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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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diesen zu noch weiter umfassenden Gesamtbegriffen. Hier ist überall auf pba_195.002
Erfahrung gegründete Bestimmtheit und Klarheit vorhanden, und der pba_195.003
sprachliche Ausdruck stellt den Gedanken vollständig dar. Jndem wir pba_195.004
nun aber zu den höchsten Vorstellungen vorschreiten, gewahren wir, daß pba_195.005
jene begrifflichen Feststellungen wohl geeignet sind zur Kennzeichnung pba_195.006
und Unterscheidung derselben zu dienen, aber keineswegs vermögend ihr pba_195.007
Wesen zu erschöpfen. Weite Gebiete des Gefühls und auch der Erfahrung pba_195.008
sind der deutlichen Erkenntnis verschlossen, und die Vernunft erkennt pba_195.009
die Existenz und unaufhörliche Wirksamkeit von Mächten an, die pba_195.010
dem Verstande unfaßbar und "unbegreiflich" sind. So ist gerade die pba_195.011
Thätigkeit des Verstandes, welche die vollständige Summe der Erfahrung pba_195.012
zu Begriffen vereinigt, am besten wirksam zu erweisen, daß pba_195.013
die bessere und größere Hälfte der Erkenntnis darüber hinaus noch übrig pba_195.014
bleibt für die bloßen "Schlüsse" der Vernunft, für das Urteil der pba_195.015
Empfindung,
und weiter hinaus statt der Erkenntnis für die Ahnung pba_195.016
und den Glauben.1 Daraus ergibt sich, daß, wer diese Thatsache pba_195.017
nicht anerkennt, notwendig auch zu begrifflichem Jrrtum gelangen muß, pba_195.018
eine Beobachtung, der gleichfalls Goethe den schlagenden Ausdruck verliehen pba_195.019
hat: "Wer sich vor der Jdee scheut, hat auch zuletzt den pba_195.020
Begriff nicht mehr.
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Die Sprache gibt diesen "Jdeen" Namen, aber diese Namen bezeichnen pba_195.022
sie nur, ohne daß sie vollständig erklärt werden könnten; auch pba_195.023
kann keine Erfahrung ihnen jemals vollständig entsprechen: sie gehen als pba_195.024
das "Resultat" aus der Summe der Manifestationen hervor, in denen pba_195.025
ihr Wesen sich offenbart. Da sie aber in ihrem Wesen insofern alle pba_195.026
verwandt sind, als sie alle auf eine gemeinsame Quelle hinweisen, so pba_195.027
gelangt eine konsequente Betrachtung dazu, sich die Jdee überhaupt als pba_195.028
eine "ewige und einzige" vorzustellen, von der die "einzelnen" Jdeen, pba_195.029
von denen unser Sprachgebrauch redet, nur die Emanationen sind und pba_195.030
zu der sie immer in Beziehung gedacht werden müssen.

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Wenn also das Höchste in den Dingen und ihre eigentliche pba_195.032
Vollständigkeit
niemals begrifflich festgestellt und überhaupt niemals pba_195.033
ganz ausgesprochen werden kann, sondern die Vorstellung davon nur im pba_195.034
Ahnen, Glauben und Fühlen als Thatsache vorhanden ist, so ist es klar,

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Damit steht die Lehre Kants in voller Übereinstimmung: vgl. Kritik der pba_195.036
reinen Vernunft
, I. Abth., 1. Buch, 1. Abschn. (Ausg von R. und Sch. Bd. II, pba_195.037
S. 258): "Der Begriff ist entweder ein empirischer oder reiner Begriff, und der pba_195.038
reine Begriff, sofern er lediglich im Verstande seinen Ursprung hat (nicht im reinen pba_195.039
Bilde der Sinnlichkeit), heißt Notio. Ein Begriff aus Notionen, der die Möglichkeit pba_195.040
der Erfahrung übersteigt, ist die Jdee oder der Vernunftbegriff."

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diesen zu noch weiter umfassenden Gesamtbegriffen. Hier ist überall auf pba_195.002
Erfahrung gegründete Bestimmtheit und Klarheit vorhanden, und der pba_195.003
sprachliche Ausdruck stellt den Gedanken vollständig dar. Jndem wir pba_195.004
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Thätigkeit des Verstandes, welche die vollständige Summe der Erfahrung pba_195.012
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und weiter hinaus statt der Erkenntnis für die Ahnung pba_195.016
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nicht anerkennt, notwendig auch zu begrifflichem Jrrtum gelangen muß, pba_195.018
eine Beobachtung, der gleichfalls Goethe den schlagenden Ausdruck verliehen pba_195.019
hat: „Wer sich vor der Jdee scheut, hat auch zuletzt den pba_195.020
Begriff nicht mehr.

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Die Sprache gibt diesen „Jdeen“ Namen, aber diese Namen bezeichnen pba_195.022
sie nur, ohne daß sie vollständig erklärt werden könnten; auch pba_195.023
kann keine Erfahrung ihnen jemals vollständig entsprechen: sie gehen als pba_195.024
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Wenn also das Höchste in den Dingen und ihre eigentliche pba_195.032
Vollständigkeit
niemals begrifflich festgestellt und überhaupt niemals pba_195.033
ganz ausgesprochen werden kann, sondern die Vorstellung davon nur im pba_195.034
Ahnen, Glauben und Fühlen als Thatsache vorhanden ist, so ist es klar,

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Damit steht die Lehre Kants in voller Übereinstimmung: vgl. Kritik der pba_195.036
reinen Vernunft
, I. Abth., 1. Buch, 1. Abschn. (Ausg von R. und Sch. Bd. II, pba_195.037
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reine Begriff, sofern er lediglich im Verstande seinen Ursprung hat (nicht im reinen pba_195.039
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/213>, abgerufen am 24.11.2024.