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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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solchergestalt erweckten Seelenenergie als Begleitung und Krönung derselben pba_034.002
jenes Lust gefühl (edone) entsteht, welches der Seele den höchsten pba_034.003
Genuß ihrer selbst verleiht, während es die angeregten Kräfte noch steigert pba_034.004
und ihnen die Dauer gewährt!

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Wie entstehen nun aber diese Seelenbewegungen, die zunächst hier pba_034.006
mit einem allgemeinen Namen als psychische Empfindungen bezeichnet pba_034.007
sein mögen, im gewöhnlichen Leben? Wie vermag demgemäß die pba_034.008
Kunst sie nachzuahmen?

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Ueberall, wo die Empfindungen über das bloße physische Behagen pba_034.010
oder Unbehagen, über die sinnliche Lust und Unlust hinausgehen, überall pba_034.011
also, wo unsere Seele bewegt wird und wir im Stande sind diese Bewegungen pba_034.012
deutlicher zu analysieren, entsprechen dieselben entweder direkt pba_034.013
der Einwirkung einer fremden psychischen Energie auf unsre Seele oder pba_034.014
sie entstehen, indem wir, bewußt oder unbewußt, ein Analogon solcher pba_034.015
Einwirkung annehmen. Für Handlungen und ebenso für die bloße Erscheinung pba_034.016
von Menschen und auch von Tieren bedarf dieser Satz keines pba_034.017
Beweises;1 er gilt aber nicht weniger für die unbelebte Natur. Ganz pba_034.018
direkt findet er seine Anwendung, sofern die Natur uns von Menschenhand pba_034.019
und -Sinn modifiziert entgegentritt, mögen sie nun ordnend oder pba_034.020
zerstörend auf sie eingewirkt haben; sie ist da gewissermaßen eine Zeichensprache, pba_034.021
durch welche seelische Kräfte sich uns kundthun. Wo wir aber pba_034.022
der unberührten Natur und ihren Gewalten gegenüberstehen und sie nicht pba_034.023
etwa zum Gegenstand unserer wissenschaftlichen Erkenntnis machen, sondern pba_034.024
uns dem Eindrucke überlassen, den sie in unserm Empfinden hervorbringt, pba_034.025
da werden diese Eindrücke um so deutlicher und stärker sein, pba_034.026
je mehr wir geneigt und imstande sind, in unserer Vorstellung dieselben pba_034.027
als Analoga von Wirkungen bewußter Energien und beseelter Jndividualitäten pba_034.028
aufzufassen. Jn der Religionsgeschichte aller Völker ist diese pba_034.029
Naturanschauung einer der mächtigsten Faktoren, und dem lebhaft empfindenden pba_034.030
Menschen ist sie heute wie ehedem, unbeschadet aller Aufklärung pba_034.031
des Verstandes, unabweisbar; mag er nun in der Natur die pba_034.032
Gottheit schauen oder das Naturganze selbst als Wirksamkeit erfassen, pba_034.033
immer wird er, je empfänglicher sein Empfinden ist, auch im einzelnen pba_034.034
dazu vorschreiten, sich Himmel und Meer, Berg und Wald, bis hinab pba_034.035
zum Baum und zur Blume, je mehr im liebevollen Beobachten und Verkehren pba_034.036
ihm das Einzelne vertraut geworden, jedes für sich mit einer pba_034.037
Art geheimnisvoller Persönlichkeit begabt, mit einer Analogie von pba_034.038
Wollen und Empfinden ausgestattet zu denken und so zu ihm in seelische

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Vgl. Jakob Grimm, Kleine Schriften: "Ueber das Wesen der Tierfabel."

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solchergestalt erweckten Seelenenergie als Begleitung und Krönung derselben pba_034.002
jenes Lust gefühl (ἡδονή) entsteht, welches der Seele den höchsten pba_034.003
Genuß ihrer selbst verleiht, während es die angeregten Kräfte noch steigert pba_034.004
und ihnen die Dauer gewährt!

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Wie entstehen nun aber diese Seelenbewegungen, die zunächst hier pba_034.006
mit einem allgemeinen Namen als psychische Empfindungen bezeichnet pba_034.007
sein mögen, im gewöhnlichen Leben? Wie vermag demgemäß die pba_034.008
Kunst sie nachzuahmen?

