Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

pba_441.001
gendermaßen: "Denn die Empfindung, die in einigen Seelen stark auftritt, pba_441.002
ist in allen vorhanden, nur nach dem Weniger oder Mehr verschieden, pba_441.003
wie Furcht und Mitleid, ebenso auch der Enthusiasmus. Denn pba_441.004
es gibt Naturen, die auch diesem Erregungsvorgang vorzugsweise pba_441.005
unterliegen.
Diese sehen wir durch die heiligen Gesänge, pba_441.006
indem sie die Wirkung der die Seele in Entzückung versetzenden Melodien pba_441.007
erfahren, zur Ruhe gebracht, als ob ihnen gleichsam Heilung pba_441.008
zu teil geworden wäre und Katharsis. Ganz dieselbe Wirkung pba_441.009
erfahren natürlich auch (sc. durch die Musik, von der in der ganzen pba_441.010
Stelle die Rede ist) die zum Mitleid oder zu der Furcht besonders stark pba_441.011
Neigenden und überhaupt alle, die irgend einer Empfindung vorzugsweise pba_441.012
unterliegen (pathetikos hat nach Nikom. Eth. II, 7 gerade diese pba_441.013
Bedeutung); von den Übrigen aber erfährt ein jeder so viel pba_441.014
von dieser Wirkung, als die betreffende Empfindung auf pba_441.015
ihm lastet: bei allen wird eine Art von Katharsis vor sich pba_441.016
gehen und sie werden sich freudig erleichtert fühlen.
"1

pba_441.017
Was hat denn nun Aristoteles mit der "Katharsis des Enthusiasmus" pba_441.018
besagen wollen? Dasjenige, worauf er den Nachdruck legt, pba_441.019
ist: daß auch diese Empfindung, die gotterfüllte Begeisterung, gerade pba_441.020
wie Furcht und Mitleid, und die andern Empfindungen alle, in pba_441.021
verschiedenen Stärkegraden erscheine, keineswegs an sich selbst in allen pba_441.022
Fällen eine absolut berechtigte sei. Von diesen verschiedenen Stärkegraden pba_441.023
kann nach seiner Theorie aber nur einer der rechte, richtige, pba_441.024
gesunde, wünschenswerte sein. Welchen nun wird die künstlerische pba_441.025
Nachahmung
sich zum Ziele, als den zu erregenden, setzen, pba_441.026
wenn nicht diesen? Und wie anders kann die Wirkung solcher pba_441.027
künstlerischen Nachahmung sich äußern, als daß, "indem der Hörende pba_441.028
sie in sich erfährt", sie von dem, "was an der Empfindung ihn belastet pba_441.029
(kath' oson epiballei auto), ihn erleichtert, das Zuviel pba_441.030
(mallon) ausscheidet (kathairei), an dieser Empfindung ihn also pba_441.031
einer Läuterung, gleichsam einer Heilung teilhaftig werden läßt? pba_441.032
Das perittoma, das für den erforderten psychologischen Vorgang un-

1 pba_441.033
1342a 4: \o gar peri enias sumbainei pathos psukhas iskhuros touto en pba_441.034
pasais uparkhei, to de etton diapherei kai to mallon, oion eleos kai phobos, eti pba_441.035
d'enthousiasmos. kai gar upo tautes tes kineseos katakokhimoi tines eisin. ek de pba_441.036
ton ieron melon oromen toutous otan khresontai tois exorgiazousi ten psukhen pba_441.037
melesi, kathistamenous, osper iatreias tukhontas kai katharseos, tauto de touto pba_441.038
anagkaion paskhein kai tous eleemonas kai tous phobetikous kai tous olos pathetikous. pba_441.039
tous d' allous kath' oson epiballei ton toiouton ekasto, kai pasi pba_441.040
gignesthai tina katharsin, kai kouphizesthai meth' edones.

pba_441.001
gendermaßen: „Denn die Empfindung, die in einigen Seelen stark auftritt, pba_441.002
ist in allen vorhanden, nur nach dem Weniger oder Mehr verschieden, pba_441.003
wie Furcht und Mitleid, ebenso auch der Enthusiasmus. Denn pba_441.004
es gibt Naturen, die auch diesem Erregungsvorgang vorzugsweise pba_441.005
unterliegen.
