pba_174.001 durch die obigen Ausführungen vorbereitet ist, etwas Überraschendes pba_174.002 enthält: ein großer Teil der Lessingschen Fabeln beruht auf dem Element, pba_174.003 welches er selbst mit der größten Entschiedenheit aus der Theorie pba_174.004 der Fabel ausgewiesen hat, auf der Allegorie.
pba_174.005 Niemand wird der sarkastischen Glosse des Fuchses über den an pba_174.006 den Opferspenden sich nährenden Raben (II, 17) einen selbständigen, in pba_174.007 dem Leben der Tiere miteinander begründeten, Sinn zuschreiben; ihre pba_174.008 Bedeutung erhält die angebliche Fabel schlechterdings erst durch die in pba_174.009 die Augen springende Ähnlichkeit des Raben mit einem sportelsüchtigen pba_174.010 Schwarzrock, auf den dann der satirische Zweifel des Fuchses ohne weiteres pba_174.011 Anwendung findet. Handgreiflich liegt die Sache ebenso in III, 15 "Die pba_174.012 Eiche" und II, 14 "Der Fuchs und die Larve". Lessing irrt sich in pba_174.013 der Fragestellung, wenn er es einen kindischen Mißbrauch der Sprache pba_174.014 nennt, die allegorische Ähnlichkeit darin finden zu wollen, daß pba_174.015 man einmal ein begriffliches Verhältnis an einem einzelnen Falle beobachtet pba_174.016 und das andere Mal es allgemein und abstrakt erkennt. So pba_174.017 verfährt man freilich bei jedem Gleichnis, jeder Allegorie, jeder Parabel. pba_174.018 Und doch beruhen sie alle auf vorhandener Ähnlichkeit der Subjekte pba_174.019 und ihrer Prädikate, an und in denen das begriffliche Verhältnis sich pba_174.020 manifestiert. Das Entscheidende für die Allegorie ist, daß durch diese pba_174.021 Ähnlichkeit eine konkrete Darstellung geeignet wird an die Stelle einer pba_174.022 anderen oder einer Begriffsdarstellung zu treten, so daß sie für sich pba_174.023 allein noch nicht volle Geltung hat, sondern dieselbe in dem ganzen pba_174.024 Umfange, der ihr zukommt, erst durch die hinzutretende Deutung erlangt. pba_174.025 Die Bezeichnung der Larve als Kopf ohne Gehirn mit offenem pba_174.026 Munde ist die einfache Allegorisierung eines Schwätzers; daß ein Fuchs pba_174.027 die Larve findet und die Allegorie ausspricht, macht aus der Allegorie pba_174.028 keine Fabel. Ebenso ist auch die Geschichte vom Fuchs und der Eiche pba_174.029 nur scheinbar eine Fabel, obwohl hier doch wenigstens dem Charakter pba_174.030 des Fuchses ein Anteil an der Handlung zufällt; dennoch würde auch pba_174.031 diese Erfindung ohne die allegorische Deutung, welcher man beim ersten pba_174.032 Hören sofort inne wird, gänzlich unbedeutend sein. Desto vortrefflicher pba_174.033 ist sie als Allegorie, sie spricht für sich selbst und so that Lessing recht, pba_174.034 die in den "Schriften" hinzugefügte Deutung wegzulassen:
pba_174.035
Jhr, die ihr, vom Geschick erhöht,pba_174.036 Weit über uns erhaben steht,pba_174.037 Wie groß ihr wirklich seid, zu wissen,pba_174.038 Wird euch das Glück erst stürzen müssen.
pba_174.039 Die beiden Schemata, wie das eine im ersten und zweiten Beispiele pba_174.040 vorliegt, das andere im dritten, wiederholen sich sehr vielfach: die Alle-
pba_174.001 durch die obigen Ausführungen vorbereitet ist, etwas Überraschendes pba_174.002 enthält: ein großer Teil der Lessingschen Fabeln beruht auf dem Element, pba_174.003 welches er selbst mit der größten Entschiedenheit aus der Theorie pba_174.004 der Fabel ausgewiesen hat, auf der Allegorie.
pba_174.005 Niemand wird der sarkastischen Glosse des Fuchses über den an pba_174.006 den Opferspenden sich nährenden Raben (II, 17) einen selbständigen, in pba_174.007 dem Leben der Tiere miteinander begründeten, Sinn zuschreiben; ihre pba_174.008 Bedeutung erhält die angebliche Fabel schlechterdings erst durch die in pba_174.009 die Augen springende Ähnlichkeit des Raben mit einem sportelsüchtigen pba_174.010 Schwarzrock, auf den dann der satirische Zweifel des Fuchses ohne weiteres pba_174.011 Anwendung findet. Handgreiflich liegt die Sache ebenso in III, 15 „Die pba_174.012 Eiche“ und II, 14 „Der Fuchs und die Larve“. Lessing irrt sich in pba_174.013 der Fragestellung, wenn er es einen kindischen Mißbrauch der Sprache pba_174.014 nennt, die allegorische Ähnlichkeit darin finden zu wollen, daß pba_174.015 man einmal ein begriffliches Verhältnis an einem einzelnen Falle beobachtet pba_174.016 und das andere Mal es allgemein und abstrakt erkennt. So pba_174.017 verfährt man freilich bei jedem Gleichnis, jeder Allegorie, jeder Parabel. pba_174.018 Und doch beruhen sie alle auf vorhandener Ähnlichkeit der Subjekte pba_174.019 und ihrer Prädikate, an und in denen das begriffliche Verhältnis sich pba_174.020 manifestiert. Das Entscheidende für die Allegorie ist, daß durch diese pba_174.021 Ähnlichkeit eine konkrete Darstellung geeignet wird an die Stelle einer pba_174.022 anderen oder einer Begriffsdarstellung zu treten, so daß sie für sich pba_174.023 allein noch nicht volle Geltung hat, sondern dieselbe in dem ganzen pba_174.024 Umfange, der ihr zukommt, erst durch die hinzutretende Deutung erlangt. pba_174.025 Die Bezeichnung der Larve als Kopf ohne Gehirn mit offenem pba_174.026 Munde ist die einfache Allegorisierung eines Schwätzers; daß ein Fuchs pba_174.027 die Larve findet und die Allegorie ausspricht, macht aus der Allegorie pba_174.028 keine Fabel. Ebenso ist auch die Geschichte vom Fuchs und der Eiche pba_174.029 nur scheinbar eine Fabel, obwohl hier doch wenigstens dem Charakter pba_174.030 des Fuchses ein Anteil an der Handlung zufällt; dennoch würde auch pba_174.031 diese Erfindung ohne die allegorische Deutung, welcher man beim ersten pba_174.032 Hören sofort inne wird, gänzlich unbedeutend sein. Desto vortrefflicher pba_174.033 ist sie als Allegorie, sie spricht für sich selbst und so that Lessing recht, pba_174.034 die in den „Schriften“ hinzugefügte Deutung wegzulassen:
pba_174.035
Jhr, die ihr, vom Geschick erhöht,pba_174.036 Weit über uns erhaben steht,pba_174.037 Wie groß ihr wirklich seid, zu wissen,pba_174.038 Wird euch das Glück erst stürzen müssen.
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durch die obigen Ausführungen vorbereitet ist, etwas Überraschendes pba_174.002
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welches er selbst mit der größten Entschiedenheit aus der Theorie pba_174.004
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Niemand wird der sarkastischen Glosse des Fuchses über den an pba_174.006
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/192>, abgerufen am 25.11.2024.
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