pba_289.001 der Heldin noch hinzugefügt hätte --, und damit ist ihr ein großer pba_289.002 Teil ihres Wertes geraubt. Durch jenen Mangel geschieht es, daß das pba_289.003 Gedicht ohne feste Haltung zwischen dem Wesen der komischen Erzählung, pba_289.004 wo das Frivole ein absichtsvoll verwandtes Darstellungsmittel ist, und pba_289.005 dem des ernsten Epos schwankt, wo es als Frevel erscheint und tragische pba_289.006 Sühnung erfordert: es genügt an das heillose Spiel mit dem Gottesurteil pba_289.007 zu erinnern, das nur als anekdotenartiger Schwank unter Entfernung pba_289.008 aller realen Beziehungen zu ertragen wäre, ferner an den abgefeimten pba_289.009 Betrug mit dem Schwerte in der Minnegrotte und an die pba_289.010 ganze Reihe der eines Bocaccio würdigen Täuschungen des guten, aber pba_289.011 gleichfalls auf der Grenze der komischen Darstellung stehenden Marke.
pba_289.012 Dagegen verdankt der Parzival, ungeachtet der freien, nicht selten pba_289.013 an den Humor streifenden Bewegung der Erzählung, der festen Fügung pba_289.014 des Grundplanes die Einheitlichkeit des Tones und die kraftvolle Haltung pba_289.015 des Ganzen und damit seine Bedeutung und die Größe seiner pba_289.016 Wirkung. Die Handlung besteht in der Gewinnung des Gralkönigtums pba_289.017 durch den Helden: zu den wesentlichsten Erfordernissen pba_289.018 ihrer Darstellung gehört somit, daß sie einerseits die Bedeutung pba_289.019 dieses Gralkönigtums vorführe, andrerseits die Beschaffenheit pba_289.020 des Helden dieser Bedeutung gegenüber. Nach diesem einheitlichen pba_289.021 Gesichtspunkte und diesen Erfordernissen ist der Dichter, mag er nun pba_289.022 ganz selbständig gehandelt haben oder ihm von seiner Quelle schon pba_289.023 wesentlich vorgearbeitet sein, bei der Auswahl, Gestaltung und Disponierung pba_289.024 des stofflichen Materials durchweg verfahren, freilich mit unentwickelter pba_289.025 Technik, oft mit unzulänglichen Mitteln. Das Wesentlichste pba_289.026 ist ihm zunächst die Darstellung der ethischen Beschaffenheit seines pba_289.027 Helden: seine Kunst gewährt ihm dazu kein anderes Mittel, als das pba_289.028 naive Verfahren ab ovo zu beginnen und den Hörer mit der Beschaffenheit pba_289.029 und Geschichte der Eltern bekannt zu machen, um ihn über Anlage, pba_289.030 empfangene Grundrichtung und Jugendgeschichte, kurz über die pba_289.031 Gesamtheit dessen, was nach allen Richtungen auf sein Wesen und pba_289.032 Schicksal bestimmend einwirkte, zu unterrichten. Aber selbst in dieser pba_289.033 schwerfälligen und scheinbar nur chronologisch geordneten Vorgeschichte pba_289.034 zeigen sich die Spuren der großartigen Weite und festen Bestimmtheit, pba_289.035 in welcher der Gesamtplan entworfen ist, insofern die wesentlichsten pba_289.036 Züge derselben auf die dem Gralkönigtum beigelegte Bedeutung hinweisen. pba_289.037 Das Gralkönigtum ist das Symbol der Vorstellungsweise, mit welcher pba_289.038 Wolfram von Eschenbach seinerseits sich der herkömmlichen Auffassung pba_289.039 des romantischen Rittertums, wie es auch noch bei Hartmann erscheint, pba_289.040 kritisch gegenüberstellt und sich hoch über dieselbe erhebt. Auf dem kirch-
pba_289.001 der Heldin noch hinzugefügt hätte —, und damit ist ihr ein großer pba_289.002 Teil ihres Wertes geraubt. Durch jenen Mangel geschieht es, daß das pba_289.003 Gedicht ohne feste Haltung zwischen dem Wesen der komischen Erzählung, pba_289.004 wo das Frivole ein absichtsvoll verwandtes Darstellungsmittel ist, und pba_289.005 dem des ernsten Epos schwankt, wo es als Frevel erscheint und tragische pba_289.006 Sühnung erfordert: es genügt an das heillose Spiel mit dem Gottesurteil pba_289.007 zu erinnern, das nur als anekdotenartiger Schwank unter Entfernung pba_289.008 aller realen Beziehungen zu ertragen wäre, ferner an den abgefeimten pba_289.009 Betrug mit dem Schwerte in der Minnegrotte und an die pba_289.010 ganze Reihe der eines Bocaccio würdigen Täuschungen des guten, aber pba_289.011 gleichfalls auf der Grenze der komischen Darstellung stehenden Marke.