Diese sehen wir durch die heiligen Gesänge, pba_441.006
indem sie die Wirkung der die Seele in Entzückung versetzenden Melodien pba_441.007
erfahren, zur Ruhe gebracht, als ob ihnen gleichsam Heilung pba_441.008
zu teil geworden wäre und Katharsis. Ganz dieselbe Wirkung pba_441.009
erfahren natürlich auch (sc. durch die Musik, von der in der ganzen pba_441.010
Stelle die Rede ist) die zum Mitleid oder zu der Furcht besonders stark pba_441.011
Neigenden und überhaupt alle, die irgend einer Empfindung vorzugsweise pba_441.012
unterliegen (παθητικός hat nach Nikom. Eth. II, 7 gerade diese pba_441.013
Bedeutung); von den Übrigen aber erfährt ein jeder so viel pba_441.014
von dieser Wirkung, als die betreffende Empfindung auf pba_441.015
ihm lastet: bei allen wird eine Art von Katharsis vor sich pba_441.016
gehen und sie werden sich freudig erleichtert fühlen.
1

pba_441.017
Was hat denn nun Aristoteles mit der „Katharsis des Enthusiasmuspba_441.018
besagen wollen? Dasjenige, worauf er den Nachdruck legt, pba_441.019
ist: daß auch diese Empfindung, die gotterfüllte Begeisterung, gerade pba_441.020
wie Furcht und Mitleid, und die andern Empfindungen alle, in pba_441.021
verschiedenen Stärkegraden erscheine, keineswegs an sich selbst in allen pba_441.022
Fällen eine absolut berechtigte sei. Von diesen verschiedenen Stärkegraden pba_441.023
kann nach seiner Theorie aber nur einer der rechte, richtige, pba_441.024
gesunde, wünschenswerte sein. Welchen nun wird die künstlerische pba_441.025
Nachahmung
sich zum Ziele, als den zu erregenden, setzen, pba_441.026
wenn nicht diesen? Und wie anders kann die Wirkung solcher pba_441.027
künstlerischen Nachahmung sich äußern, als daß, „indem der Hörende pba_441.028
sie in sich erfährt“, sie von dem, „was an der Empfindung ihn belastet pba_441.029
(καθ' ὅσον ἐπιβάλλει αὐτῷ), ihn erleichtert, das Zuviel pba_441.030
(μᾶλλον) ausscheidet (καθαίρει), an dieser Empfindung ihn also pba_441.031
einer Läuterung, gleichsam einer Heilung teilhaftig werden läßt? pba_441.032
Das περίττωμα, das für den erforderten psychologischen Vorgang un-

1 pba_441.033
1342a 4: \̔ο γὰρ περὶ ἐνίας συμβαίνει πάθος ψυχὰς ἰσχυρῶς τοῦτο ἐν pba_441.034
πάσαις ὑπάρχει, τῷ δἐ ἧττον διαφέρει καὶ τῷ μᾶλλον, οἷον ἔλεος καὶ φόβος, ἔτι pba_441.035
δ'ἐνθουσιασμός. καὶ γὰρ ὑπὸ ταύτης τῆς κινήσεως κατακώχιμοί τινές εἰσιν. ἐκ δὲ pba_441.036
τῶν ἱερῶν μελῶν ὁρῶμεν τούτους ὅταν χρήσωνται τοῖς ἐξοργιάζουσι τὴν ψυχὴν pba_441.037
μέλεσι, καθισταμένους, ὥσπερ ἱατρείας τυχόντας καὶ καθάρσεως, ταὐτὸ δὴ τοῦτο pba_441.038
ἀναγκαῖον πάσχειν καὶ τοὺς ἐλεήμονας καὶ τοὺς φοβητικοὺς καὶ τοὺς ὅλως παθητικοὺς. pba_441.039
τοὺς δ' ἄλλους καθ' ὅσον ἐπιβάλλει τῶν τοιούτων ἑκάστῳ, καὶ πᾶσι pba_441.040
γίγνεσθαί τινα κάθαρσιν, καὶ κουφίζεσθαι μεθ' ἡδονῆς.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0459" n="441"/><lb n="pba_441.001"/>
gendermaßen: &#x201E;Denn die Empfindung, die in einigen Seelen stark auftritt, <lb n="pba_441.002"/>
ist in allen vorhanden, nur nach dem Weniger oder Mehr verschieden, <lb n="pba_441.003"/>
