pba_431.001 sich in absoluter Reinheit, Gesundheit, Richtigkeit zu bethätigenpba_431.002 und mit dem dieser Empfindungsenergie ebenso notwendig pba_431.003 und unmittelbar verbundenen Bewußtsein, daß in ihr pba_431.004 der empfindende Teil der Seele seine Natur und höchste Bestimmung pba_431.005 erfülle, sie zu der lebhaftesten und höchsten Freude zu entzünden pba_431.006 und zu erheben. Daß bei der Betrachtung oder dem Anhören pba_431.007 der Kunstwerke diese Empfindung des Schönen und die Freude pba_431.008 daran sich nicht allein unmittelbar, sondern auch augenblicklich einzustellen pba_431.009 scheint, beruht auf der Täuschung, die einen an sich umfangreichen pba_431.010 und komplizierten Entwickelungsprozeß, der durch Übung und pba_431.011 Gewohnheit allerdings auf den kleinsten Zeitraum zusammengezogen pba_431.012 werden kann, nun auch als das Werk des einen Augenblicks betrachten pba_431.013 läßt. Was in Wirklichkeit dazu gehört, kann jeder an sich selbst beobachten, pba_431.014 sobald er einem bedeutenden, neuen, in seiner Art ihm bis pba_431.015 dahin fremden Kunstwerk gegenübertritt, ebenso an der Art, wie der pba_431.016 naive moderne Mensch zu der plastischen Kunst der Griechen sich verhält. pba_431.017 Auch hier ist die Bedingung, von der die "Schönheitswirkung" pba_431.018 des Kunstwerks abhängig ist, daß zunächst das durch das pba_431.019 Kunstwerk nachgeahmte Seelen-Pathos oder -Ethos in dem Beschauer pba_431.020 zur Thätigkeit angeregt, und sodann durch dasselbe in seiner Sphäre die pba_431.021 Katharsis vollendet werde: d. h. daß das Kunstwerk durch seine ihm pba_431.022 ewig und unzerstörbar anhaftende Beschaffenheit die Kraft bewähre, die pba_431.023 Seele von allem Uebermäßigen des erregten Pathos oder Ethos befreiend pba_431.024 zu entlasten, das Mangelnde schöpferisch darin zu ergänzen, das Unreine pba_431.025 läuternd daraus hinwegzuschmelzen, mit einem Worte: daß es der Seele pba_431.026 den Anlaß biete und sie zugleich mit der Kraft erfülle, die gesunde, die pba_431.027 richtige, die reine Empfindungsenergie in sich zu erfahren.
pba_431.028 So allein löst sich auch das Rätsel von der zugleich rein subjektiven pba_431.029 und rein objektiven Natur dessen, was wir das Schönepba_431.030 nennen.
pba_431.031 Rein subjektiv bleibt immer der Akt, durch den die Entstehung des pba_431.032 Phänomens des Schönen erst eine Wirklichkeit wird: rein objektiv immer pba_431.033 die Bestimmtheit des Anlasses, an den jener Akt mit a priori gewisser pba_431.034 und allgemein verbindlicher Notwendigkeit sich knüpft.
pba_431.035 Am deutlichsten läßt sich die Richtigkeit dieser Sätze an dem sogenannten pba_431.036 Naturschönen erkennen. Farbe und Gestalt der einzelnen, pba_431.037 nebeneinander befindlichen und doch wieder inmitten der Gesamtheit mit pba_431.038 allem verbunden dastehenden Naturdinge können als "ein Schönes" pba_431.039 nur durch den Sinn des Beschauers empfunden werden, an sich sind pba_431.040 sie es nicht, sondern enthalten nur den Anlaß, jenen "Sinn" zu
pba_431.001 sich in absoluter Reinheit, Gesundheit, Richtigkeit zu bethätigenpba_431.002 und mit dem dieser Empfindungsenergie ebenso notwendig pba_431.003 und unmittelbar verbundenen Bewußtsein, daß in ihr pba_431.004 der empfindende Teil der Seele seine Natur und höchste Bestimmung pba_431.005 erfülle, sie zu der lebhaftesten und höchsten Freude zu entzünden pba_431.006 und zu erheben. Daß bei der Betrachtung oder dem Anhören pba_431.007 der Kunstwerke diese Empfindung des Schönen und die Freude pba_431.008 daran sich nicht allein unmittelbar, sondern auch augenblicklich einzustellen pba_431.009 scheint, beruht auf der Täuschung, die einen an sich umfangreichen pba_431.010 und komplizierten Entwickelungsprozeß, der durch Übung und pba_431.011 Gewohnheit allerdings auf den kleinsten Zeitraum zusammengezogen pba_431.012 werden kann, nun auch als das Werk des einen Augenblicks betrachten pba_431.013 läßt. Was in Wirklichkeit dazu gehört, kann jeder an sich selbst beobachten, pba_431.014 sobald er einem bedeutenden, neuen, in seiner Art ihm bis pba_431.015 dahin fremden Kunstwerk gegenübertritt, ebenso an der Art, wie der pba_431.016 naive moderne Mensch zu der plastischen Kunst der Griechen sich verhält. pba_431.017 Auch hier ist die Bedingung, von der die „Schönheitswirkung“ pba_431.018 des Kunstwerks abhängig ist, daß zunächst das durch das pba_431.019 Kunstwerk nachgeahmte Seelen-Pathos oder -Ethos in dem Beschauer pba_431.020 zur Thätigkeit angeregt, und sodann durch dasselbe in seiner Sphäre die pba_431.021 Katharsis vollendet werde: d. h. daß das Kunstwerk durch seine ihm pba_431.022 ewig und unzerstörbar anhaftende Beschaffenheit die Kraft bewähre, die pba_431.023 Seele von allem Uebermäßigen des erregten Pathos oder Ethos befreiend pba_431.024 zu entlasten, das Mangelnde schöpferisch darin zu ergänzen, das Unreine pba_431.025 läuternd daraus hinwegzuschmelzen, mit einem Worte: daß es der Seele pba_431.026 den Anlaß biete und sie zugleich mit der Kraft erfülle, die gesunde, die pba_431.027 richtige, die reine Empfindungsenergie in sich zu erfahren.
pba_431.028 So allein löst sich auch das Rätsel von der zugleich rein subjektiven pba_431.029 und rein objektiven Natur dessen, was wir das Schönepba_431.030 nennen.
pba_431.031 Rein subjektiv bleibt immer der Akt, durch den die Entstehung des pba_431.032 Phänomens des Schönen erst eine Wirklichkeit wird: rein objektiv immer pba_431.033 die Bestimmtheit des Anlasses, an den jener Akt mit a priori gewisser pba_431.034 und allgemein verbindlicher Notwendigkeit sich knüpft.
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sich in absoluter Reinheit, Gesundheit, Richtigkeit zu bethätigen pba_431.002
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der Kunstwerke diese Empfindung des Schönen und die Freude pba_431.008
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Kunstwerk nachgeahmte Seelen-Pathos oder -Ethos in dem Beschauer pba_431.020
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Rein subjektiv bleibt immer der Akt, durch den die Entstehung des pba_431.032
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/449>, abgerufen am 25.11.2024.
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