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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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Aber das Ungeheure auch pba_605.002
Lerne erwarten im irdischen Leben! pba_605.003
Mit gewaltsamer Hand pba_605.004
Löset der Mord auch das heiligste Band; pba_605.005
Jn sein stygisches Boot pba_605.006
Raffet der Tod pba_605.007
Auch der Jugend blühendes Leben!
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Wenn die Wolken getürmt den Himmel schwärzen, pba_605.009
Wenn dumpftosend der Donner hallt, pba_605.010
Da, da fühlen sich alle Herzen pba_605.011
Jn des furchtbaren Schicksals Gewalt. pba_605.012
Aber auch aus entwölkter Höhe pba_605.013
Kann der zündende Donner schlagen; pba_605.014
Darum in deinen fröhlichen Tagen pba_605.015
Fürchte des Unglücks tückische Nähe! pba_605.016
Nicht an die Güter hänge dein Herz, pba_605.017
Die das Leben vergänglich zieren! pba_605.018
Wer besitzt, der lerne verlieren; pba_605.019
Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz!

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Was wäre da noch hinzuzufügen! Das ist die Katharsis, das pba_605.021
ist Wesen und Jnhalt der tragischen Wirkung, wenn es überhaupt eine pba_605.022
gibt, und so hat Aristoteles das ergon tragodias verstanden.

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Aber es bleibt dem Dichter noch die große und schwerste Aufgabe, pba_605.024
sie an seinen Personen durchzuführen. Sie ist es, die für jede Tragödie, pba_605.025
die des Namens würdig sein soll, den Aufbau des Schlußaktes zu bestimmen pba_605.026
hat. Auch hierin ist Schillers "Braut von Messina" ein unübertroffenes pba_605.027
Muster. Ehe der stolze, ungestüme Sinn sich beugt, schwillt pba_605.028
er zum Übermaß. Die verzweifelnde Mutter hat nur wilde Flüche pba_605.029
für den Mörder des Sohnes und bitteren verachtenden Hohn für jede pba_605.030
Form, in der ein frommer Glaube auf irgend welche gerechte Leitung pba_605.031
des Schicksals vertraut: "Lernt die Lügen kennen, womit die Träume pba_605.032
uns, die Seher täuschen! Glaube noch einer an der Götter Mund!" pba_605.033
"Die Kunst der Seher ist ein eitles Nichts; Betrüger sind sie, oder sind pba_605.034
betrogen. Nichts Wahres läßt sich von der Zukunft wissen, du schöpfest pba_605.035
drunten an der Hölle Flüssen, du schöpfest droben an dem Quell des pba_605.036
Lichts." Und darauf der Chor:

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Weh! Wehe! Was sagst du? Halt ein, halt ein! pba_605.038
Bezähme der Zunge verwegenes Toben! pba_605.039
Die Orakel sehen und treffen ein; pba_605.040
Der Ausgang wird die Wahrhaftigen loben.

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Der Eindruck ist ja immerhin ein starker durch den bloßen Gegensatz pba_605.042
jenes eifernden Unglaubens gegen die schreckliche Gewißheit des Zu-

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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/623>, abgerufen am 22.11.2024.