wie Furcht und Mitleid, ebenso auch der Enthusiasmus. Denn <lb n="pba_441.004"/>
es gibt Naturen, die <hi rendition="#g">auch diesem Erregungsvorgang vorzugsweise <lb n="pba_441.005"/>
unterliegen.</hi> Diese sehen wir durch die <hi rendition="#g">heiligen Gesänge,</hi> <lb n="pba_441.006"/>
indem sie die Wirkung der die Seele in Entzückung versetzenden Melodien <lb n="pba_441.007"/>
erfahren, <hi rendition="#g">zur Ruhe gebracht,</hi> als ob ihnen <hi rendition="#g">gleichsam Heilung</hi> <lb n="pba_441.008"/>
zu teil geworden wäre und <hi rendition="#g">Katharsis.</hi> Ganz dieselbe Wirkung <lb n="pba_441.009"/>
erfahren natürlich auch (<hi rendition="#aq">sc</hi>. durch die <hi rendition="#g">Musik,</hi> von der in der ganzen <lb n="pba_441.010"/>
Stelle die Rede ist) die zum Mitleid oder zu der Furcht besonders stark <lb n="pba_441.011"/>
Neigenden und überhaupt alle, die irgend einer Empfindung vorzugsweise <lb n="pba_441.012"/>
unterliegen (<foreign xml:lang="grc">&#x03C0;&#x03B1;&#x03B8;&#x03B7;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03CC;&#x03C2;</foreign> hat nach Nikom. Eth. II, 7 gerade diese <lb n="pba_441.013"/>
Bedeutung); <hi rendition="#g">von den Übrigen aber erfährt ein jeder so viel <lb n="pba_441.014"/>
von dieser Wirkung, als die betreffende Empfindung auf <lb n="pba_441.015"/>
ihm lastet: bei allen wird eine Art von Katharsis vor sich <lb n="pba_441.016"/>
gehen und sie werden sich freudig erleichtert fühlen.</hi>&#x201C;<note xml:id="pba_441_1" place="foot" n="1"><lb n="pba_441.033"/>
1342<hi rendition="#sup">a</hi> 4: <foreign xml:lang="grc">\&#x0314;&#x03BF; &#x03B3;&#x1F70;&#x03C1; &#x03C0;&#x03B5;&#x03C1;&#x1F76; &#x1F10;&#x03BD;&#x03AF;&#x03B1;&#x03C2; &#x03C3;&#x03C5;&#x03BC;&#x03B2;&#x03B1;&#x03AF;&#x03BD;&#x03B5;&#x03B9; &#x03C0;&#x03AC;&#x03B8;&#x03BF;&#x03C2;</foreign> <foreign xml:lang="grc">&#x03C8;&#x03C5;&#x03C7;&#x1F70;&#x03C2; &#x1F30;&#x03C3;&#x03C7;&#x03C5;&#x03C1;&#x1FF6;&#x03C2; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C4;&#x03BF; &#x1F10;&#x03BD;</foreign> <lb n="pba_441.034"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03C0;&#x03AC;&#x03C3;&#x03B1;&#x03B9;&#x03C2; &#x1F51;&#x03C0;&#x03AC;&#x03C1;&#x03C7;&#x03B5;&#x03B9;, &#x03C4;&#x1FF7; &#x03B4;&#x1F10; &#x1F27;&#x03C4;&#x03C4;&#x03BF;&#x03BD; &#x03B4;&#x03B9;&#x03B1;&#x03C6;&#x03AD;&#x03C1;&#x03B5;&#x03B9; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C4;&#x1FF7; &#x03BC;&#x1FB6;&#x03BB;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD;, &#x03BF;&#x1F37;&#x03BF;&#x03BD;</foreign> <foreign xml:lang="grc">&#x1F14;&#x03BB;&#x03B5;&#x03BF;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C6;&#x03CC;&#x03B2;&#x03BF;&#x03C2;, &#x1F14;&#x03C4;&#x03B9;</foreign> <lb n="pba_441.035"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03B4;</foreign>'<foreign xml:lang="grc">&#x1F10;&#x03BD;&#x03B8;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C3;&#x03B9;&#x03B1;&#x03C3;&#x03BC;&#x03CC;&#x03C2;</foreign>. <foreign