pba_538.001 Freude" an dem "ekstatischen Aufwallen" und "momentanen pba_538.002 Ausbrechen in lustvolles Schaudern" den Kurs verschafft hat pba_538.003 gegen Lessings vollwichtige, nur im Gepräge verwischte Münze.
pba_538.004
XXVI.
pba_538.005 Es ist oben davon die Rede gewesen, inwiefern Lessing sich im pba_538.006 Ausdruck vergriffen hat, wenn er von der Verwandlung der tragischen pba_538.007 Leidenschaften in "tugendhafte Fertigkeiten" sprach und von der Kunst pba_538.008 überhaupt eine "bessernde" Wirkung verlangte. Gleichwohl lebt in der pba_538.009 Hülle dieser beirrenden Formel der Keim des Richtigen, den Lessing pba_538.010 auch sicherlich zur Entfaltung gebracht hätte, wenn seine Aufmerksamkeit pba_538.011 dem Gegenstande erhalten geblieben wäre. Wie in Wahrheit hier die pba_538.012 Dinge liegen, zeigt sich am besten bei der Untersuchung, wie in Schillerspba_538.013 Händen, der die weitere Pflege übernahm, dieser Keim sich pba_538.014 entwickelte.
pba_538.015 Schiller folgte in der Anschauung von dem Wesen der tragischen pba_538.016 Affekte ohne eigene Prüfung der Lehre Lessings; nachdem dieselbe im pba_538.017 vorausgegangenen Abschnitte der Gegenstand der Kritik gewesen, kann pba_538.018 die Darstellung nun ohne Unterbrechung sich der Frage zuwenden, wie pba_538.019 die Theorie der tragischen Kunst durch Schiller fortgebildet ist.
pba_538.020 Kein Zweifel! die moralisierende Färbung der Lessingschen Definition pba_538.021 lief der Kunstanschauung Schillers zuwider. An die Spitze pba_538.022 seines Aufsatzes vom Jahr 1792 "Über den Grund des Vergnügens pba_538.023 an tragischen Gegenständen" stellt er die Sätze: "Die Künste der pba_538.024 Phantasie und Empfindung zwecken auf Vergnügen ab." "Was pba_538.025 alle übrigen Richtungen und Thätigkeiten des menschlichen Geistes nur pba_538.026 mittelbar erfüllen, nämlich Vergnügen auszuspenden und Glückliche pba_538.027 zu machen, das leisten sie unmittelbar." Dieser Zweck aber sei von pba_538.028 dem armseligen Zweck nur "zu belustigen" weit verschieden. Weil pba_538.029 man beide verwechselt habe, deswegen werde der Kunst als höchster pba_538.030 Zweck das Moralischgute untergeschoben, wodurch sie ihre "Freiheit" pba_538.031 verliere. Nichtsdestoweniger sei "ihr Einfluß auf die Sittlichkeit in die pba_538.032 Augen fallend", sie "befördere jenen höchsten Zweck der Menschheit in pba_538.033 großem Maße".
pba_538.034 Hier liege ein anscheinender Widerspruch vor, den es zu heben gelte.
pba_538.035 Bis dahin hat Schiller von der ihm eigentümlichen Ansicht noch pba_538.036 kein Wort ausgesprochen; dennoch liegt schon in diesen Vordersätzen ein
pba_538.001 Freude“ an dem „ekstatischen Aufwallen“ und „momentanen pba_538.002 Ausbrechen in lustvolles Schaudern“ den Kurs verschafft hat pba_538.003 gegen Lessings vollwichtige, nur im Gepräge verwischte Münze.
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XXVI.
pba_538.005 Es ist oben davon die Rede gewesen, inwiefern Lessing sich im pba_538.006 Ausdruck vergriffen hat, wenn er von der Verwandlung der tragischen pba_538.007 Leidenschaften in „tugendhafte Fertigkeiten“ sprach und von der Kunst pba_538.008 überhaupt eine „bessernde“ Wirkung verlangte. Gleichwohl lebt in der pba_538.009 Hülle dieser beirrenden Formel der Keim des Richtigen, den Lessing pba_538.010 auch sicherlich zur Entfaltung gebracht hätte, wenn seine Aufmerksamkeit pba_538.011 dem Gegenstande erhalten geblieben wäre. Wie in Wahrheit hier die pba_538.012 Dinge liegen, zeigt sich am besten bei der Untersuchung, wie in Schillerspba_538.013 Händen, der die weitere Pflege übernahm, dieser Keim sich pba_538.014 entwickelte.
pba_538.015 Schiller folgte in der Anschauung von dem Wesen der tragischen pba_538.016 Affekte ohne eigene Prüfung der Lehre Lessings; nachdem dieselbe im pba_538.017 vorausgegangenen Abschnitte der Gegenstand der Kritik gewesen, kann pba_538.018 die Darstellung nun ohne Unterbrechung sich der Frage zuwenden, wie pba_538.019 die Theorie der tragischen Kunst durch Schiller fortgebildet ist.
pba_538.020 Kein Zweifel! die moralisierende Färbung der Lessingschen Definition pba_538.021 lief der Kunstanschauung Schillers zuwider. An die Spitze pba_538.022 seines Aufsatzes vom Jahr 1792 „Über den Grund des Vergnügens pba_538.023 an tragischen Gegenständen“ stellt er die Sätze: „Die Künste der pba_538.024 Phantasie und Empfindung zwecken auf Vergnügen ab.“ „Was pba_538.025 alle übrigen Richtungen und Thätigkeiten des menschlichen Geistes nur pba_538.026 mittelbar erfüllen, nämlich Vergnügen auszuspenden und Glückliche pba_538.027 zu machen, das leisten sie unmittelbar.“ Dieser Zweck aber sei von pba_538.028 dem armseligen Zweck nur „zu belustigen“ weit verschieden. Weil pba_538.029 man beide verwechselt habe, deswegen werde der Kunst als höchster pba_538.030 Zweck das Moralischgute untergeschoben, wodurch sie ihre „Freiheit“ pba_538.031 verliere. Nichtsdestoweniger sei „ihr Einfluß auf die Sittlichkeit in die pba_538.032 Augen fallend“, sie „befördere jenen höchsten Zweck der Menschheit in pba_538.033 großem Maße“.
pba_538.034 Hier liege ein anscheinender Widerspruch vor, den es zu heben gelte.
pba_538.035 Bis dahin hat Schiller von der ihm eigentümlichen Ansicht noch pba_538.036 kein Wort ausgesprochen; dennoch liegt schon in diesen Vordersätzen ein
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Es ist oben davon die Rede gewesen, inwiefern Lessing sich im pba_538.006
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Hülle dieser beirrenden Formel der Keim des Richtigen, den Lessing pba_538.010
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/556>, abgerufen am 22.11.2024.
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