Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_575.001 pba_575.012 Jn klaren Worten sollt ihr alles, was ihr wünscht, pba_575.021 Vernehmen. Freilich selbst zu sagen schäm' ich mich, pba_575.022 Von wannen dieses gottverhängte Wetter mir, pba_575.023 Der einst'gen Schönheit grauser Tausch mir Armen kam. pba_575.024 Denn immer schwebten nächtige Traumgestalten still pba_575.025 Herein in meine Kammer, und liebkos'ten mich pba_575.026 Mit leisen Worten: "o, du vielglücksel'ge Maid, pba_575.027 "Was bleibst du jetzt noch Mädchen, da dir werden kann pba_575.028 "Die höchste Brautschaft; Zeus erglüht in Liebe dir pba_575.029 "Vom Pfeil der Sehnsucht; nach der Kypris süßem Kampf pba_575.030 "Verlangt's ihn; du, Kind, weise nicht von dir den Kuß pba_575.031 "Kronions; geh' nun nach der tiefen Wiesenau, pba_575.032 "Gen Lerna, nach des Vaters Herden und Gehöft, pba_575.033 "Daß seiner Sehnsucht ruhn des Gottes Auge mag." pba_575.034 Und solche Träume kamen mir Vieltraurigen pba_575.035 Jn allen Nächten, bis dem Vater ich zuletzt pba_575.036 Zu sagen wagte meine Träume, meinen Gram. pba_575.037 Der sandte nun gen Pytho, gen Dodonas Wald pba_575.038 Vielfache Frage, zu erkunden, was er thun, pba_575.039 Was sagen müßte, das genehm den Göttern sei. pba_575.040 Bald kamen seine Boten mit vieldeutigen, pba_575.041 Mit unerklärlich rätselhaften Sprüchen heim; pba_575.042 Dann aber endlich kam an Jnachos ein Spruch, pba_575.043 Der unverkennbar ihm gebot und anbefahl, pba_575.001 pba_575.012 Jn klaren Worten sollt ihr alles, was ihr wünscht, pba_575.021 Vernehmen. Freilich selbst zu sagen schäm' ich mich, pba_575.022 Von wannen dieses gottverhängte Wetter mir, pba_575.023 Der einst'gen Schönheit grauser Tausch mir Armen kam. pba_575.024 Denn immer schwebten nächtige Traumgestalten still pba_575.025 Herein in meine Kammer, und liebkos'ten mich pba_575.026 Mit leisen Worten: „o, du vielglücksel'ge Maid, pba_575.027 „Was bleibst du jetzt noch Mädchen, da dir werden kann pba_575.028 „Die höchste Brautschaft; Zeus erglüht in Liebe dir pba_575.029 „Vom Pfeil der Sehnsucht; nach der Kypris süßem Kampf pba_575.030 „Verlangt's ihn; du, Kind, weise nicht von dir den Kuß pba_575.031 „Kronions; geh' nun nach der tiefen Wiesenau, pba_575.032 „Gen Lerna, nach des Vaters Herden und Gehöft, pba_575.033 „Daß seiner Sehnsucht ruhn des Gottes Auge mag.“ pba_575.034 Und solche Träume kamen mir Vieltraurigen pba_575.035 Jn allen Nächten, bis dem Vater ich zuletzt pba_575.036 Zu sagen wagte meine Träume, meinen Gram. pba_575.037 Der sandte nun gen Pytho, gen Dodonas Wald pba_575.038 Vielfache Frage, zu erkunden, was er thun, pba_575.039 Was sagen müßte, das genehm den Göttern sei. pba_575.040 Bald kamen seine Boten mit vieldeutigen, pba_575.041 Mit unerklärlich rätselhaften Sprüchen heim; pba_575.042 Dann aber endlich kam an Jnachos ein Spruch, pba_575.043 Der unverkennbar ihm gebot und anbefahl, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0593" n="575"/><lb n="pba_575.001"/> schaftlicher Erbitterung vorwarf. Das ganze Jnteresse lenkt sich damit <lb n="pba_575.002"/> auf die Persönlichkeit der <hi rendition="#g">Jo!</hi> Das mystische Wunder des Mythus konnte <lb n="pba_575.003"/> dem dramatischen Dichter nicht genügen: er bedurfte eines <hi rendition="#g">inneren <lb n="pba_575.004"/> Zusammenhanges,</hi> der aus der Fremdartigkeit der berichteten Ereignisse <lb n="pba_575.005"/> hervorleuchtete. Wenn es nun auch uns Modernen für immer <lb n="pba_575.006"/> unmöglich sein wird von der Eigenartigkeit des religiösen Empfindens <lb n="pba_575.007"/> der Griechen gerade auf diesem uns ganz fernab liegenden Gebiete eine <lb n="pba_575.008"/> irgend zureichende Vorstellung zu gewinnen, so sind uns doch die dort <lb n="pba_575.009"/> vorhandenen Erscheinungen <hi rendition="#g">thatsächlich</hi> bekannt, und die Auffassung, <lb n="pba_575.010"/> in welcher Äschylus den Jomythus für seine Tragödie in lebendige <lb n="pba_575.011"/> Wirksamkeit setzte, läßt sich daraus verstehen.