xml:lang="grc">&#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03B3;&#x1F70;&#x03C1; &#x1F51;&#x03C0;&#x1F78; &#x03C4;&#x03B1;&#x03CD;&#x03C4;&#x03B7;&#x03C2; &#x03C4;&#x1FC6;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B9;&#x03BD;&#x03AE;&#x03C3;&#x03B5;&#x03C9;&#x03C2;</foreign> <foreign xml:lang="grc">&#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03BA;&#x03CE;&#x03C7;&#x03B9;&#x03BC;&#x03BF;&#x03AF; &#x03C4;&#x03B9;&#x03BD;&#x03AD;&#x03C2; &#x03B5;&#x1F30;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD;</foreign>. <foreign xml:lang="grc">&#x1F10;&#x03BA; &#x03B4;&#x1F72;</foreign> <lb n="pba_441.036"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD; &#x1F31;&#x03B5;&#x03C1;&#x1FF6;&#x03BD; &#x03BC;&#x03B5;&#x03BB;&#x1FF6;&#x03BD; &#x1F41;&#x03C1;&#x1FF6;&#x03BC;&#x03B5;&#x03BD; &#x03C4;&#x03BF;&#x03CD;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C2; &#x1F45;&#x03C4;&#x03B1;&#x03BD; &#x03C7;&#x03C1;&#x03AE;&#x03C3;&#x03C9;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FD6;&#x03C2; &#x1F10;&#x03BE;&#x03BF;&#x03C1;&#x03B3;&#x03B9;&#x03AC;&#x03B6;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C3;&#x03B9; &#x03C4;&#x1F74;&#x03BD; &#x03C8;&#x03C5;&#x03C7;&#x1F74;&#x03BD;</foreign> <lb n="pba_441.037"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03BC;&#x03AD;&#x03BB;&#x03B5;&#x03C3;&#x03B9;, &#x03BA;&#x03B1;&#x03B8;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B1;&#x03BC;&#x03AD;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C2;, &#x1F65;&#x03C3;&#x03C0;&#x03B5;&#x03C1; &#x1F31;&#x03B1;&#x03C4;&#x03C1;&#x03B5;&#x03AF;&#x03B1;&#x03C2; &#x03C4;&#x03C5;&#x03C7;&#x03CC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03BA;&#x03B1;&#x03B8;&#x03AC;&#x03C1;&#x03C3;&#x03B5;&#x03C9;&#x03C2;, &#x03C4;&#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x1F78; &#x03B4;&#x1F74; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C4;&#x03BF;</foreign> <lb n="pba_441.038"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x1F00;&#x03BD;&#x03B1;&#x03B3;&#x03BA;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03BF;&#x03BD; &#x03C0;&#x03AC;&#x03C3;&#x03C7;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x1F10;&#x03BB;&#x03B5;&#x03AE;&#x03BC;&#x03BF;&#x03BD;&#x03B1;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x03C6;&#x03BF;&#x03B2;&#x03B7;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76;</foreign> <foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x1F45;&#x03BB;&#x03C9;&#x03C2; &#x03C0;&#x03B1;&#x03B8;&#x03B7;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BA;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2;</foreign>. <lb n="pba_441.039"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x03B4;' &#x1F04;&#x03BB;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x03B8;' &#x1F45;&#x03C3;&#x03BF;&#x03BD; &#x1F10;&#x03C0;&#x03B9;&#x03B2;&#x03AC;&#x03BB;&#x03BB;&#x03B5;&#x03B9; &#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD; &#x03C4;&#x03BF;&#x03B9;&#x03BF;&#x03CD;&#x03C4;&#x03C9;&#x03BD; &#x1F11;&#x03BA;&#x03AC;&#x03C3;&#x03C4;&#x1FF3;, &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C0;&#x1FB6;&#x03C3;&#x03B9;</foreign> <lb