pba_289.012 Dagegen verdankt der Parzival, ungeachtet der freien, nicht selten pba_289.013 an den Humor streifenden Bewegung der Erzählung, der festen Fügung pba_289.014 des Grundplanes die Einheitlichkeit des Tones und die kraftvolle Haltung pba_289.015 des Ganzen und damit seine Bedeutung und die Größe seiner pba_289.016 Wirkung. Die Handlung besteht in der Gewinnung des Gralkönigtums pba_289.017 durch den Helden: zu den wesentlichsten Erfordernissen pba_289.018 ihrer Darstellung gehört somit, daß sie einerseits die Bedeutung pba_289.019 dieses Gralkönigtums vorführe, andrerseits die Beschaffenheit pba_289.020 des Helden dieser Bedeutung gegenüber. Nach diesem einheitlichen pba_289.021 Gesichtspunkte und diesen Erfordernissen ist der Dichter, mag er nun pba_289.022 ganz selbständig gehandelt haben oder ihm von seiner Quelle schon pba_289.023 wesentlich vorgearbeitet sein, bei der Auswahl, Gestaltung und Disponierung pba_289.024 des stofflichen Materials durchweg verfahren, freilich mit unentwickelter pba_289.025 Technik, oft mit unzulänglichen Mitteln. Das Wesentlichste pba_289.026 ist ihm zunächst die Darstellung der ethischen Beschaffenheit seines pba_289.027 Helden: seine Kunst gewährt ihm dazu kein anderes Mittel, als das pba_289.028 naive Verfahren ab ovo zu beginnen und den Hörer mit der Beschaffenheit pba_289.029 und Geschichte der Eltern bekannt zu machen, um ihn über Anlage, pba_289.030 empfangene Grundrichtung und Jugendgeschichte, kurz über die pba_289.031 Gesamtheit dessen, was nach allen Richtungen auf sein Wesen und pba_289.032 Schicksal bestimmend einwirkte, zu unterrichten. Aber selbst in dieser pba_289.033 schwerfälligen und scheinbar nur chronologisch geordneten Vorgeschichte pba_289.034 zeigen sich die Spuren der großartigen Weite und festen Bestimmtheit, pba_289.035 in welcher der Gesamtplan entworfen ist, insofern die wesentlichsten pba_289.036 Züge derselben auf die dem Gralkönigtum beigelegte Bedeutung hinweisen. pba_289.037 Das Gralkönigtum ist das Symbol der Vorstellungsweise, mit welcher pba_289.038 Wolfram von Eschenbach seinerseits sich der herkömmlichen Auffassung pba_289.039 des romantischen Rittertums, wie es auch noch bei Hartmann erscheint, pba_289.040 kritisch gegenüberstellt und sich hoch über dieselbe erhebt. Auf dem kirch-
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/307>, abgerufen am 22.11.2024.
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