese Liebe liebelos, zu wehren noch dem Weh, pba_613.025 Jo, Erde, Erde! pba_613.026 Spendet, sendet her das gottvergessne Weib! pba_613.027 Mich bangt's, auszusprechen jenes Wort! pba_613.028 Denn welche Sühne gibt es für vergossen Blut? pba_613.029 Jo, du jammerreicher Herd! pba_613.030 Jo, du untergrabnes Haus! pba_613.031 Ja graungemieden, sonnenlos umhüllen Finsternisse das Haus, pba_613.032 Licht wird's nur mit der Herren Tod! pba_613.033 Hoheit, bekämpft, versäumt, mißachtet nimmer sonst, pba_613.034 Dem Volk eingewöhnt sonst pba_613.035 Tief in Ohr und Herzen -- nun dahin ist sie! pba_613.036 Es bangt jene vor des Glückes End'; pba_613.037 Und glücklich sein ist Gott den Menschen, mehr denn Gott! pba_613.038 Doch Dike trifft -- die einen jäh pba_613.039 Jn ihres Glückes Mittagsglanz; pba_613.040 Was andrer noch in Zwielichts Schoß harret, mahnend schwillt's und reift's; pba_613.041 Andre täuschet die Nacht noch. pba_613.042 pba_613.001 Das Blut, vom Mutterschoß der Erde eingeschlürft, pba_613.017 Der Rach' Empfängnis, dickt zum Keim unlöslich sich. pba_613.018 Und hin hält Ate, die ihn bethört, den Schuldigen, pba_613.019 Bis seine Seuch' in Blütenpracht! pba_613.020 Doch, flieht er — auch des Brautgemaches Heimlichkeit pba_613.021 Verbirgt ihn nicht; und strömte aller Ströme Flut, pba_613.022 Der Blutthat Schuldmal von ihm hinwegzuspülen her, pba_613.023 Sie strömten immer doch umsonst! pba_613.024 Und diese Liebe liebelos, zu wehren noch dem Weh, pba_613.025 Jo, Erde, Erde! pba_613.026 Spendet, sendet her das gottvergessne Weib! pba_613.027 Mich bangt's, auszusprechen jenes Wort! pba_613.028 Denn welche Sühne gibt es für vergossen Blut? pba_613.029 Jo, du jammerreicher Herd! pba_613.030 Jo, du untergrabnes Haus! pba_613.031 Ja graungemieden, sonnenlos umhüllen Finsternisse das Haus, pba_613.032 Licht wird's nur mit der Herren Tod! pba_613.033 Hoheit, bekämpft, versäumt, mißachtet nimmer sonst, pba_613.034 Dem Volk eingewöhnt sonst pba_613.035 Tief in Ohr und Herzen — nun dahin ist sie! pba_613.036 Es bangt jene vor des Glückes End'; pba_613.037 Und glücklich sein ist Gott den Menschen, mehr denn Gott! pba_613.038 Doch Dike trifft — die einen jäh pba_613.039 Jn ihres Glückes Mittagsglanz; pba_613.040 Was andrer noch in Zwielichts Schoß harret, mahnend schwillt's und reift's; pba_613.041 Andre täuschet die Nacht noch. pba_613.042 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0631" n="613"/><lb n="pba_613.001"/> stärkstem Nachdruck hin, und <hi rendition="#g">hierin</hi> liegt zum bedeutsamsten Teil die <lb n="pba_613.002"/> Exposition der Choephoren begründet: die fürchterliche Strafe, die Apollo <lb n="pba_613.003"/> dem Orest androht, wenn er sein Rachegebot unerfüllt läßt, der gräßliche <lb n="pba_613.004"/> Fluch, den er für diesen Fall über ganz Argos verhängt, sind nur der <lb n="pba_613.005"/> ergreifende, dramatisch nachgeahmte Ausdruck dieses Verhältnisses. Ganz <lb n="pba_613.006"/> dasselbe, nur subjektiv nach innen gewandt, gibt auch zu der äußerlich <lb n="pba_613.007"/> das Stück exponierenden Handlung den Anlaß: aus der quälenden, <lb n="pba_613.008"/> nimmer zu beschwichtigenden Empfindung jenes Verhältnisses, aus der <lb n="pba_613.009"/> die Seele mit Grauen erfüllenden Angst, Blut müsse Blut verlangen, <lb n="pba_613.010"/> geht jener Traum der Klytämnestra hervor, der sie die „Grabesspende“ <lb n="pba_613.011"/> veranstalten läßt. Elektra soll die Spende am Grab des Vaters ausgießen, <lb n="pba_613.012"/> die sie begleitenden Dienerinnen, die die Grabesspende tragen, <lb n="pba_613.013"/> mit ihr einig im Hasse gegen die Königin und gegen Ägisthos, bilden <lb n="pba_613.014"/> den Chor. Er gibt vom ersten Auftreten an jenem selben Gefühl den <lb n="pba_613.015"/> ergreifenden, objektiven Ausdruck:</p> <lb n="pba_613.016"/> <lg> <l> Das Blut, vom Mutterschoß der Erde eingeschlürft,</l> <lb n="pba_613.017"/> <l>Der Rach' Empfängnis, dickt zum Keim unlöslich sich.</l> <lb n="pba_613.018"/> <l>Und hin hält Ate, die ihn bethört, den Schuldigen,</l> <lb n="pba_613.019"/> <l> Bis seine Seuch' in Blütenpracht!