n="pba_441.040"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03B3;&#x03AF;&#x03B3;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C3;&#x03B8;&#x03B1;&#x03AF; &#x03C4;&#x03B9;&#x03BD;&#x03B1; &#x03BA;&#x03AC;&#x03B8;&#x03B1;&#x03C1;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD;, &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03BA;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C6;&#x03AF;&#x03B6;&#x03B5;&#x03C3;&#x03B8;&#x03B1;&#x03B9; &#x03BC;&#x03B5;&#x03B8;' &#x1F21;&#x03B4;&#x03BF;&#x03BD;&#x1FC6;&#x03C2;</foreign>.</note></p>
        <p><lb n="pba_441.017"/>
Was hat denn nun Aristoteles mit der &#x201E;<hi rendition="#g">Katharsis des Enthusiasmus</hi>&#x201C; <lb n="pba_441.018"/>
besagen wollen? Dasjenige, worauf er den Nachdruck legt, <lb n="pba_441.019"/>
ist: daß auch diese Empfindung, die gotterfüllte Begeisterung, gerade <lb n="pba_441.020"/>
wie Furcht und Mitleid, und die andern Empfindungen alle, in <lb n="pba_441.021"/>
verschiedenen Stärkegraden erscheine, keineswegs an sich selbst in allen <lb n="pba_441.022"/>
Fällen eine absolut berechtigte sei. Von diesen verschiedenen Stärkegraden <lb n="pba_441.023"/>
kann nach seiner Theorie aber nur einer der rechte, richtige, <lb n="pba_441.024"/>
gesunde, wünschenswerte sein. Welchen nun wird die <hi rendition="#g">künstlerische <lb n="pba_441.025"/>
Nachahmung</hi> sich zum Ziele, <hi rendition="#g">als den zu erregenden,</hi> setzen, <lb n="pba_441.026"/>
wenn nicht diesen? Und wie anders kann die Wirkung solcher <lb n="pba_441.027"/>
künstlerischen Nachahmung sich äußern, als daß, &#x201E;indem der Hörende <lb n="pba_441.028"/>
sie in sich erfährt&#x201C;, sie <hi rendition="#g">von dem,</hi> &#x201E;was an der Empfindung ihn belastet <lb n="pba_441.029"/>
(<foreign xml:lang="grc">&#x03BA;&#x03B1;&#x03B8;' &#x1F45;&#x03C3;&#x03BF;&#x03BD; <hi rendition="#g">&#x1F10;&#x03C0;&#x03B9;&#x03B2;&#x03AC;&#x03BB;&#x03BB;&#x03B5;&#x03B9;</hi> &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x1FF7;</foreign>), ihn <hi rendition="#g">erleichtert,</hi> das <hi rendition="#g">Zuviel</hi> <lb n="pba_441.030"/>
(<foreign xml:lang="grc">&#x03BC;&#x1FB6;&#x03BB;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD;</foreign>) <hi rendition="#g">ausscheidet</hi> (<foreign xml:lang="grc">&#x03BA;&#x03B1;&#x03B8;&#x03B1;&#x03AF;&#x03C1;&#x03B5;&#x03B9;</foreign>), <hi rendition="#g">an</hi> dieser Empfindung <hi rendition="#g">ihn</hi> also <lb n="pba_441.031"/> <hi rendition="#g">einer Läuterung,</hi> gleichsam einer Heilung teilhaftig werden läßt? <lb n="pba_441.032"/>
Das <foreign xml:lang="grc">&#x03C0;&#x03B5;&#x03C1;&#x03AF;&#x03C4;&#x03C4;&#x03C9;&#x03BC;&#x03B1;</foreign>, das für den erforderten psychologischen Vorgang <hi rendition="#g">un-
