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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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zu jener freudigen Erhebung steigert, wie sie jeder Empfindung pba_472.002
verbunden ist, die mit der Vorstellung der Gottheit pba_472.003
sich im Einklange fühlt?

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Nur auf diesem Wege eröffnet sich das technisch-theoretische Verständnis pba_472.005
der Ödipus-Tragödien und mit ihm der Einblick in das pba_472.006
Wesen der antiken Tragödie überhaupt.

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Die Fabel trägt die starren Züge der urältesten griechischen Mythe, pba_472.008
gleich ihr aber auch das Gepräge einer ins große gehenden Symbolik; pba_472.009
wie Goethe in der klassischen Walpurgisnacht die Sphinx diesen Charakter pba_472.010
bezeichnen läßt:

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"Wir hauchen unsre Geistertöne, pba_472.012
Und ihr verkörpert sie alsdann."

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Der Kampf der Titanen gegen die Götter ist ausgekämpft; unbestritten pba_472.014
in ihrer Macht und Herrlichkeit herrschen sie über die Welt pba_472.015
und die Menschen; dennoch bleibt unvertilgbar in dem menschlichen pba_472.016
Geschlecht der Hang, der eigenen Kraft vertrauend gewissermaßen die pba_472.017
Probe zu wagen, ob sie der Allmacht göttlichen Geschickes sich zu entziehen pba_472.018
vermöchte, am meisten, wo jemand überragender Einsicht und pba_472.019
seltener Erfolge sich bewußt ist. Ein solcher ist Ödipus, der die gottgesandte pba_472.020
Sphinx überwunden, ihre dunkeln Rätsel gelöst und aus pba_472.021
eigenem Verdienst sich die höchste Stellung gewonnen hatte. Das pba_472.022
Charakteristische seines Wesens ist das des jugendlich in Rat und pba_472.023
That Sieggewohnten und Selbstvertrauenden.
Von dieser pba_472.024
Seite her hat die Sage diesen Helden erfaßt und ihm sein Schicksal pba_472.025
angedichtet.
Seine Vorgeschichte existiert nicht um ihrer selbst willen pba_472.026
-- wie denn auch die Personen derselben nur schattenhaft angedeutet pba_472.027
geblieben sind, soweit sie nicht in sein Schicksal selbst anteilnehmend pba_472.028
verflochten werden --, sie ist nur in Bezug auf ihn im Mythos pba_472.029
erwachsen.
Jm denkbar schneidendsten Gegensatz stellte sie den rascher pba_472.030
That Sicheren, Geistesstolzen, Herrschaftgewohnten in eine Schicksalsverwickelung, pba_472.031
die ihn von vornherein rettungslos dem Jrrtum, der pba_472.032
schlimmsten Fehlthat, dem äußersten Elend preisgibt. Dieser, in pba_472.033
nacktester Einseitigkeit ausgeprägte, Grundzug der Ödipussage pba_472.034
macht sie zum Typus der tragischen Fabel,
weil Mitleid pba_472.035
mit solchem Geschick und Furcht vor demselben hier den weitesten Spielraum pba_472.036
gewinnen.

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Es ist die tragische Grunderfahrung, daß im Leben Glück und pba_472.038
Unglück nicht nach Verdienst verteilt werden, sondern nach einem unbegreiflichen pba_472.039
Zusammenhang der Dinge, in welchem dennoch den Ratschluß

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zu jener freudigen Erhebung steigert, wie sie jeder Empfindung pba_472.002
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Die Fabel trägt die starren Züge der urältesten griechischen Mythe, pba_472.008
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/490>, abgerufen am 22.11.2024.