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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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Tragödie und die verschiedenen Auffassungen derselben näher zu pba_423.005
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Die Grundlagen für das theoretische Verständnis der Tragödie pba_423.008
hat Lessing neu geschaffen, indem er auf des Aristoteles' Buch "Von pba_423.009
der Dichtkunst" zurückging. "Jch habe," sagt er am Schluß der Dramaturgie, pba_423.010
"von der Grundlage der Dichtkunst dieses Philosophen meine pba_423.011
eigenen Gedanken, die ich hier ohne Weitläufigkeit nicht äußern könnte. pba_423.012
Jndes steh' ich nicht an, zu bekennen (und sollte ich in diesen pba_423.013
erleuchteten Zeiten auch darüber ausgelacht werden!
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daß ich sie für ein ebenso unfehlbares Werk halte, als die Elemente pba_423.015
des Euklides nur immer sind. Jhre Grundsätze sind ebenso wahr und pba_423.016
gewiß, nur freilich nicht so faßlich, und daher mehr der Schikane ausgesetzt pba_423.017
als alles, was diese enthalten. Besonders getraue ich mir von pba_423.018
der Tragödie, als über die uns die Zeit so ziemlich alles daraus gönnen pba_423.019
wollen, unwidersprechlich zu beweisen, daß sie sich von der Richtschnur pba_423.020
des Aristoteles keinen Schritt entfernen kann, ohne sich ebensoweit von pba_423.021
ihrer Vollkommenheit zu entfernen." Und im St. 74: "Zwar mit dem pba_423.022
Ansehen des Aristoteles wollte ich bald fertig werden, wenn ich es nur pba_423.023
auch mit seinen Gründen zu werden wüßte."

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Lessing verdankt die neuere Ästhetik alles, was sie an Klarheit pba_423.025
und Sicherheit besitzt: dennoch hat man neuerdings -- sehr zum Schaden pba_423.026
der Sache -- wieder begonnen, zwischen dem angeblich richtigen Verständnis pba_423.027
der Lehre des Aristoteles von der Tragödie und der richtigen pba_423.028
Erkenntnis der Tragödie selbst einen Unterschied zu machen.

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Es scheint auch hier ein Fortschritt, ernstlich auf Lessing zurückzugehen; pba_423.030
seine Sätze bedürfen nicht allzu tief eingreifender Abänderungen, pba_423.031
um sie sowohl mit der Meinung des Aristoteles als mit dem Kanon, pba_423.032
dem die Meisterwerke der modernen Tragödie ebenso wie die der antiken pba_423.033
folgen, in Uebereinstimmung zu zeigen.

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Nach Aristoteles ist "die Tragödie die Nachahmung einer pba_423.035
Handlung ernsten Jnhalts und in vollständiger Durchführung pba_423.036
und zwar einer solchen, der das Attribut der pba_423.037
Größe zukommt, in künstlerischem Ausdruck, dessen verschiedene pba_423.038
Arten in den einzelnen Teilen gesondert auf-

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den jedesmal vorhandenen Lebenszustand immer wieder neu geformt pba_423.002
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Es wird nun die Aufgabe sein, die Wesensbestimmung der pba_423.004
Tragödie und die verschiedenen Auffassungen derselben näher zu pba_423.005
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Die Grundlagen für das theoretische Verständnis der Tragödie pba_423.008
hat Lessing neu geschaffen, indem er auf des Aristoteles' Buch „Von pba_423.009
der Dichtkunst“ zurückging. „Jch habe,“ sagt er am Schluß der Dramaturgie, pba_423.010
„von der Grundlage der Dichtkunst dieses Philosophen meine pba_423.011
eigenen Gedanken, die ich hier ohne Weitläufigkeit nicht äußern könnte. pba_423.012
Jndes steh' ich nicht an, zu bekennen (und sollte ich in diesen pba_423.013
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wollen, unwidersprechlich zu beweisen, daß sie sich von der Richtschnur pba_423.020
des Aristoteles keinen Schritt entfernen kann, ohne sich ebensoweit von pba_423.021
ihrer Vollkommenheit zu entfernen.“ Und im St. 74: „Zwar mit dem pba_423.022
Ansehen des Aristoteles wollte ich bald fertig werden, wenn ich es nur pba_423.023
auch mit seinen Gründen zu werden wüßte.“

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Lessing verdankt die neuere Ästhetik alles, was sie an Klarheit pba_423.025
und Sicherheit besitzt: dennoch hat man neuerdings — sehr zum Schaden pba_423.026
der Sache — wieder begonnen, zwischen dem angeblich richtigen Verständnis pba_423.027
der Lehre des Aristoteles von der Tragödie und der richtigen pba_423.028
Erkenntnis der Tragödie selbst einen Unterschied zu machen.

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Es scheint auch hier ein Fortschritt, ernstlich auf Lessing zurückzugehen; pba_423.030
seine Sätze bedürfen nicht allzu tief eingreifender Abänderungen, pba_423.031
um sie sowohl mit der Meinung des Aristoteles als mit dem Kanon, pba_423.032
dem die Meisterwerke der modernen Tragödie ebenso wie die der antiken pba_423.033
folgen, in Uebereinstimmung zu zeigen.

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Nach Aristoteles ist „die Tragödie die Nachahmung einer pba_423.035
Handlung ernsten Jnhalts und in vollständiger Durchführung pba_423.036
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/441>, abgerufen am 25.11.2024.