</hi></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[441/0459] pba_441.001 gendermaßen: „Denn die Empfindung, die in einigen Seelen stark auftritt, pba_441.002 ist in allen vorhanden, nur nach dem Weniger oder Mehr verschieden, pba_441.003 wie Furcht und Mitleid, ebenso auch der Enthusiasmus. Denn pba_441.004 es gibt Naturen, die auch diesem Erregungsvorgang vorzugsweise pba_441.005 unterliegen. Diese sehen wir durch die heiligen Gesänge, pba_441.006 indem sie die Wirkung der die Seele in Entzückung versetzenden Melodien pba_441.007 erfahren, zur Ruhe gebracht, als ob ihnen gleichsam Heilung pba_441.008 zu teil geworden wäre und Katharsis. Ganz dieselbe Wirkung pba_441.009 erfahren natürlich auch (sc. durch die Musik, von der in der ganzen pba_441.010 Stelle die Rede ist) die zum Mitleid oder zu der Furcht besonders stark pba_441.011 Neigenden und überhaupt alle, die irgend einer Empfindung vorzugsweise pba_441.012 unterliegen (παθητικός hat nach Nikom. Eth. II, 7 gerade diese pba_441.013 Bedeutung); von den Übrigen aber erfährt ein jeder so viel pba_441.014 von dieser Wirkung, als die betreffende Empfindung auf pba_441.015 ihm lastet: bei allen wird eine Art von Katharsis vor sich pba_441.016 gehen und sie werden sich freudig erleichtert fühlen.“ 1 pba_441.017 Was hat denn nun Aristoteles mit der „Katharsis des Enthusiasmus“ pba_441.018 besagen wollen? Dasjenige, worauf er den Nachdruck legt, pba_441.019 ist: daß auch diese Empfindung, die gotterfüllte Begeisterung, gerade pba_441.020 wie Furcht und Mitleid, und die andern Empfindungen alle, in pba_441.021 verschiedenen Stärkegraden erscheine, keineswegs an sich selbst in allen pba_441.022 Fällen eine absolut berechtigte sei. Von diesen verschiedenen Stärkegraden pba_441.023 kann nach seiner Theorie aber nur einer der rechte, richtige, pba_441.024 gesunde, wünschenswerte sein. Welchen nun wird die künstlerische pba_441.025 Nachahmung sich zum Ziele, als den zu erregenden, setzen, pba_441.026 wenn nicht diesen? Und wie anders kann die Wirkung solcher pba_441.027 künstlerischen Nachahmung sich äußern, als daß, „indem der Hörende pba_441.028 sie in sich erfährt“, sie von dem, „was an der Empfindung ihn belastet pba_441.029 (καθ' ὅσον ἐπιβάλλει αὐτῷ), ihn erleichtert, das Zuviel pba_441.030 (μᾶλλον) ausscheidet (καθαίρει), an dieser Empfindung ihn also pba_441.031 einer Läuterung, gleichsam einer Heilung teilhaftig werden läßt? pba_441.032 Das περίττωμα, das für den erforderten psychologischen Vorgang un- 1 pba_441.033 1342a 4: \̔ο γὰρ περὶ ἐνίας συμβαίνει πάθος ψυχὰς ἰσχυρῶς τοῦτο ἐν pba_441.034 πάσαις ὑπάρχει, τῷ δἐ ἧττον διαφέρει καὶ τῷ μᾶλλον, οἷον ἔλεος καὶ φόβος, ἔτι pba_441.035 δ'ἐνθουσιασμός. καὶ γὰρ ὑπὸ ταύτης τῆς κινήσεως κατακώχιμοί τινές εἰσιν. ἐκ δὲ pba_441.036 τῶν ἱερῶν μελῶν ὁρῶμεν τούτους ὅταν χρήσωνται τοῖς ἐξοργιάζουσι τὴν ψυχὴν pba_441.037 μέλεσι, καθισταμένους, ὥσπερ ἱατρείας τυχόντας καὶ καθάρσεως, ταὐτὸ δὴ τοῦτο pba_441.038 ἀναγκαῖον πάσχειν καὶ τοὺς ἐλεήμονας καὶ τοὺς φοβητικοὺς καὶ τοὺς ὅλως παθητικοὺς. pba_441.039 τοὺς δ' ἄλλους καθ' ὅσον ἐπιβάλλει τῶν τοιούτων ἑκάστῳ, καὶ πᾶσι pba_441.040 γίγνεσθαί τινα κάθαρσιν, καὶ κουφίζεσθαι μεθ' ἡδονῆς.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/459
Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/459>, abgerufen am 25.11.2024.