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Ueberall, wo die Empfindungen über das bloße physische Behagen pba_034.010
oder Unbehagen, über die sinnliche Lust und Unlust hinausgehen, überall pba_034.011
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direkt findet er seine Anwendung, sofern die Natur uns von Menschenhand pba_034.019
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durch welche seelische Kräfte sich uns kundthun. Wo wir aber pba_034.022
der unberührten Natur und ihren Gewalten gegenüberstehen und sie nicht pba_034.023
etwa zum Gegenstand unserer wissenschaftlichen Erkenntnis machen, sondern pba_034.024
uns dem Eindrucke überlassen, den sie in unserm Empfinden hervorbringt, pba_034.025
da werden diese Eindrücke um so deutlicher und stärker sein, pba_034.026
je mehr wir geneigt und imstande sind, in unserer Vorstellung dieselben pba_034.027
als Analoga von Wirkungen bewußter Energien und beseelter Jndividualitäten pba_034.028
aufzufassen. Jn der Religionsgeschichte aller Völker ist diese pba_034.029
Naturanschauung einer der mächtigsten Faktoren, und dem lebhaft empfindenden pba_034.030
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Gottheit schauen oder das Naturganze selbst als Wirksamkeit erfassen, pba_034.033
immer wird er, je empfänglicher sein Empfinden ist, auch im einzelnen pba_034.034
dazu vorschreiten, sich Himmel und Meer, Berg und Wald, bis hinab pba_034.035
zum Baum und zur Blume, je mehr im liebevollen Beobachten und Verkehren pba_034.036
ihm das Einzelne vertraut geworden, jedes für sich mit einer pba_034.037
Art geheimnisvoller Persönlichkeit begabt, mit einer Analogie von pba_034.038
Wollen und Empfinden ausgestattet zu denken und so zu ihm in seelische

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Vgl. Jakob Grimm, Kleine Schriften: „Ueber das Wesen der Tierfabel.“
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[34/0052] pba_034.001 solchergestalt erweckten Seelenenergie als Begleitung und Krönung derselben pba_034.002 jenes Lust gefühl (ἡδονή) entsteht, welches der Seele den höchsten pba_034.003 Genuß ihrer selbst verleiht, während es die angeregten Kräfte noch steigert pba_034.004 und ihnen die Dauer gewährt! pba_034.005 Wie entstehen nun aber diese Seelenbewegungen, die zunächst hier pba_034.006 mit einem allgemeinen Namen als psychische Empfindungen bezeichnet pba_034.007 sein mögen, im gewöhnlichen Leben? Wie vermag demgemäß die pba_034.008 Kunst sie nachzuahmen? pba_034.009 Ueberall, wo die Empfindungen über das bloße physische Behagen pba_034.010 oder Unbehagen, über die sinnliche Lust und Unlust hinausgehen, überall pba_034.011 also, wo unsere Seele bewegt wird und wir im Stande sind diese Bewegungen pba_034.012 deutlicher zu analysieren, entsprechen dieselben entweder direkt pba_034.013 der Einwirkung einer fremden psychischen Energie auf unsre Seele oder pba_034.014 sie entstehen, indem wir, bewußt oder unbewußt, ein Analogon solcher pba_034.015 Einwirkung annehmen. Für Handlungen und ebenso für die bloße Erscheinung pba_034.016 von Menschen und auch von Tieren bedarf dieser Satz keines pba_034.017 Beweises; 1 er gilt aber nicht weniger für die unbelebte Natur. Ganz pba_034.018 direkt findet er seine Anwendung, sofern die Natur uns von Menschenhand pba_034.019 und -Sinn modifiziert entgegentritt, mögen sie nun ordnend oder pba_034.020 zerstörend auf sie eingewirkt haben; sie ist da gewissermaßen eine Zeichensprache, pba_034.021 durch welche seelische Kräfte sich uns kundthun. Wo wir aber pba_034.022 der unberührten Natur und ihren Gewalten gegenüberstehen und sie nicht pba_034.023 etwa zum Gegenstand unserer wissenschaftlichen Erkenntnis machen, sondern pba_034.024 uns dem Eindrucke überlassen, den sie in unserm Empfinden hervorbringt, pba_034.025 da werden diese Eindrücke um so deutlicher und stärker sein, pba_034.026 je mehr wir geneigt und imstande sind, in unserer Vorstellung dieselben pba_034.027 als Analoga von Wirkungen bewußter Energien und beseelter Jndividualitäten pba_034.028 aufzufassen. Jn der Religionsgeschichte aller Völker ist diese pba_034.029 Naturanschauung einer der mächtigsten Faktoren, und dem lebhaft empfindenden pba_034.030 Menschen ist sie heute wie ehedem, unbeschadet aller Aufklärung pba_034.031 des Verstandes, unabweisbar; mag er nun in der Natur die pba_034.032 Gottheit schauen oder das Naturganze selbst als Wirksamkeit erfassen, pba_034.033 immer wird er, je empfänglicher sein Empfinden ist, auch im einzelnen pba_034.034 dazu vorschreiten, sich Himmel und Meer, Berg und Wald, bis hinab pba_034.035 zum Baum und zur Blume, je mehr im liebevollen Beobachten und Verkehren pba_034.036 ihm das Einzelne vertraut geworden, jedes für sich mit einer pba_034.037 Art geheimnisvoller Persönlichkeit begabt, mit einer Analogie von pba_034.038 Wollen und Empfinden ausgestattet zu denken und so zu ihm in seelische 1 pba_034.039 Vgl. Jakob Grimm, Kleine Schriften: „Ueber das Wesen der Tierfabel.“

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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/52>, abgerufen am 24.11.2024.