</p> <p><lb n="pba_575.012"/> Der Bericht der <hi rendition="#g">Jo</hi> von ihrem Schicksal ist bei Äschylus etwas <lb n="pba_575.013"/> weit Verschiedenes von der Erzählung eines Liebesabenteuers mit Zeus <lb n="pba_575.014"/> und der Eifersucht der Hera. <hi rendition="#g">Von Zeus selbst</hi> geht ihre Strafe <lb n="pba_575.015"/> aus und den Anlaß dazu hat <hi rendition="#g">ihr eigenes Verhalten</hi> gegeben! So <lb n="pba_575.016"/> lautet nach Droysens Übersetzung, die nur an einer Stelle wesentlicher <lb n="pba_575.017"/> Berichtigung bedarf, Jos Mitteilung ihres Leidensgeschickes an Prometheus <lb n="pba_575.018"/> und den Chor der Okeaniden, der Schwestern ihres Vaters <lb n="pba_575.019"/> Jnachus (s. V. 640 ff.):</p> <lb n="pba_575.020"/> <lg> <l>Jn klaren Worten sollt ihr alles, was ihr wünscht,</l> <lb n="pba_575.021"/> <l>Vernehmen. 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schaftlicher Erbitterung vorwarf. Das ganze Jnteresse lenkt sich damit pba_575.002
auf die Persönlichkeit der Jo! Das mystische Wunder des Mythus konnte pba_575.003
dem dramatischen Dichter nicht genügen: er bedurfte eines inneren pba_575.004
Zusammenhanges, der aus der Fremdartigkeit der berichteten Ereignisse pba_575.005
hervorleuchtete. Wenn es nun auch uns Modernen für immer pba_575.006
unmöglich sein wird von der Eigenartigkeit des religiösen Empfindens pba_575.007
der Griechen gerade auf diesem uns ganz fernab liegenden Gebiete eine pba_575.008
irgend zureichende Vorstellung zu gewinnen, so sind uns doch die dort pba_575.009
vorhandenen Erscheinungen thatsächlich bekannt, und die Auffassung, pba_575.010
in welcher Äschylus den Jomythus für seine Tragödie in lebendige pba_575.011
Wirksamkeit setzte, läßt sich daraus verstehen.
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Der Bericht der Jo von ihrem Schicksal ist bei Äschylus etwas pba_575.013
weit Verschiedenes von der Erzählung eines Liebesabenteuers mit Zeus pba_575.014
und der Eifersucht der Hera. Von Zeus selbst geht ihre Strafe pba_575.015
aus und den Anlaß dazu hat ihr eigenes Verhalten gegeben! So pba_575.016
lautet nach Droysens Übersetzung, die nur an einer Stelle wesentlicher pba_575.017
Berichtigung bedarf, Jos Mitteilung ihres Leidensgeschickes an Prometheus pba_575.018
und den Chor der Okeaniden, der Schwestern ihres Vaters pba_575.019
Jnachus (s. V. 640 ff.):
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Jn klaren Worten sollt ihr alles, was ihr wünscht, pba_575.021
Vernehmen. Freilich selbst zu sagen schäm' ich mich, pba_575.022
Von wannen dieses gottverhängte Wetter mir, pba_575.023
Der einst'gen Schönheit grauser Tausch mir Armen kam. pba_575.024
Denn immer schwebten nächtige Traumgestalten still pba_575.025
Herein in meine Kammer, und liebkos'ten mich pba_575.026
Mit leisen Worten: „o, du vielglücksel'ge Maid, pba_575.027
„Was bleibst du jetzt noch Mädchen, da dir werden kann pba_575.028
„Die höchste Brautschaft; Zeus erglüht in Liebe dir pba_575.029
„Vom Pfeil der Sehnsucht; nach der Kypris süßem Kampf pba_575.030
„Verlangt's ihn; du, Kind, weise nicht von dir den Kuß pba_575.031
„Kronions; geh' nun nach der tiefen Wiesenau, pba_575.032
„Gen Lerna, nach des Vaters Herden und Gehöft, pba_575.033
„Daß seiner Sehnsucht ruhn des Gottes Auge mag.“ pba_575.034
Und solche Träume kamen mir Vieltraurigen pba_575.035
Jn allen Nächten, bis dem Vater ich zuletzt pba_575.036
Zu sagen wagte meine Träume, meinen Gram. pba_575.037
Der sandte nun gen Pytho, gen Dodonas Wald pba_575.038
Vielfache Frage, zu erkunden, was er thun, pba_575.039
Was sagen müßte, das genehm den Göttern sei. pba_575.040
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Mit unerklärlich rätselhaften Sprüchen heim; pba_575.042
Dann aber endlich kam an Jnachos ein Spruch, pba_575.043
Der unverkennbar ihm gebot und anbefahl,
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