</l> <lb n="pba_613.020"/> <l> Doch, flieht er — auch des Brautgemaches Heimlichkeit</l> <lb n="pba_613.021"/> <l>Verbirgt ihn nicht; und strömte aller Ströme Flut,</l> <lb n="pba_613.022"/> <l>Der Blutthat Schuldmal von ihm hinwegzuspülen her,</l> <lb n="pba_613.023"/> <l> Sie strömten immer doch umsonst! </l> </lg> <lg> <lb n="pba_613.024"/> <l>Und diese Liebe liebelos, zu wehren noch dem Weh,</l> <lb n="pba_613.025"/> <l> Jo, Erde, Erde!</l> <lb n="pba_613.026"/> <l> Spendet, sendet her das gottvergessne Weib!</l> <lb n="pba_613.027"/> <l> Mich bangt's, auszusprechen jenes Wort!</l> <lb n="pba_613.028"/> <l>Denn welche Sühne gibt es für vergossen Blut?</l> <lb n="pba_613.029"/> <l> Jo, du jammerreicher Herd!</l> <lb n="pba_613.030"/> <l> Jo, du untergrabnes Haus!</l> <lb n="pba_613.031"/> <l>Ja graungemieden, sonnenlos umhüllen Finsternisse das Haus,</l> <lb n="pba_613.032"/> <l> Licht wird's nur mit der Herren Tod!</l> <lb n="pba_613.033"/> <l>Hoheit, bekämpft, versäumt, mißachtet nimmer sonst,</l> <lb n="pba_613.034"/> <l> Dem Volk eingewöhnt sonst</l> <lb n="pba_613.035"/> <l> Tief in Ohr und Herzen — nun dahin ist sie!</l> <lb n="pba_613.036"/> <l> Es bangt jene vor des Glückes End';</l> <lb n="pba_613.037"/> <l>Und glücklich sein ist Gott den Menschen, mehr denn Gott!</l> <lb n="pba_613.038"/> <l> Doch Dike trifft — die einen jäh</l> <lb n="pba_613.039"/> <l> Jn ihres Glückes Mittagsglanz;</l> <lb n="pba_613.040"/> <l>Was andrer noch in Zwielichts Schoß harret, mahnend schwillt's und reift's;</l> <lb n="pba_613.041"/> <l> Andre täuschet die Nacht noch.</l> </lg> <p><lb n="pba_613.042"/> Eben als der Zug sich zu dem Grabe Agamemnons bewegt, hat <lb n="pba_613.043"/> dort Orestes, aus der Fremde heimgekehrt, eine Locke seines Hauptes </p> </div> </body> </text> </TEI> [613/0631]
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stärkstem Nachdruck hin, und hierin liegt zum bedeutsamsten Teil die pba_613.002
Exposition der Choephoren begründet: die fürchterliche Strafe, die Apollo pba_613.003
dem Orest androht, wenn er sein Rachegebot unerfüllt läßt, der gräßliche pba_613.004
Fluch, den er für diesen Fall über ganz Argos verhängt, sind nur der pba_613.005
ergreifende, dramatisch nachgeahmte Ausdruck dieses Verhältnisses. Ganz pba_613.006
dasselbe, nur subjektiv nach innen gewandt, gibt auch zu der äußerlich pba_613.007
das Stück exponierenden Handlung den Anlaß: aus der quälenden, pba_613.008
nimmer zu beschwichtigenden Empfindung jenes Verhältnisses, aus der pba_613.009
die Seele mit Grauen erfüllenden Angst, Blut müsse Blut verlangen, pba_613.010
geht jener Traum der Klytämnestra hervor, der sie die „Grabesspende“ pba_613.011
veranstalten läßt. Elektra soll die Spende am Grab des Vaters ausgießen, pba_613.012
die sie begleitenden Dienerinnen, die die Grabesspende tragen, pba_613.013
mit ihr einig im Hasse gegen die Königin und gegen Ägisthos, bilden pba_613.014
den Chor. Er gibt vom ersten Auftreten an jenem selben Gefühl den pba_613.015
ergreifenden, objektiven Ausdruck:
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Das Blut, vom Mutterschoß der Erde eingeschlürft, pba_613.017
Der Rach' Empfängnis, dickt zum Keim unlöslich sich. pba_613.018
Und hin hält Ate, die ihn bethört, den Schuldigen, pba_613.019
Bis seine Seuch' in Blütenpracht! pba_613.020
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Jo, du untergrabnes Haus! pba_613.031
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Dem Volk eingewöhnt sonst pba_613.035
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Doch Dike trifft — die einen jäh pba_613.039
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Was andrer noch in Zwielichts Schoß harret, mahnend schwillt's und reift's; pba_613.041
Andre täuschet die Nacht noch.
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Eben als der Zug sich zu dem Grabe Agamemnons bewegt, hat pba_613.043
dort Orestes, aus der Fremde heimgekehrt, eine Locke seines Hauptes
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