pba_102.001 Reflexionen über seine eigene Lage und Verhältnisse entsprungen ist; viele pba_102.002 auch unter den bedeutenderen Dichtern sind hierbei stehen geblieben, es pba_102.003 seien nur die hervorragendsten genannt: Byron und Heine. Das pba_102.004 Zeichen einer wahrhaft großen Dichtung aber ist es, daß das Ethos, pba_102.005 welches die Jndividualität des Dichters bezeichnet, zugleich der höchsten pba_102.006 Vorstellung der menschlichen Gattung entspreche und so durch seine pba_102.007 typische Geltung zugleich die Allgemeinheit und die erhebende und pba_102.008 läuternde Kraft seiner Wirkung empfange.
pba_102.009
VIII.
pba_102.010 Dehnt man die auf die gnomische Dichtung angewandte Betrachtungsweise pba_102.011 auf die satirisch-humoristische Poesie aus, so ergibt pba_102.012 sich, so unerwartet das sein mag, daß die Gesetze, unter denen sie steht, pba_102.013 der Gattung nach dieselben sind wie bei jener, und daß zwischen beiden pba_102.014 nur Art-Unterschiede stattfinden. Die satirisch-humoristische Poesiepba_102.015 erweist sich daher als eine Abzweigung der gnomischen.
pba_102.016 Noch augenfälliger wie bei der gnomischen Dichtung tritt hier die pba_102.017 Mannigfaltigkeit der Darstellungsmittel hervor, welche zwischen dem pba_102.018 lyrischen und epischen Charakter zu schwanken und daher eine bestimmte pba_102.019 Klassifikation dieser Gattung zu erschweren scheinen. Denn wie jene pba_102.020 kann die satirisch-humoristische Dichtung bald schlechthin reflektierend sich pba_102.021 verhalten, bald eine Reihe sachlich unzusammenhängender, nur durch den pba_102.022 Faden der Betrachtung vereinigter, Bilder und Vorgänge verwenden, pba_102.023 bald sich der Darstellung einer einzigen und einheitlichen Handlung bedienen; pba_102.024 ganz wie jene ist sie der dramatischen Lebendigkeit fähig und pba_102.025 bedarf ebenso wie sie unter Umständen mit Notwendigkeit der allegorischen pba_102.026 Verkleidung.
pba_102.027 Jn den Mustern der Gattung, den Horazischen Satiren, sind pba_102.028 diese Darstellungsweisen sämtlich verwendet; als Beispiele dienen ferner pba_102.029 Dichtungen wie Schillers "Jeremiade", "Shakespeares Schatten", pba_102.030 "Teilung der Erde", "Pegasus im Joche", oder "Goethes Episteln" pba_102.031 und der größte Teil der unter der Ueberschrift "Parabolisch" pba_102.032 vereinigten Gedichte; es sei auch auf Schillers satirische Jugendgedichtepba_102.033 hingewiesen und auf Bürgers Versuche auf diesem Felde, pba_102.034 z. B. das Gedicht vom "Vogel Urselbst".
pba_102.035 Die beiden Hauptpunkte, in denen die generelle Aehnlichkeit der pba_102.036 satirisch-humoristischen Dichtung mit der gnomischen stattfindet, sind diese: pba_102.037 daß in jener wie in dieser der Gegenstand der Nachahmung die Hervor-
pba_102.001 Reflexionen über seine eigene Lage und Verhältnisse entsprungen ist; viele pba_102.002 auch unter den bedeutenderen Dichtern sind hierbei stehen geblieben, es pba_102.003 seien nur die hervorragendsten genannt: Byron und Heine. Das pba_102.004 Zeichen einer wahrhaft großen Dichtung aber ist es, daß das Ethos, pba_102.005 welches die Jndividualität des Dichters bezeichnet, zugleich der höchsten pba_102.006 Vorstellung der menschlichen Gattung entspreche und so durch seine pba_102.007 typische Geltung zugleich die Allgemeinheit und die erhebende und pba_102.008 läuternde Kraft seiner Wirkung empfange.
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VIII.
pba_102.010 Dehnt man die auf die gnomische Dichtung angewandte Betrachtungsweise pba_102.011 auf die satirisch-humoristische Poesie aus, so ergibt pba_102.012 sich, so unerwartet das sein mag, daß die Gesetze, unter denen sie steht, pba_102.013 der Gattung nach dieselben sind wie bei jener, und daß zwischen beiden pba_102.014 nur Art-Unterschiede stattfinden. Die satirisch-humoristische Poesiepba_102.015 erweist sich daher als eine Abzweigung der gnomischen.
pba_102.016 Noch augenfälliger wie bei der gnomischen Dichtung tritt hier die pba_102.017 Mannigfaltigkeit der Darstellungsmittel hervor, welche zwischen dem pba_102.018 lyrischen und epischen Charakter zu schwanken und daher eine bestimmte pba_102.019 Klassifikation dieser Gattung zu erschweren scheinen. Denn wie jene pba_102.020 kann die satirisch-humoristische Dichtung bald schlechthin reflektierend sich pba_102.021 verhalten, bald eine Reihe sachlich unzusammenhängender, nur durch den pba_102.022 Faden der Betrachtung vereinigter, Bilder und Vorgänge verwenden, pba_102.023 bald sich der Darstellung einer einzigen und einheitlichen Handlung bedienen; pba_102.024 ganz wie jene ist sie der dramatischen Lebendigkeit fähig und pba_102.025 bedarf ebenso wie sie unter Umständen mit Notwendigkeit der allegorischen pba_102.026 Verkleidung.
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pba_102.035 Die beiden Hauptpunkte, in denen die generelle Aehnlichkeit der pba_102.036 satirisch-humoristischen Dichtung mit der gnomischen stattfindet, sind diese: pba_102.037 daß in jener wie in dieser der Gegenstand der Nachahmung die Hervor-
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Reflexionen über seine eigene Lage und Verhältnisse entsprungen ist; viele pba_102.002
auch unter den bedeutenderen Dichtern sind hierbei stehen geblieben, es pba_102.003
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läuternde Kraft seiner Wirkung empfange.
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VIII. pba_102.010
Dehnt man die auf die gnomische Dichtung angewandte Betrachtungsweise pba_102.011
auf die satirisch-humoristische Poesie aus, so ergibt pba_102.012
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der Gattung nach dieselben sind wie bei jener, und daß zwischen beiden pba_102.014
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erweist sich daher als eine Abzweigung der gnomischen.
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Noch augenfälliger wie bei der gnomischen Dichtung tritt hier die pba_102.017
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pba_102.027
Jn den Mustern der Gattung, den Horazischen Satiren, sind pba_102.028
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und der größte Teil der unter der Ueberschrift „Parabolisch“ pba_102.032
vereinigten Gedichte; es sei auch auf Schillers satirische Jugendgedichte pba_102.033
hingewiesen und auf Bürgers Versuche auf diesem Felde, pba_102.034
z. B. das Gedicht vom „Vogel Urselbst“.
pba_102.035
Die beiden Hauptpunkte, in denen die generelle Aehnlichkeit der pba_102.036
satirisch-humoristischen Dichtung mit der gnomischen stattfindet, sind diese: pba_102.037
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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/120>, abgerufen am 24.11.2024.
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