Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_605.001 Aber das Ungeheure auch pba_605.002 Lerne erwarten im irdischen Leben! pba_605.003 Mit gewaltsamer Hand pba_605.004 Löset der Mord auch das heiligste Band; pba_605.005 Jn sein stygisches Boot pba_605.006 Raffet der Tod pba_605.007 Auch der Jugend blühendes Leben! pba_605.008 Wenn die Wolken getürmt den Himmel schwärzen, pba_605.009 Wenn dumpftosend der Donner hallt, pba_605.010 Da, da fühlen sich alle Herzen pba_605.011 Jn des furchtbaren Schicksals Gewalt. pba_605.012 Aber auch aus entwölkter Höhe pba_605.013 Kann der zündende Donner schlagen; pba_605.014 Darum in deinen fröhlichen Tagen pba_605.015 Fürchte des Unglücks tückische Nähe! pba_605.016 Nicht an die Güter hänge dein Herz, pba_605.017 Die das Leben vergänglich zieren! pba_605.018 Wer besitzt, der lerne verlieren; pba_605.019 Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz! pba_605.020 pba_605.023 Weh! Wehe! Was sagst du? Halt ein, halt ein! pba_605.038 Bezähme der Zunge verwegenes Toben! pba_605.039 Die Orakel sehen und treffen ein; pba_605.040 Der Ausgang wird die Wahrhaftigen loben. pba_605.041 pba_605.001 Aber das Ungeheure auch pba_605.002 Lerne erwarten im irdischen Leben! pba_605.003 Mit gewaltsamer Hand pba_605.004 Löset der Mord auch das heiligste Band; pba_605.005 Jn sein stygisches Boot pba_605.006 Raffet der Tod pba_605.007 Auch der Jugend blühendes Leben! pba_605.008 Wenn die Wolken getürmt den Himmel schwärzen, pba_605.009 Wenn dumpftosend der Donner hallt, pba_605.010 Da, da fühlen sich alle Herzen pba_605.011 Jn des furchtbaren Schicksals Gewalt. pba_605.012 Aber auch aus entwölkter Höhe pba_605.013 Kann der zündende Donner schlagen; pba_605.014 Darum in deinen fröhlichen Tagen pba_605.015 Fürchte des Unglücks tückische Nähe! pba_605.016 Nicht an die Güter hänge dein Herz, pba_605.017 Die das Leben vergänglich zieren! pba_605.018 Wer besitzt, der lerne verlieren; pba_605.019 Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz! pba_605.020 pba_605.023 Weh! 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Die verzweifelnde Mutter hat nur wilde Flüche <lb n="pba_605.029"/> für den Mörder des Sohnes und bitteren verachtenden Hohn für jede <lb n="pba_605.030"/> Form, in der ein frommer Glaube auf irgend welche gerechte Leitung <lb n="pba_605.031"/> des Schicksals vertraut: „Lernt die Lügen kennen, womit die Träume <lb n="pba_605.032"/> uns, die Seher täuschen! Glaube noch einer an der Götter Mund!“ <lb n="pba_605.033"/> „Die Kunst der Seher ist ein eitles Nichts; Betrüger sind sie, oder sind <lb n="pba_605.034"/> betrogen. Nichts Wahres läßt sich von der Zukunft wissen, du schöpfest <lb n="pba_605.035"/> drunten an der Hölle Flüssen, du schöpfest droben an dem Quell des <lb n="pba_605.036"/> Lichts.“ Und darauf der Chor:</p> <lb n="pba_605.037"/> <lg> <l>Weh! Wehe! Was sagst du? 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Aber das Ungeheure auch pba_605.002
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Da, da fühlen sich alle Herzen pba_605.011
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Was wäre da noch hinzuzufügen! Das ist die Katharsis, das pba_605.021
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gibt, und so hat Aristoteles das ἔργον τραγῳδίας verstanden.
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Aber es bleibt dem Dichter noch die große und schwerste Aufgabe, pba_605.024
sie an seinen Personen durchzuführen. Sie ist es, die für jede Tragödie, pba_605.025
die des Namens würdig sein soll, den Aufbau des Schlußaktes zu bestimmen pba_605.026
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er zum Übermaß. Die verzweifelnde Mutter hat nur wilde Flüche pba_605.029
für den Mörder des Sohnes und bitteren verachtenden Hohn für jede pba_605.030
Form, in der ein frommer Glaube auf irgend welche gerechte Leitung pba_605.031
des Schicksals vertraut: „Lernt die Lügen kennen, womit die Träume pba_605.032
uns, die Seher täuschen! Glaube noch einer an der Götter Mund!“ pba_605.033
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Der Eindruck ist ja immerhin ein starker durch den bloßen Gegensatz pba_605.042
jenes eifernden Unglaubens gegen die schreckliche Gewißheit des Zu-
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